Wichtiges zu Bürgerräten

Ihr habt die Bürgerräte erwähnt und aus meiner Sicht verdienen die noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit im Allgemeinen Nachdenken über Politik und gesellschaftliche Gestaltung. Und ich denke, zu der kurzen Darstellung in eurem Podcast gibt es einige wichtige Ergänzungen.

Die wichtigsten:

  1. Repräsentative Auslosung. Es wird zufällig, aber repräsentativ gelost. Das geht. Damit die Leute Zeit haben und es sich leisten können, werden sie bezahlt.
  2. Mediale Begleitung. Damit steht und fällt der Erfolg. Die Debatte und die Argumente müssen öffentlich zugänglich und präsent sein. Damit können sich dann die meisten Personen mit Personen und Positionen im Plenum identifizieren.
  3. Experten und Moderation
    Es sollen und können Experten geladen werden.

Im Endeffekt hat man dann wirklich die viel gewünschte gesellschaftliche Diskussion, aber so, dass sie mit Ruhe, Zeit, Fokus und Fakten (siehe Experten) geführt werden kann.

Ein sehr gute Beispiel ist die Durchführung in Irland. Eine Legalisierung der Ehe für alle oder der Abtreibung wäre in Irland von vor 20 Jahren unmöglich gewesen. Das ging mit Bürgerräten. Siehe diese sehr empfehlenswerte Podcastfolge. Hier war das Format sehr erfolgreich und hier sollten wir lernen, wie man es machen sollte, damit es erfolgreich ist. Denn es kommt auf die Ausgestaltung an.

In den bisher in Deutschland durchgeführten Bürgerräten fehlte mir die mediale Präsenz sowie die auch von euch angesprochene Verbindlichkeit.
Zur Verbindlichkeit: in Irland war klar, dass über das Ergebnis in einer Volksabstimmung abgestimmt werden sollte. Somit war auch gleichzeitig das Ziel gegeben, genug Leute inhaltlich zu überzeugen und zu informieren. Das heißt nicht, dass wir es auch so machen müssen. Aber es war für etwas gut.

3 „Gefällt mir“

Repräsentativ bezüglich was? Ich befürchte es wird immer irgendjemanden geben, der sich benachteiligt oder übergangen fühlt.

2 „Gefällt mir“

Da gibt es leider ein Problem, denn die Teilnahme ist freiwillig. Es hätte vermutlich auch wenig Sinn, zur Teilnahme zu zwingen, da das bestimmt nicht motivierend wirken würde.

Die zufällige Auswahl von Personen führe nicht in jedem Fall zu einer repräsentativen Abbildung der Gesellschaft, weil die eingeladenen Personen auch zusagen müssen, hierbei würden typische Beteiligungsmuster greifen, da nicht alle Personen hieran Interesse haben oder ihren Nutzen an einer Teilnahme sehen würden.
Weiterhin stellte Sie den aktuellen Bürgerrat zur „Rolle Deutschlands in der Welt“ dar, indem sie den Ablauf skizzierte, eine kurze Übersicht über die Ergebnisse gab und die Repräsentativität anhand der Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bürgerrates wiedergab. Auffällig war hier eine Überrepräsentation von Personen mit höherem Bildungsabschluss.
https://www.kas.de/de/web/niedersachsen/veranstaltungsberichte/detail/-/content/fallstricke-und-repraesentativitaet-von-buergerraeten

Auffällig war hier eine Überrepräsentation von Personen mit höherem Bildungsabschluss.

Ja, das ist natürlich ein Risiko, was man auf dem Schirm haben sollte.
Ich sehe hierbei allerdings kein grundlegendes Problem. Die Abbildung einer repräsentativen (@David ich gehe hier übrigens von typischen gesellschaftlichen Klassifizierungen wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Einkommen, Religionszugehörigkeit etc aus) Gesellschaftsstichprobe könnte man dennoch forcieren. Könnte man nicht einfach nach einer Absage aus der entsprechenden Gruppe „nachnominieren“?

