Links gewinnt, rechts regiert - ein Update zur Wahl in Frankreich

Bei der Europawahl Anfang des Jahres hat in Frankreich die Partei von M. le Pen stark zugelegt. Noch am gleichen abend hat Präsident Macron deshalb Neuwahlen ausgerufen (LdN386). Bei diesen Wahlen gab es im Prinzip drei grosse Parteien: Macrons, Le Pen und ein Links-Bündnis (NFP). Dabei ist anzumerken, dass das Wahlsystem in Frankreich anders ist, als in DE und grosse Parteien stark bevorzugt. Macrons Bündniss hat bei dieser Wahl klar verloren, le Pen stark gewonnen. Gleichzeitig ist unerwarteterweise ist die NFP stärkste Kraft geworden. Macron hat als Präsident das recht den premier ministre (Chef der Regierung/Kanzler) zu ernennen, hat dies aber nach der Wahl nicht direkt getan, da zu diesem Zeitpunkt die olympischen Spiele anfingen.
Jetzt, einige Monate später steht die neue Regierung. Les republicains, eine rechte Partei, die 5.4% bei den Wahlen gewonnen haben, stellt den premier ministre (Barnier bekannt aus Brexit Verhandlungen). Ministerposten stellen les republicains und Macrons Bündniss.

Anmerkungen:

  • In Frankreich hat normalerweise die stärkste Kraft (das wäre das Linksbündniss NFP) das Vorrecht eine Regierung zu stellen.
  • Macrons neue Regierung ist jetzt eine Regierung von Gnaden Le Pens, da eine Mehrheit im Parlament die Regierung abwählen kann (motion de censure) und die NFP schon angekündigt hat dies zu versuchen. Die Motion de censure kann also von Le Pens Partei angenommen oder abgelehnt werden je nach Wunsch.

Ich wünsche mir ein Update hierzu von der LdN. Über Wahlen zu berichten ist wichtig, viel wichtiger ist aber wer am Ende regiert.

Wahlergebnisse:

Le Monde schreibt:
„Die Regierung Barnier setzt die Kontinuität des Macronismus fort und begibt sich dank der republikanischen Front in die Hände der Rassemblement National, die am Wahlabend auf den dritten Platz verwiesen wurde. Ein politisches Kräfteverhältnis, das weit entfernt ist von dem, was die Franzosen im Juli an den Wahlurnen zum Ausdruck gebracht haben, analysiert unsere Journalistin Solenn de Royer in ihrer Kolumne.“ (übersetzt mit DeepL)

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Ich fände es auch super, das Thema nochmal aufzugreifen, gerade auch im Hinblick auf das Thema taktisches Wählen gegen Rechtsextreme. Im Juni wurde es ja noch als Riesenerfolg gefeiert, dass das Linksbündnis NFP sich erstens so schnell gegründet hat und zweitens bei der Wahl so erfolgreich war. Aber dann wurde eben schnell deutlich, dass es eben nur ein taktisches Bündnis war - ausgerichtet auf das Mehrheitswahlrecht in Frankreich. Es ist aber eben nicht eine Partei - sondern besteht aus mindestens 3 Parteien - Sozialisten (vulgo Sozialdemokraten), Grünen und dem linkspopulistischen LFI - in Deutschland annähernd vergleichbar mit einem Bündnis aus SPD, Grünen und BSW, wobei LFi in einigen Punkten noch deutlich krasser drauf ist als Wagenknecht. Damit hatten nicht nur viele Konservative und Macronisten ein Problem, sondern auch so mancher innerhalb des Bündnisses. In diesem Sinne bildete das NFP im Parlament auch nicht „eine Kraft“ und schon gar nicht die Größte. Das war sozusagen die Sollbruchstelle, die Macron genutzt hat. Soweit ich weiß haben die Fraktionen im Parlament auch nicht irgendein Recht zur Regierungsbildung - die liegt allein im Ermessen des Präsidenten.
Ich fände es gut darüber zu diskutieren, ob das NFP auch aus heutiger Sicht noch als Erfolg zu bewerten ist, gerade in Hinblick auf LFI. Das lässt sich natürlich nicht 1:1 auf Deutschland übertragen, weil sich sowohl das Wahlsystem als auch die einzelnen Parteien und die gesamte politische Kultur stark voneinander unterscheiden, aber die Tendenz, dass liberale und konservative Bürgerliche sich lieber von Rechtsextremen politisch abhängig zu machen, als mit Linkspopulisten zu paktieren, könnte ja auch hierzulande relevant werden.

Es ist natürlich richtig, dass die NFP ein Zweckbündnis ist und dass es einiges an Rissen innerhalb gibt. Trotzdem sind sie aber ja zusammen angetreten und haben es mit Lucie Castets auch geschafft sich auf eine Kandidatin für den Posten des premier ministre zu einigen.
Ein demokratisches System hat immer auch Traditionen und ungeschriebene Regeln. In Frankreich ist eine davon, dass die stärkste Kraft im Parlament das Recht hat eine Regierung aufzustellen. Wie erfolgreich diese Regierung dann ist und wie lange sie sich halten kann ist dann eine andere Frage.
Gleichzeitig hat Macron die Neuwahl selbst veranlasst und als demokratischen Akt verkauft: „die Entscheidung über unsere parlamentarische Zukunft durch die Wahl zu überlassen“ (Tagesspiegel)
Wie das vereinbar ist mit seiner Entscheidung Barnier zum premier ministre zu ernennen ist mir schleierhaft.