Strategisch wählen, ja oder nein?

Wenn ich (wie z.b. bei der anstehenden Europawahl) am stärksten mit einer Splitterpartei wie Volt übereinstimme, sollte ich die dann auch wählen? Oder sollte ich meiner Stimme der am besten übereinstimmenden großen Partei geben? Meine Bedenken sind, dass klein wählen den gleichen Effekt hat wie gar nicht wählen, was ja bekanntlich eher den Extremen nützt. Würde mich freuen, wenn das mal diskutiert würde.

Grüße
Marc

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Bei der Europawahl haben (noch) auch kleine Parteien eine Chance. Hier gibt es also keinen Grund, seine Lieblingspartei nicht zu wählen.
Im Gegenteil: da zukünftig eine Sperrklausel gelten soll, kann man mit der Wahl einer kleinen Partei ein klares Statement gegen dieses Vorhaben setzen.

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Schon allein solche Gedankenspiele zeigen deutlich, wie undemokratisch jede prozentuale Hürde ist. Mit ihrer Beibehaltung schützen vor allem die gewählten Parteien ihre Fleischtöpfe.

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Zumindest könnte man mal eine Backupstimme einführen. Man gibt zwei Stimmen ab. Wenn die erste an der Hürde scheitert, gilt die zweite. Natürlich haben Parteien daran kein Interesse, weil es bestehende Macht verringert. Ich bin aber überzeugt, dass das im Interesse der Allgemeinheit wäre.

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Den Vorschlag habe ich auch schon mehrfach gemacht und bisher konnte mir noch niemand ein überzeugendes Argument dagegen nennen, außer vielleicht, dass der Auszählprozess minimal komplexer wird - aber das kann kein Grund sein.

Also ja, das wäre mMn die ideale Lösung.

Das wäre aktuell auch mein Grund, Volt zu wählen. Der einzige Grund, statt dessen doch die Grünen zu wählen, wäre, Schlagzeilen wie „Grüne für Regierungspolitik bei Europawahlen abgestraft!“ zu verhindern, also „Reverse-Protestwählen“ als Statement, dass man mit den Grünen in der Regierung aktuell deutlich zufriedener ist als mit der SPD oder gar der FDP…

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In Europa denke ich liegt es anders als in Deutschland bspw. / Eine Hürde finde ich grds. nicht schlecht, aber man könnte ja auch überlegen, dass die Plätze der Parteien unter x% leer bleiben, dann hat man faktisch mit einer kleinen Partei nicht zu 20% AfD gewählt.

Mir scheint Volt grundsätzlich eine sehr spannende Partei zu sein. Ich habe mich mal oberflächlich mit dem Programm beschäftigt und finde das echt gut. Ich würde aber zwischen Volt und FDP schwanken, nicht Grün. Mein erster Eindruck wäre, dass Volt qua Programm die ME guten Dinge von Grün und Gelb zusammen bringt, also ein bisschen das, was man sich von der Ampel zu Beginn hätte versprechen können. Bestimmt auch ein spannendes Thema für eine Lage :slight_smile:

Manche Länder entsenden nur 6 Vertreter, welche Vorteile siehst du da in der Sperrklausel?
Aus Malta oder Luxemburg werden auch in Zukunft einzelne Vertreter einer Partei möglich sein.
100/6 ergibt nämlich 16,7%, die eine Partei braucht, um wenigstens einen Vertreter entsenden zu dürfen.
Auch nach einführen der Hürde wird die EU ein Vielparteienparlament sein - das wird sich erst ändern, wenn die nationalen Parteien durch europäische Parteilisten ersetzt werden.
Dass das Parlament trotzdem arbeitsfähig ist, liegt daran, dass sich die Parteien in Fraktionen zusammen schließen - wie in Deutschland die CSDU.
Ich würde sogar so weit gehen, die EU als Beispiel zu sehen, wie ein Parlament trotz vieler Parteien mit entsprechender Organisation und entsprechendem Willen funktionieren kann.

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Das stimmt wohl, aber man muss auch anerkennen, dass es deutlich einfacher ist, einen Zusammenschluss von Parteien zu bilden, wenn diese Parteien nicht auf nationaler Ebene in Konkurrenz stehen.

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Bei den Diskussionen über das „strategische Wählen“ fehlt mir auch dieses mal wieder die entscheidende Frage: Was ist denn überhaupt das Ziel, das mit dieser Strategie erreicht werden soll? Das ist ja keineswegs eine banale Frage und es gibt darauf beileibe nicht nur eine Antwort. Beispiel: Wenn mein Ziel ist, dass rechte Parteien möglichst wenig Sitze bekommen, kann ich als „Strategie“ irgendeine nichtrechte Partei wählen, die sicher Sitze bekommt. Wenn mein Ziel ist, dass eine Partei oder gar eine bestimmte Person die auf einer Liste kandidiert einen Sitz bekommt, habe ich nur die „Strategie“ eben diese Partei oder Liste zu wählen etc.
Dazu kommt dann noch die Frage, wie sinnvoll die Rede von einer „Strategie“ ist, wenn es im Wesentlichen um individuelle Entscheidugen geht. In den 1980ern haben CDU & FDP manchmal indirekt dazu aufgerufen, mit der Erststimme ihren Kandidaten und mit der Zweitstimme FDP zu wählen. Das sollte beiden Parteien möglichst viele Sitze und damit eine Mehrheit für Schwarz-Gelb sichern. Eine solch öffentliches und koordiniertes Werben um „Leihstimmen“ (wie sie damals hießen) ist sicherlich eine politische Strategie.

