Umgang mit Professor:innen, die das Team Wissenschaft verlassen haben

Aus aktuellem Anlass, da Ulf auf den Radar eines bekannten Verschwörungsmythologen gelangt ist (mittlerweile dürften sich unter dem entsprechenden X-Posting genug justiziable Kommentare der Anhängerschaft befinden).

Warum tun sich deutsche Unis so schwer damit, Professor:innen, die objektiv unwahre und gefährliche Thesen zu medizinischen Fragestellungen und Verschwörungsmythen verbreiten, oder die FDGO nicht mehr respektieren, den Titel zu entziehen?

Beispiele gibt es seit Corona genug, die braucht man hier nicht separat aufführen. In den meisten Hochschulordnungen ist vorgesehen, dass man einen Professor:innentitel wegen „Unwürdigkeit“ entziehen kann. Warum passiert das nicht? Obiger Professor tritt noch ganz unverhohlen bei Veranstaltungen - obwohl emeritiert - sogar noch mit dem Namen der Universität auf, ganz, als ob er die Universität vertreten würde, z.B. bei Corona-Veranstaltungen der AfD, um dort Falschinformationen zu verbreiten. Kann mir gut vorstellen, dass so ein Professor:innen-Titel und die Angabe einer Uni durchaus bei vielen Zeitgenoss:innen dafür sorgt, den Aussagen erstmal zu glauben - was es noch gefährlicher macht.

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Vielleicht kannst du mal ein paar mehr Details zu dem Vorfall und der Person Posten, damit klarer wird, worum es geht …

Über die juristischen Schwierigkeiten, einen Titel wegen „Unwürdigkeit“ zu entziehen, haben diverse Medien schon mal berichtet:

Grundsätzlich ist die Wissenschaftsfreiheit ein hohes Gut, daher: Wenn Universitäten einem Professor den Titel entziehen wollen, muss schon wirklich etwas außergewöhnliches vorliegen. Wir wollen schließlich nicht wieder - wie im Mittelalter - alle Forschung unterbinden, die gegen den Zeitgeist oder gegen die (absolute) Mehrheit des gegenwärtigen wissenschaftlichen Konsens’ geht, denn so unwahrscheinlich es auch sein mag, solche Forschungsbeiträge sind manchmal dann eben doch revolutionär.

Um einen Titel entziehen zu können muss daher schon mehr vorliegen als nur eine sehr abwegige Meinung (z.B. im Hinblick auf Corona) zu vertreten. Wo genau diese Grenze liegt und ob sie im Falle Bhakdi z.B. erreicht ist müsste letztlich die Rechtsprechung klären.

2014 hat das BVerfG auch schon mal allgemein zu dem Thema geurteilt.

Der Tenor hier war, dass die „Unwürdigkeit“ sich auf wissenschaftsbezogene Verfehlungen beschränkt, also andere Verfehlungen außerhalb der Wissenschaft (z.B. im Fall Bhakdi die antisemitischen Äußerungen und sein Prozess wegen Volksverhetzung) hier nicht herangezogen werden dürfen, um eine „Unwürdigkeit“ zu begründen.

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Weiteres Beispiel: Ulrike Guérot. Sie wurde aufgrund einer Plagiatsaffäre von der Uni Bonn entlassen. Mir ist nicht bekannt, dass ihr auch der Professoren-Titel entzogen wird.

Dabei veröffentlicht sie folgende Dinge:
„Zuerst räumen wir auf, jeder in seinem Land. Wir überantworten die Verantwortlichen dem Internationalen Strafgerichtshof, sollte sich herausstellen, dass es nicht die Fledermaus war, sondern doch ein Labor, das uns das Virus beschert hat, wie der dänische Sonderbeauftragte der UNO kürzlich leakte. Wir bitten die USA, sich um Anthony Fauci und Bill Gates zu kümmern.“

https://blog.gwup.net/2022/03/19/verschwoerung-fakten-die-radikalisierung-der-ulrike-guerot/

Also ich möchte nicht, dass meine Kinder an der Uni von so einer Professorin unterrichtet werden.

Ein Titelentzug dürfte einfacher als die Aberkennung eines akademischen Grads sein und die „Unwürdigkeit“ wurde in der Vergangenheit durchaus schon festgestellt:

„Der Vorsitzende Richter Dieter Rauch begründet sein Urteil mit der Vorbildfunktion eines Professors gegenüber der Hochschule und den Studenten. „Diese Funktion könnte der Kläger in keiner Weise mehr ausfüllen“, sagte der Richter. Auch stehe das Verhalten des früheren Hochschullehrers „nicht im Einklang mit dem Berufsbild, das ein Professor in der Öffentlichkeit hat“, unterstrich er.“

Die hier auch im Thread benannten Professoren sind beide im Ruhestand, beziehen ihre Pension und sind auch nach Ausscheiden aus dem aktiven Universitätsleben weiterhin der FDGO verpflichtet.

Aussagen bzw. wie „die Regierung wollte mit der Impfung massenhaft Menschen umbringen“ sind meiner Meinung nach weder auf dem Boden der FDGO und schon gar nicht wissenschaftlich.

