49€ Ticket

Hallo,
in der letzten Folge wurde viel über das 49€ Ticket geredet und auch, dass der Preis zu teuer sei. Ich weiß viele wünschen sich dauerhaft das 9€ Ticket zurück, aber ist das wirtschaftlich für die Bahn nicht komplett Unprofitabel ? Ich meine die DB und alle Regionalanbieter haben doch laufende Kosten und Mitarbeiter zu bezahlen. Da würde dass für Deutschlandweit 9€ doch vorne und hinten nicht hinhauen oder ? Deshalb bin ich da immer ein bisschen skeptisch wenn jemand sagt, dass 49€ zu teuer sind, oder bin ich da auf dem Holzweg ?
Ich würde mich sehr über eure Meinung freuen!
LG, Monti

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Auch das 49€-Ticket dürfte nicht profitabel sein. Daher subventioniert der Staat ja das Ticket, und zwar weil die Politik / die Gesellschaft will, dass Menschen mehr mit Öffentlichem Verkehr (Bahn, ÖPNV) und weniger mit Individualverkehr (Auto) fahren. Denn das senkt den CO2-Verbrauch der Mobilität / des Verkehrs. Und das ist dringend nötig.

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Ergänzend dazu:
Auch die heutigen Tickets sind nicht profitabel und werden subventioniert.

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Willkommen @Montiti :slight_smile:

Die Finanzierung des ÖPNV beruht nur zum Teil auf Ticketerlösen. Der Rest kommt aus öffentlichen Quellen (z.B. sogenannte Verkehrsverträge, wenn die Stadt oder Landkreis eine Buslinie beauftragen oder steuerliche Erleichterungen für ÖPNV-Betreiber). Eine relativ detaillierte Quelle dazu (allerdings von 2019) ist diese hier, laut derer damals die eigentlichen „Ticketerlöse“ im ÖPNV ca. 11,16 Milliarden von 25 Milliarden € Betriebskosten ausmachten.

Grob gerechnet nehmen die Betreiber pro Monat eine Milliarde € durch Tickets ein. Im Laufe des 9€-Tickets wurden 82 Millionen Tickets verkauft (52 Millionen Einzeltickets plus 10 Millionen AbbonentInnen, die drei Monate lang das Tickets automatisch bekamen). Das ergibt 738 Millionen €, die während des 9€-Tickets statt der üblichen 3 Milliarden € in die Kasse kamen. Das wurde durch 2,5 Milliarden aus Bundesmitteln ausgeglichen.

Das Folgende sind nur Überschlagsrechnungen, da ich keine Daten zur Marktforschung habe, aber vermutlich lag bei den Verhandlungen den EntscheiderInnen eine Liste vor, die wie folgt ausgesehen haben könnte:

  • 9€-Ticket: 25-30 Mio. verkaufte Tickets pro Monat, 250 Mio € Einnahmen pro Monat, 10 Milliarden Zuschuss pro Jahr nötig.
  • 19€-Ticket: 20-25 Mio. verkaufte Tickets pro Monat, 450 Mio € Einnahmen pro Monat, 6,5 Milliarden Zuschuss pro Jahr nötig.
  • 29€-Ticket: 15-20 Mio. verkaufte Tickets pro Monat, 550 Mio € Einnahmen pro Monat, 5,5 Milliarden Zuschuss pro Jahr nötig.
  • 39€-Ticket: 15-17 Mio. verkaufte Tickets pro Monat, 650 Mio € Einnahmen pro Monat, 4,5 Milliarden Zuschuss pro Jahr nötig.
  • 49€-Ticket: 15 Mio. verkaufte Tickets pro Monat, 750 Mio € Einnahmen pro Monat, 3 Milliarden Zuschuss pro Jahr nötig.

(die Zahlen sind geschätzt, aber meiner Meinung nach halbwegs plausibel). Man hat sich nun eben für die Sparvariante entschieden. Für die zusätzlichen 7 Milliarden pro Jahr, die nötig gewesen wären, um ein vollwertiges 49€-Ticket anzubieten, gab es keine politischen Mehrheiten.

