Haltet Ihr den „Deutschlandfond für Investitionen“ vom BMWK für eine gute Idee?
Zitat:
Wir sollten Investitionen mit einer unbürokratischen Investitionsprämie von zehn Prozent fördern.
(…)
Beispiel: Für eine Investition von 100 000 Euro zahlt der Staat eine Prämie von 10 000 Euro. Die restlichen 90 000 kann das Unternehmen dann immer noch wie üblich von der Steuer absetzen. [Seite 10]
Schafft so ein Fond nicht die nächste überflüssige Bürokratie? Ich möchte investieren, dann mache ich meine Kalkulation mit 10% Zuschuss, den ich extra beantragen muss, der aber eventuell nicht genehmigt wird?
Das BMWI hebt zwar die Vorteile von „Unbürokratische Investitionsanreize[n]“ gegenüber von Steuersenkungen hervor, aber ein paar Zeilen weiter heißt es dann:
alle Investitionen der Unternehmen mit Ausnahme der Gebäudeinvestitionen mit einer Investitionsprämie von 10% im Jahr der Investition gefördert werden.
Schwupps, da ist sie schon, die erste Einschränkung die es notwendig macht weitere Beamte einzustellen, die beurteilen und dokumentieren ob es sich bei einer Investition um eine „Gebäudeinvestition“ handelt oder nicht.
Wenn man das Ziel hat, dass Unternehmen mehr Geld zum Investieren haben, wäre denn eine Steuersenkung nicht effektiver?
Das BMWI hebt in dem Paper hervor, dass dann auch Unternehmen profitieren, die nicht investieren, aber wäre das nicht das geringere Übel gegenüber weiteren Prozessen und Bürokratien?
Nur wenn du davon ausgehst, dass die Unternehmen die Einsparungen durch niedrigere Steuern nicht als Dividende und Gewinn an ihre Shareholder ausschütten oder in höhere Managergehälter „investieren“. „Trickle Down Economics“ (also die Theorie, dass höhere Unternehmensgewinne zu höheren Investitionen und dadurch zu einem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung führen) haben sich in der Praxis nicht bestätigt.
Was Habeck vorschlägt ist ein ein staatlicher Anreiz zur Investition, der sich nicht von den Unternehmenseignern abschöpfen lässt. Und dazu braucht es praktisch per Definition eine gewisse Bürokratie, weil wenn man Kriterien aufstellt, will man sie ja auch überprüfen können.
Kritik kann man daran natürlich trotzdem üben, denn der Anreiz ist wenig Zielgerichtet. Praktisch jede Investition wird gefördert. Vielversprechender ist vielleicht das Modell des Erneuerbare Energien Gesetz, das für bestimmte (als gesellschaftlich besonders vorteilhafte eingeschätzte) Investitionen Anreize geschaffen hat.
Unbürokratische Investitionsanreize haben gegenüber allgemeinen Unternehmenssteuer-
senkungen klare Vorteile: Allgemeine Unternehmenssteuersenkungen reizen Investitionen
zu wenig an, verursachen dafür aber relativ hohe Einnahmeausfälle beim Staat. Der Grund
dafür ist, dass alle Unternehmen in Abhängigkeit von ihrem Gewinn davon profitieren,
unabhängig davon ob sie viel, wenig oder gar nicht investieren. Im Gegenteil mindern
Investitionen in Höhe der Abschreibung sogar den Gewinn, so dass von Steuersatzsenkungen hier besonders die Unternehmen profitieren, die hohe Gewinne haben und wenig investieren. Der bessere Ansatz ist es daher, gezielt Investitionen zu fördern.
Und weiter zum Vergleich mit Abschreibungen:
Die Investitionsprämie wird mit der Steuerschuld des Unternehmens verrechnet. Ist sie
höher als die Steuerschuld oder macht das Unternehmen gar keine Gewinne, wird die
Differenz bzw. die komplette Prämie ausgezahlt. Im Gegensatz zu einer einfachen
Verbesserung der Abschreibung erhalten so auch Unternehmen die Prämie, die gar keine
Gewinne erzielen, etwa weil es sich um neu gegründete Unternehmen handelt, die noch
nicht in die Gewinnzone gekommen sind.