Generell stehe ich Bürgerräten sehr offen gegenüber. Die von @SouSam verlinkte NDR-Podcast-Folge hatte ich damals auch gehört und war baff, dass a) dort überhaupt ein Bürgerrat mit der Entscheidung betraut wurde und b) wie augenscheinlich konstruktiv der Prozess gewirkt zu haben scheint.

Ich habe mich nun einmal etwas detailierte mit den Bürgerat Ernährung auseinander gesetzt.
Bemerkenswert ist, dass fast alle Empfehlungen schon lange vorgelegen haben. Diese wurden durch andere Institutionen schon in Kommissionen erarbeitet.
Ich möchte dadurch diesen Bürgerrat nicht abwerten, finde es jedoch bemerkenswert.
Nun komme ich zu meinem eigentlichen Punkt: Der Bürgerrat ist mehr oder weniger komplett frei von Lobbygruppen und deren Einfluss. Das finde ich das interessantestes an der ganzen Thematik.
Die Lobbyverbände haben einfach einen viel zu hohen Einfluss auf die die Abgeordneten und Minister.
Ich habe immer diese Verbände verteigtigt, weil ich schon auf Expertise aus der Praxis gezählt habe.
Nur seit Frau Klöckner als Ministerin schon Werbung für Zucker für einen Lebensmittelkonzern machte und seit mir aufgefallen ist, welche Studien und Empfehlungen in verschiedesten Bereichen (Landwirtschaft, Verkehr/ Mobilität, Ernährung, Bildung usw.) vorliegen und nur auf Ausführung warten, halte ich diese Lobbygruppen für ein Krebsgeschwür. Die verhindern alles, streuen desinformationen (Medien sind dankbar dafür, so schein es) und bestechen indirekt Politiker. Das muss dringend aufhören.
Wenn Bürgerräte dabei helfen, lets do it

1 „Gefällt mir“

Ich möchte unbedingt noch mal die Bürgerräte als hilfreiches Instrument gegen die Polarisierung, besonders im Osten, herausstellen. Auch mir geben die Erfahrungen aus Irland Hoffnung. So etwas würde an mehreren Punkten ansetzen:

  1. Gleichberechtigte Teilhabe aller Gruppen, auch Ostdeutschlands.
  2. Ich glaube nicht, dass sich damit radikale Ideen durchsetzen, da die meisten Menschen doch eher vernünftig sind wenn erste Impulse abgeklungen sind, sie sich in so einem Gremium aber wirklich mit den Themen auseinandersetzen können.
  3. Bekämpfung des Vorwurfs einer Obrigkeit, die Politik nur für sich selbst betreibt.
  4. Viele Ostdeutsche haben ein Problem mit Parteienbindung (SED Vergangenheit) oder fühlen sich in den existierenden Konstellationen nicht verstanden. Bei den Räten nicht nötig.
  5. Vertrauen ins Grundgesetz und die Republik stärken, indem man anfängt gemeinsam daran zu bauen.

Insbesondere den letzten Punkt halte ich für sehr wichtig, denn wir brauchen eine neue Vision. Wir müssen an einer Erzählung bauen, die die Pole enger zusammenrückt. Nulltoleranz auf beiden Seiten bringt uns nicht weiter.
Ich habe schon viel zu oft auf Gegendemos gestanden und mich darüber geärgert, dass uns das ganze ‚Gegen‘ nicht weiter bringt. Was wollen wir denn mit den 30% Menschen machen, die ich mit Nazis raus beschimpfe? Wir brauchen ein neues ‚FÜR‘, dass alle Menschen überzeugt.

Vielleicht können Bürgerräte da ein Anfang sein. Vielleicht verfangen deren Ergebnisse dann weiter… Ich mag die Hoffnung nicht aufgeben.

Also gern noch mehr damit beschäftigen :wink: