Scholz: Schwerkriminelle abschieben

Scholz scheint sich in die Phalanx einzureihen, die jetzt zu diesem Thema die Stammtische bedienen will.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Diese Forderung ist so was von gar nicht zu Ende gedacht:

  1. Ob jemand „schwerkriminell“ ist, wissen wir erst, wenn so was wie „Memmingen“ passiert. Dann ist aber das Kind schon in den Brunnen gefallen. Diese Forderung verhindert so etwas wie „Memmingen“ überhaupt nicht. Und wenn so etwas wie Memmingen passiert, will ich auf keinen Fall, dass der Täter nach Afghanistan abgeschoben wird, weil er von den Taliban im Zweifel als Held gefeiert werden wird, anstatt einer gerechten Strafe zugeführt zu werden. Ich halte es für wichtig, dass er vor einem deutschen Gericht verurteilt und nach deutschen Maßstäben bestraft wird. Nach Absitzen der Strafe kann man ihn gerne abschieben, aber:
  2. Wer nach Afghanistan (Syrien) abschieben will, muss mit den Taliban (Assad) verhandeln. Die werden Straftäter nur zurücknehmen, wenn sie - wie die Türkei, Marokko, … - Geld bekommen. Wollen wir wirklich diese Regime auch noch finanzieren?
  3. Auch die Forderung (kürzlich bei Maischberger), im Kontext der Migration „den politischen Islam“ oder „Islamismus“ in Deutschland zu verhindern, ist Quatsch: Wir können (und wollen) hier doch keine Gesinnungsprüfung für Muslime einführen! Damit stellen wir alle Muslime unter Generalverdacht (was vermutlich exakt die Intention derjenigen ist, die so etwas fordern) und diejenigen, die wirklich Böses im Schilde führen, werden im Zweifel damit nicht entdeckt.
    Scholz spricht davon „Gefährder“ abschieden? Als Gefährder werden in Deutschland im Recht der Gefahrenabwehr solche Personen bezeichnet, … bei denen „bestimmte Tatsachen die Annahme der Polizeibehörden rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung … begehen“ werden [Wikipedia]. Wollen wir wirklich aufgrund eines polizeilichen Verdachts, d.h. ohne Urteil, Menschen nach Afghanistan oder Syrien abschieben?
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Ist ja leider nichts Neues. Scholz’ Parole vom „Abschieben im großen Stil“ ist ja ursprünglich eine Forderung von Rechtsextremen. Und dass es für Straftaten von Nichtdeutschen neben der normalen Strafverfolgung mit der Abschiebung quasi eine rassistische Sonderstrage gibt, ist ja leider auch nichts Neues. Das macht allerdings die aktuelle Rhetorik nicht weniger unerträglich. Das ist einfach ganz im Sinne von „wenn was nicht hilft, einfach noch mehr davon!“

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Jaein. Der Staat prüft in einem gewissen Umfang auch Glaubensgruppen. Wir nennen diese Gruppen nur anders, nämlich Sekten. Wir verbieten diese Glaubensgruppen nicht sofort, aber es findet schon eine gewisse Überprüfung auf verfassungsfeindliche bzw. kriminelle Tendenzen statt. Der „Vorteil“ von Sekten ist, dass die Anzahl der Mitglieder meistens sehr gering ist im Vergleich zu den großen Religionen.

Wobei die Argumentation „nicht mit denen Reden“ schwach ist. Wenn es um die Rettung von Ortskräften geht, wird mit ihnen auch geredet. Und mit Sicherheit hängt da immer auch ein „Preisschild“ dran.

M.E. ist das beste Argument: in Afghanistan droht ihnen eine Heldenverehrung - Straßen werden nach den Tätern benannt, etc. Insoweit würden wir ihnen einen Gefallen tun und das ist ja nun etwas, was niemand will.