Man sollte auch noch betonen, dass Ticketpreise im ÖPNV nur wenig mit der Realwirtschaft zu tun haben: ÖPNV-Tickets sind kein knappes Gut, dessen Preis mit Angebot und Nachfrage steigt und fällt, sondern ein extrem reglementierter Markt, in dem das Angebot durch politischen Beschluss festgelegt wird und dann die Preise irgendwie halbwegs passend gewählt werden. Das ist auch gut so, aber es führt dazu, dass es nicht unbedingt zielführend ist, über ÖPNV betriebswirtschaftlich nachzudenken. Busse fahren, weil das so vorgeschrieben ist und nicht, weil es sich lohnt.

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Die Frage ist, wie andere schon sagten, was du erreichen willst.

Es ist tatsächlich fakt, dass der ÖPNV seit jeher subventioniert wird. ÖPNV im Kerngebiet von Großstädten zu Stoßzeiten (z.B. 6 - 18 Uhr) wäre auch wirtschaftlich tragfähig, aber wir wollen - aus gutem Grund - ÖPNV bundesweit, also auch auf dem Land und idealerweise auch außerhalb der Stoßzeiten (dh. z.B. von 6 bis 23 Uhr). Das wird jedoch nie profitabel machbar sein, sodass es immer zu einer Mischkalkulation kommt, die, damit die Preise nicht zu hoch sind, von Bund und Ländern unterstützt wird.

Bund und Länder zahlen den Verkehrsverbünden so gesehen Geld dafür, dass sie auch wirtschaftlich nicht sinnvolle Strecken und Zeiten bedienen. Ohne diese Subventionen hätten wir in Deutschland vermutlich nur U-Bahnen in den Großstädten, S-Bahnen in Metropolregionen wie dem Ruhrgebiet und Fernverkehrszüge. Busse und Nahverkehrszüge sind i.d.R. nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Ein ähnliches Beispiel haben wir bei der Umsatzsteuerbefreiung von Postdienstleistungen. Postdienstleister werden nur dann wie die Deutsche Post von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie ihre Dienste bundesweit anbieten, also auch dort, wo es sich wirtschaftlich sonst nicht lohnt. Auch das ist eine Subventionierung, die eine bundesweite Versorgung ermöglichen soll.

Wenn du daher im Hinblick auf die Kosten skeptisch bist, ist das durchaus zu Recht der Fall. In der Tat sind 49 Euro schon deutlich unter der Schwelle der Kostendeckung. Aber wenn wir wollen, dass der ÖPNV langfristig für möglichst viele Menschen eine Alternative zum Auto wird, kann 49 Euro nur der Anfang sein, dann müssen wir hier noch weit mehr subventionieren.

Ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket ist mE übrigens sinnlos. Denn bei einem dauerhaften 9-Euro-Ticket sind die Kosten für den Ticketverkauf und die Ticketkontrolle vermutlich höher, als die Erlöse. In diesem Fall wäre es sinnvoller, den alten Vorschlag der Piratenpartei aufzugreifen und direkt auf ein vollständig steuerfinanziertes ÖPNV-System zu setzen. Auch das ist weiterhin eine Möglichkeit, die keinesfalls abwegig ist, wenngleich Konservative und Wirtschaftsliberale darin natürlich den Teufel des Sozialismus sehen…

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Für uns als Familie sind 49€ pro Person zuviel. Für uns wäre es auch nur eine Alternative für die Freizeit, da die Arbeitswege nicht sinnvoll mit dem ÖPNV leistbar sind.
Aber jetzt bleiben wir lieber beim Auto.

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Hallo cors,

Greenpeace hat eine Studie erstellt (https://www.greenpeace.de/publikationen/Kalkulation_Klimaticket_4.pdf) und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass doppelt so viele Menschen ein Ticket für 29€ anstatt 49€ kaufen würden (Tabelle 2).

Für mich persönlich gilt das auch. Ich wohne in einer Großstadt. Da ich die meisten Strecken mit dem Fahrrad fahre, gebe im Schnitt weniger als 29€ im Monat für den ÖPNV aus. Ein 29€ Ticket würde ich mir aber trotzdem kaufen, allein schon um der regelmäßigen Frage aus dem Weg zu gehen, ob ich besser Streifen stempeln oder eine Tageskarte kaufen soll, weil hin-zurück mit Stempeln günstiger ist, mit einer weiteren Fahrt sich aber schon die Tageskarte lohnt, es sei denn, die Zwischenfahrt ist eine Kurzstrecke. Aber noch mal 20€ extra (49€ statt 29€) ist mir dann doch zu viel.

Viele Grüße
Jan

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Hallo,

Ich frage mich, warum wir bei einer gesellschaftlichen Fragestellung mit staatlichen Geldern betriebswirtschaftlich statt volkswirtschaftlich denken. Anstatt zu fragen, ob die Bahn und die anderen Verkehrsunternehmen wirtschaftlich arbeiten können, könnte man auch überlegen, ob die Steuergelder und die politische Lenkungswirkung so angelegt sind, dass sie sich positiv auf unsere Volkswirtschaft und Gesellschaft auswirken, also im Gemeinwohlinteresse sind.

Ein günstiger ÖPNV hat in vielerlei Hinsicht großes Potenzial. Wenn mehr Menschen am Wochenende in die Natur raus fahren, um sich zu erholen, tut ihnen das wahrscheinlich gut und entlastet gleichzeitig unser Gesundheitssystem. Ähnlich verhält es sich mit häufigeren Besuchen von Verwandten und Freunden. Wir haben das Problem, dass die Innenstädte veröden, durch ein günstiges ÖPNV-Ticket ist der Preisunterschied zur Bestellung im Internet nicht mehr so groß. Dabei würden die Gewinne und damit Steuereinnahmen eher im Land bleiben und nicht bei Amazon und Co. landen. Auch für den Kinobesuch, den Abend in der Kneipe oder dem Restaurant müsste kein so großer „Aufschlag“ für die Fahrt bezahlt werden. Mehr Umsatz, höhere Steuereinnahmen. Lehrer hätten weniger Aufwand bei der Planung und Durchführung von Exkursionen, wenn alle Schüler:innen sowieso ein Ticket für den ÖPNV hätten. Zu guter Letzt sein noch erwähnt, dass wir erheblich Gerichts- und Gefängniskosten einsparen könnten, ganz abgesehen von zerstörten Lebensläufen durch Vorstrafen.

Wenn man den gesellschaftlichen Nutzen sowie die indirekte Kostenersparnis in anderen Sektoren einrechnet, könnte sich ein günstiges ÖPNV-Ticket durchaus als rentabel erweisen.

Viele Grüße
Jan

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Betrachten wir das doch mal streng, aber stark vereinfacht rein kapitalistisch.

Was ändert sich, wenn Menschen wegen eines günstigen Monatstickets verstärkt dem Auto ab- und dem ÖPNV zuwenden?

Der Staat nimmt etwas Mehrwertsteuer ggf ein (fällt die auf das 49€ Ticket an?), muss aber einige Milliarden subventionieren.
Die Industrie verdient ggf etwas mehr durch den Verkauf von Bussen und Zügen und Pflege der Infrastruktur wie Schienen, Strassen und Bahnhöfe (was wiederum kosten für den Staat sind).
Eine Reduktion der Autonutzung hiesse dann:
Weniger Einnahmen für den Staat durch weniger Mineralölsteuer, ggf weniger KFZ-Steuer (bei völligem Verzicht aufs Auto), dann auch weniger Versicherungssteuer, Mehrwertsteuer für autonahe Dienstleistungen.
Weniger Verkauf von Autos, durch Verzicht aufs Auto oder längere Haltungsdauer, ggf weniger Reparaturen und Ersatzteile.
Damit ggf weniger umsatzsteuer über die Unternehmen.
Man spart oder streckt als Staat Kosten für den Erhalt oder Instandsetzung von Strassen und Brücken, im Idealfall.
Wenn wur das mal rein wirtschaftsnah betrachten, ist ein verstärkter Umstieg auf den ÖPNV bei gleichzeitiger Reduktion des Individualverkehr eine monetär eher schlechte Option.
Alles mit einem Augenzwinkern.
Aber es gibt sicher Interessengruppen, die grob so schmal denken, befürchte ich.