Ist das tatsächlich so? Kommt es da nicht sehr auf den Einzelfall an? Zumindest meiner Beobachtung nach kommt es innerhalb der Fraktionen im EP sehr viel häufiger zu Zerwürfnissen zwischen Parteien
aus verschiedenen Ländern als zwischen Abgeordneten unterschiedlicher Parteien aus einem Land, die sich in einer Fraktion zusammenfinden. Dabei geht es ja meist auch nur um wenige Abgeordnete und wenn es nicht passt, wechseln die eben die Fraktion. Nur mal ein Beispiel: Ich habe bei den deutschen Abgeordneten in der Grünen Fraktion im EP in den letzten 5 Jahren weniger „Abweichungen“ bei Abstimmungen von Nico Semsrott (parteilos), Patrick Breyer (Piraten) oder Damian Boeselager (Volt) beobachtet als von Parteimitgliedern der Grünen. Einzig bei Manuela Ripa (ÖDP) bin ich mir nicht sicher. Und alle drei genannten Parteien konkurrieren auf nationaler Ebene mit den Grünen - wenn auch wegen der 5%-Klausel nicht sehr erfolgreich.

Naja, was ich geschrieben habe war eher eine These, ich habe da nicht nachgeforscht.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob dein Beispiel hier ein Gegen-Indiz darstellt. Schließlich ist ein Fall, wo es Uneinigkeit auf nationaler Ebene gibt, auch gegeben, wenn die Grünen von der Fraktionslinie abweichen und Vertreter:innen der anderen deutschen Parteien nicht.

Und dass es öfter zwischen Zerwürfnissen von Parteien aus verschiedenen Ländern kommt, ist auch statistisch zu erwarten: Eine Fraktion wird zum Beispiel vielleicht Parteien aus ~20 verschiedenen Ländern unterbringen, aber nur drei Fraktionen beherbergen überhaupt mehr als eine deutsche Partei (davon je zwei für Renew Europe (FDP/Freie Wähler) und GUE/NGL (Linke/Tierschutzpartei) sowie die 5 genannten in der Grünen Fraktion). Natürlich wird es dann insgesamt öfter zu Streitigkeiten als internationaler Ebene kommen, aber interessanter wären die relativen Zahlen.

Dann fände ich es gut, so eine Aussage auch deutlich als These zu kennzeichnen und idealerweise auch zu begründen anstatt sie als Tatsache darzustellen „man muss auch anerkennen, dass…“ .

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Um mal des Teufels Advokat zu spielen:

Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Vorschlag relevante Fragen nicht erklärt. Beispielsweise ist nicht unklar, wie ermittelt wird, welche Erststimmen an der Hürde scheitern. Wenn nacheinander jeweils die Partei mit geringstem Stimmanteil herausgenommen wird, ist das auch so zu beschreiben, weil es die Komplexität erhöht. Wenn alle Parteien gleichzeitig eliminiert werden, kann es passieren, dass keine Partei die Hürde erreicht. Das gilt zwar auch im aktuellen System, mit Backupstimme ist das jedoch wahrscheinlicher.

Außerdem ist anzumerken, dass unklar ist, was „im Interesse der Allgemeinheit“ hier bedeutet. Insbesondere gibt es bei dem Vorschlag Verlierer.

Der Vorschlag erhöht definitiv die Komplexität des Wahlsystems. Das ist nicht nur für den Auszählprozess relevant, sondern auch für die Wahlentscheidung und das Vertrauen der Wähler in das Wahlsystem.

Es ist zudem nicht unwahrscheinlich, dass der Vorschlag die Fragmentierung der Parteienlandschaft fördert, was Regierungsbildungen erschweren kann.

Außerdem ist unklar, ob eine Backupstimme das Problem, das gelöst werden soll, zufriedenstellend löst. Wenn bei mehreren Parteien unsicher ist, ob sie die Hürde erreichen (und deren Anzahl wird sich mit Sicherheit erhöhen), ist strategisches Wählen weiterhin relevant. Wenn es beispielsweise eine Partei gibt, die von sehr wenigen Menschen die höchste Präferenz ist, aber von einem Großteil der Bevölkerung akzeptiert sind (z.B. könnten dies aktuell große Parteien sein), kommen sie möglicherweise nicht ins Parlament. Das könnte Menschen zum strategischen Wählen bewegen.