Denen kann man aber nur helfen, wenn man die rausholt und hätte man die beim Abzug nicht in beschämenster Weise verraten (aus Rücksicht auf den Teil unseres Volkes der seit 1945 eigentlich nie mehr was sagen geschweige denn gehört werden sollte), müsste man heute auch nicht mit den Taliban verhandeln.
Bei Straftätern gibt es mit Verfahren und Strafen hier eine vernünftige Alternative. Die sollte man nutzen und es würde ganz grundsätzlich nicht nur bei dem Thema helfen, Prävention, Justiz und Sicherheitsbehörden personell deutlich besser auszustatten. Dass mal wieder über Abschiebungen diskutiert wird ist - wie jedes verdammte Mal - eine komplette Zeitverschwendung. Abschiebungen werden keins unserer Probleme auch nur im Ansatz lösen. Weder Gefährder, noch Wohnungsmangel, noch Rechtsextremismus oder sonst irgendwas wird dadurch (ver)schwinden.

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Deine Argumente wiedersprechen sich ein wenig. Wenn die Taliban jemanden als „Held feiern“ würden, würden, dann werden sie wahrscheinlich kaum gleichzeitig Geld dafür verlangen, ihn zurückzunehmen. Ich glaube wir müssen ein bisschen auseinander sortieren, von wem wir in dieser Debatte genau reden, dann macht das ganze deutlich mehr Sinn.

  1. Personen die hier Terroranschläge „erfolgreich“ durchgeführt haben. Hier hast du recht, die sollten nicht abgeschoben werden, weil sie hier in Deutschland den (großteil) ihres restlichen Lebens im Gefägniss verbringen sollten, anstatt von den Taliban gefeiert zu werden.
  2. Personen die nur von der Polizei als „Gefärder“ eingestuft werden. Die würde ich aus den von dir genannten rechtstaatlichen Bedenken nicht abschieben.
  3. „Gewöhnliche“ nicht-politische Straftäter. Die würden in Afghanistan wohl kaum als Helden gefeiert werden und natürlich gibt es hier ein Interesse, sie nicht mehr im Land zu haben. Hier ist dann die Frage, was es uns wert wäre, diese Menschen los zu werden und ob wir bereit wären, dafür mit den Taliban zu reden. Ich persönlich nicht, aber ich kann verstehen, wenn das andere anders sehen.
  4. „Versuchte“ Terroristen und Unterstützer. Also Menschen die wegen Dingen wie Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder der Vorbereitung eines Anschlags verurteilt wurden. Im Gegensatz zu „Gefährdern“ wurden diese Menschen rechtsstaatlich verurteilt. Gleichzeitig werden diese Menschen im Gegensatz zu Kathegorie 1. kaum zu lebenslangen Freiheitsstrafen veruteilt werden. Entsprechend ist das Interesse, sie aus Deutschland abzuschieben, damit sie ihr „Schaffen“ hier nicht fortsetzen können extrem groß. Daher finde ich es absolut legitim, zumindest für diese Gruppe ein Abschiebung zu versuchen. Klar geht es da mit Sicherheit nur um eine handvoll Menschen und ob es klappt ist eine andere Frage, aber für diese Gruppe sollte man es zumindest versuchen.
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Das Wort Gesinnungsprüfung stellt hier meiner Meinung nach ein unzulängliches Framing dar. Es geht auch nicht um die Muslime, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben oder hier geboren sind.

Bei der Entscheidung eines Duldungsrechts oder der Einbürgerung sollte aber sehr wohl geschaut werden, ob der Mensch die basalsten Grundlagen unserer Gesellschaft teilt. Einem Radikalen, der z.B. „infolge einer fundamentalistischen Kultur- und Wertevorstellung“ das Händeschütteln mit jeder Frau ablehnt, weil sie ein anderes Geschlecht hat, kann die Einbürgerung verweigert werden.

Muss man das? Es gibt genug Staaten, mit denen wir im Austausch sind, die Beziehungen zu den Taliban unterhalten und regelmäßig als Intermediäre auftreten. Warum nicht nach Katar oder in den Oman abschieben, und diese diejenigen weiterfliegen lassen? Für Syrien gilt das gleiche, die unterhalten aktive Beziehungen zu Ägypten und Jordanien.

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Ob die Taliban tatsächlich so jemanden als Helden verehren bin ich nicht so sicher. Ich würde es tatsächlich in Kauf nehmen. Wenn er hier im Gefängnis ist, kann er auf weitere Gefangene Einfluss nehmen und das Gefängnis wird zum Radikalisierungsort. Auch kostet er uns weiter Geld und es dauert ja leider häufig lange bis Urteil gefällt und Gefängnisstrafe angetreten wird.
Eine schnelle Abschiebung nach Pakistan und ggf übergabe an die Taliban wäre vielleicht eine größere Strafe, da er sich dort an die strengen Regeln des Islamismus halten müsste und die Helden Verehrung kurzweilig sein dürfte.

Analog auch bei Syrien.

Inwiefern sollte sich das widersprechen? Natürlich können die Taliban Geld für die Rücknahme von Geflüchteten verlangen und diese dann trotzdem als Helden feiern. Das schließt sich überhaupt nicht aus und wäre eigentlich nur im Sinne der Taliban.

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Da bin ich bei dir. Das Ganze riecht stark nach Wahlkampfmanöver. In der Realität dürfte die Abschiebung von Straftätern kaum eine Rolle spielen, selbst in solche Länder, in die abgeschoben werden darf. Viel häufiger werden ja Migranten abgeschoben, die hier sogar eine Arbeit gefunden haben, aber deren Duldung abgelaufen ist u.Ä., schlicht weil man die viel leichter finden kann.

Das Argument finde ich nicht gut. Für die Beurteilung einer Abschiebung sollten nur humanitäre Aspekte (Verfolgung, Gefahr usw.) berücksichtigt werden. Alles andere bringt uns sonst in anderen Fällen in Schwierigkeiten. Beim Ergebnis (nicht abschieben) bin ich aber bei dir.

Sehr interessanter Fall. Beim Lesen des Artikels ist mir aber aufgefallen, dass die Zusammenfassung „aus religiösen Gründen“ eigentlich zu kurz greift:

Er begründete dies damit, seiner Frau - einer Muslima deutscher Nationalität und syrischer Herkunft - versprochen zu haben, keiner anderen Frau die Hand zu geben.

Ich finde das geht schon in den Bereich persönlicher Lebensgestaltung. Wäre der Fall anders und das Gericht hätte festgestellt, dass er aus religiösen Gründen Frauen als „weniger wert“ als Männer ansehen würde, dann würde ich das eher nachvollziehen können. Das war aber ja scheinbar nicht der Fall.

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Doch das war der Fall, das Gericht hat festgestellt, dass „die Verweigerung des zwischen-geschlechtlichen Handschlags - wie hier - dazu diene, dem Geltungsanspruch einer salafistischen Überzeugung zum Verhältnis von Mann und Frau zu einer gesellschaftlichen Wirkung zu verhelfen.“

P.S. Mit der neuen Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts, welche Ende des Monats in Kraft tritt, könnten sich aber Änderungen ergeben haben. Ich blicke da ehrlich gesagt nicht durch.

Wenn das Asylgesuch abgewiesen wurde und keine Abschiebehindernisse vorliegen und die Person hier durch Ablehnung des Grundgesetzes oder der Kultur- und Wertevorstellung auffällt (etwa bei Beteiligung an Kalifatsdemos und dem Skandieren von antisemitischen Hetzparolen) spricht für mich nichts gegen eine Ausweisung.

Stimmt, das habe ich tatsächlich falsch gelesen. Danke für den Hinweis. :slightly_smiling_face:

Normalerweise, wenn ich etwas haben will, gebe ich etwas dafür, es zu bekommen und verlange nicht auch noch etwas dafür. Nur als Beispiel, wenn ich in eine Bäckerrei gehe, dann sage ich in der Regel „ich möchte ein Brötchen haben, hier sind 1,50 Euro dafür“ und nicht „ich möchte ein Brötchen haben, gebt mir 1,50 Euro dafür, dass ich es nehme“.

Natürlich kann ich zweiteres versuchen, es wird aber wohl kaum von Erfolg gekrönt sein.

Der Vergleich hinkt. In der Bäckerei haben die Brötchen einen Verkaufswert, weil es viele Käufer gibt, die bereit sind diesen Preis zu zahlen.
Es wird sich aber kein anderer Staat finden, der Geld gibt für abzuschiebende Personen gibt.
Es ist ja nicht so, dass Staaten Flüchtlinge aufnehmen wollen. Sondern sie wollen sie loswerden.

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