Wahlrecht könnte der AfD 1/3 der Sitze bringen, ohne 1/3 der Zweitstimmen zu haben

Ich finde dieses Thema aus dem Podcast vom 25.4.24 sehr spannend und erschreckend. Da ja in Brandenburg am 22.9.24 Landtagswahlen sind, wird die Möglichkeit den Maximal-Deckel für Ausgleichsmandate gesetzlich abzuschaffen, knapp. Ist das zeitlich überhaupt noch möglich?

Wisst ihr, ob die Brandenburger regierenden Parteien (SPD/CDU/Grüne) sich dieser Gefahr bewusst sind und dass sie noch was machen könnten?

In Brandenburg wird der Anteil der AfD an den Mandaten ohnehin höher sein als ihr Stimmenanteil, weil neben den „Sonstigen“ FDP und Freie Wähler mit Sicherheit und die LINKE eventuell an der Fünfprozenthürde scheitern werden. Selbst bei einem reinen Verhältniswahlreicht (oder einem kompletten Ausgleich aller Überhangmandate) könnten so 28 oder 29 % Wähleranteil der AfD ein Drittel der Mandate im Landtag bescheren.

Du hast vollkommen Recht: 1/3. Habe es schon verbessert. Danke für den Hinweis.

Die Frage, ob die regierenden Parteien auf dem Schirm haben, dass sie mit Abschaffung des Maximaldeckels die Demokratie „absichern“ könnten und wie lange sie noch eine realistische Chance haben, so eine gesetzliche Änderung umzusetzen.

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Das Thema „Überhangmandate“ sollten die Gesetzgeber in allen Bundesländern langsam mal abgeräumt haben. In Schleswig-Holstein hat das Problem mal dafür gesorgt, dass wir vorzeitige Neuwahlen hatten. Da ging es aber auch um die Mehrheitsverhältnisse im Landtag. Das Problem hat damals der Spiegel schön dargestellt. Es gab damals aber auch vier Dutzend Privatpersonen als Kläger, über deren Klagen Spiegel nicht berichtete.

Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts vom 30. August 2010.

Mir ist bis heute nicht klar, warum man 2012 eine Neuwahl brauchte, da man die sonst korrekt abgelaufenen Wahlen 2009 auch ohne die Beschränkung der Ausgleichsmandate hätte auswerten können, was aber allseits nicht gewünscht war. Denn dazu hätte man zunächst punktgenau die entsprechenden Formulierungen des Landeswahlrechts für nichtig erklären müssen, was dann im Sommer 2010 angesichts schon genutzter Mehrheiten u.a. auch die Frage nach dem Weiterbestehen z.B. verabschiedeter Gesetze aufgeworfen hätte. Direkt nach der Wahl wäre das noch kein Problem gewesen. Aber einstweilige Anordnungen o.ä. scheute das Gericht damals (Beschlüsse zu LVerfG 4/09 und LVerfG 5/09).

Das Dumme ist nur, dass man diese Urteile Bundesland für Bundesland erstreiten muss, weil jedes Bundesland das für sich regeln muss und das BVerfG sich bei der Beurteilung dieser eigenständigen Landesgesetze zu Recht mit Urteilen sehr zurückhält. Optimal wäre natürlich, die Gesetzgeber würden das einfach selbst in die Hand nehmen. Aber das ist wohl zu schlicht gedacht.

Das grundsätzliche Problem ist doch, dass die Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht, die es in unterschiedlichen Varianten im Bund und in vielen Ländern gibt, darauf zugeschnitten ist, dass zwei große Parteien im Grunde einen Großteil der Direktmandate unter sich ausmachen. So hat es jahrzehntelang funktioniert. Sobald es aber regelmäßig ein starkes Auseinanderklaffen zwischen Anzahl der Sitze nach Verhältniswahlrecht und Anzahl der Direktmandate nach Mehrheitswahlrecht gibt - und in der Situation sind mir mittlerweile - gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder Ausgleich aller Überhangmandate und damit eine Aufblähung der Parlamente oder eine Kappung der Direktmandate.
Ich finde es ja gut, dass die Gerichte in Deutschland so stark auf das Verhältniswahlrecht pochen und man nicht (wie in UK) mit 35% der Stimmen im Parlament alleine regieren kann oder die stärkste Fraktion (wie früher in Griechenland) automatisch 50 Sitze dazubekommt, damit es auch stabile Mehrheiten gibt. Aber das Ganze hat eben auch seinen Preis.