Es geht um Stefan Homburg, den man gerichtsfest als Verschwörungsmythologen bezeichnen darf:

In seinem Twitter-Profil findest Du gestern einen Beitrag über Ulf, den er als „umstritten“ und über NGO finanzierten Regierungsprogagandisten (paraphrasiert, möchte den Beitrag nicht zitieren) bezeichnet.

Das war ein Urteil eines Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013, also der untersten Ebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wichtig wäre hier zu wissen: Ist der Professor in Berufung gegangen? Falls ja: Wie ist das ausgegangen? Von einem einfachen Verwaltungsgerichts-Urteil sollte man jedenfalls nicht auf die Rechtslage schließen, für die Einschätzung wesentlich relevanter sind da die Urteile des BVerfG oder zumindest des BVerwG…

Zumindest ist der in vorzeitigen Ruhestand gegangen (oder gar geschickt worden?). Die Frage ist, ob es wegen der juristischen Unsicherheiten sinnvoll ist, zu versuchen, ihm den Titel als Professor abzuerkennen. Die Universität Hannover hat wohl seinerzeit geprüft, ob sie gegen ihn vorgehen können, sah das aber als juristisch wenig erfolgversprechend an. Darüber kann man sicherlich streiten, vielleicht braucht es mal ein paar solcher Verfahren, die bis zum BVerfG gehen, um hier klare Grenzpflöcke einzuschlagen… aber wie gesagt, einfach wird das nicht - und schnell schon mal gar nicht.

Homburg selbst ist offensichtlich eine problematische Person. Wer bei „Tichys Einblick“ und der „Achse des Guten“ schreibt und auf AfD-Veranstaltungen auftritt, für den ist Hopfen und Malz verloren… der hat schon immer merkwürdige Thesen vertreten und man kann sich fragen, wie der jemals eine Berufungskommission für eine Professoren-Stelle überzeugen konnte…

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Wikipedia sagt zumindest, dass ihr Arbeitsverhältnis an der Universität Bonn zum Februar 2023 gekündigt wurde. Es ist auch - zum Glück - eher nicht anzunehmen, dass sie jemals in Deutschland eine neue Professor bekommen wird. Da „Professor“ so gesehen kein Titel ist, ist sie mit Verlust der Professor auch kein „Professor“ mehr. Sie hat auch keine klassische Habilitation, sondern bei der Berufung zur Professorin wurden ihre bisherigen wissenschaftlichen Leistungen als habilitationsäquivalent anerkannt. Sie ist daher nicht mal Dr. habil…

In diesem Sinne kann ich dich beruhigen, sie ist keine Professorin mehr und so lange keine Universität sie wieder anstellt wird sie - zumindest an der Hochschule - auch niemanden mehr unterrichten. Der Rechtsstreit darüber, ob die Kündigung legitim war, läuft allerdings scheinbar noch - sollte sie hier Recht bekommen wären deine Sorgen sehr berechtigt, also hoffen wir mal, dass das nicht der Fall sein wird.

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Da steht allerdings auch, dass Guerot gegen die Kündigung geklagt hat. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung in erster Instanz Ende April bestätigt, aber das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Hatte ich doch geschrieben:

Also ja, sie hat in der ersten Instanz gewonnen, ist aber in Berufung gegangen.

Was mich weiterhin am meisten irritiert ist wirklich, wie diese Frau noch 2021, nachdem sie bereits völlig abgedreht war, zur Professorin in Bonn berufen werden konnte. Haben die universitären und studentischen Gremien, welche die Eignung feststellen, da völlig verschlafen?!? Dazu passend dieser Spiegel-Artikel:

Wenn das die Reaktionen auf eine Berufung als Professor sind, sollte sich die Universität doch mal ernsthaft fragen, was da falsch läuft…

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Weiteres Beispiel, wie schwer sich Unis im Umgang mit Professor:innen tun, die ins Verschwörungsumfeld geraten sind. Martin Schwab, Jura-Professor Uni Bielefeld:

Für mich passt das nicht zusammen. Einerseits gehen wir streng dagegen vor, was ich gut finde, wenn in Dissertationen schlampig zitiert wurde und bei Professor:innen wird nur halbherzig agiert, wenn diese den Boden der Wissenschaft verlassen haben. Mit Meinungsfreiheit kann man natürlich alles immer irgendwie argumentieren, macht es sich aber auch ziemlich einfach.

„Für Verteidiger Schwab ist der Prozess gegen die Gruppe rund um Prinz Reuß „der größte Missbrauch der Rechtspflege“ in Deutschland. Es werde konstruiert, dass die Angeklagten Russland um Unterstützung rufen wollten, um die deutsche Regierung zu stürzen – das werde den Angeklagten nur vorgeworfen, damit die Regierung den Verteidigungsfall ausrufen und dann im Amt bleiben könne, über die Bundestagswahl 2025 hinaus. Man meint, sich verhört zu haben, aber Schwab veröffentlicht sein Statement auch im Internet. Der Mann ist ordentlicher Juraprofessor an der Universität Bielefeld.“