Insgesamt finde ich es unglücklich, dass in der medialen Diskussion des Papiers fast nur dieser Deutschlandfonds Aufmerksamkeit bekommen hat. Besser macht’s die aktuelle Wochendämmerung.
Das frage ich mich sowieso seit Monaten, vielleicht kann mir das jemand beantworten…? Also woher nehmen Union und FDP die Gewissheit, dass Steuersenkungen für die Unternehmen nicht einfach in den Taschen der Vorstände landet? Woher weiß man oder warum geht man davon aus, dass das zu mehr Investitionen führen würde, die der Gesellschaft zu Gute kämen? Gibt es volkswirtschaftliche Studien dazu?
Und was spricht aus SPD und Grünen Sicht dagegen, diese Steuersenkungen für die Unternehmen zu beschließen? Ich höre immer nur Schulden vs. Steuersenkungen. Aber nie genau, was die jeweiligen Gründe für diesen Ansatz sind.
Ja, diese Studien gibt es, sie kommen nur zu einem der CDSU und FDP unliebsamen Ergebnis. Zum Beispiel hier:
We find tax cuts for the rich lead to higher income inequality in both the short- and medium-term. In contrast, such reforms do not have any significant effect on economic growth or unemployment. Our results therefore provide strong evidence against the influential political–economic idea that tax cuts for the rich ‘trickle down’ to boost the wider economy.
We find that firm owners bear a substantial portion of incidence. This implies that while business tax cuts may grow the local economy, most of the benefits of the tax cut accrue to relatively wealthy firm owners.
The effectiveness of tax instruments on stimulating investment is prone to the overall economic environment. In 2002 and 2003, for example, depreciation allowances for equipment investment were raised twice to stimulate investment. The policies were deemed ineffective in restoring investment, perhaps because investment in the 2000s became less sensitive to prices
Es gibt meines Wissens nach keinerlei wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung, dass Steuersenkungen auf hohe Einkommen und/oder Unternehmen eine effiziente Maßnahme sind um höhere Investitionen und/oder Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Es gibt dagegen jede Menge Studien die zu der Erkenntnis kommen, dass durch solche Maßnahmen ein Vermögenstransfer von der Allgemeinheit (zu deren Gunsten Steuereinnahmen verausgabt werden) zum reichsten Teil der Gesellschaft stattfindet.
Die Position der CDSU und FDP ist hier also eine rein ideologische. Reiche Menschen werden als von Natur aus gut und für eine Gesellschaft und Volkswirtschaft wichtig angesehen. Das spiegelt sich ja zum Beispiel in den jüngsten Statements von Friedrich Merz wieder, der „mehr Respekt für Besserverdienende“ fordert.
Für die aktuelle SPD möchte ich nicht sprechen. Ich bin mir ehrlich gesagt unsicher, ob und welche Überzeugungen die Partei noch leiten. Historisch gesehen hat die SPD einfach eine grundlegend andere Konzeption der Wirtschaft, in der die Wertschöpfung nicht so sehr vom „Kapital“, also den Unternehmern, sondern von den Arbeitern ausgeht. Eine starke Wirtschaft entsteht entsprechend aus einer starken Gesellschaft, gefördert werden sollen Unternehmen dort, wo dies dem Wohlergehen der dort arbeitenden Menschen dient.
Die Grünen teilen glaube ich grundsätzlich diese Perspektive der Zweckbindung von Wirtschaftsförderung an übergeordnete gesellschaftliche Interessen, erweitern den sozialen Aspekt aber um progressive gesellschafts- und umweltpolitische Zielsetzungen. Das wichtigste Beispiel ist vielleicht die Klimapolitik: staatliche Intervention über das Steuerrecht soll nicht nur die Wirtschaft fördern, sondern die Wirtschaft auch zu einem klimafreundlichen Verhalten animieren.
Darum ist der „Deutschlandfond“-Vorschlag von Habeck auch etwas aus der Rolle gefallen. Hier handelt es sich offensichtlich um den Versuch, die Grünen für eine etwas breitere Wählerschicht attraktiv zu machen und weniger um ein originär grünes Projekt. Dafür wiederum ist das EEG ein exzellentes Beispiel: erhebliche staatliche Anreize in eine als wirtschaftlich und umweltpolitisch zukunftsorientiert wahrgenommene Technologie (Erneuerbare Energien).
Es wird ja immer nur über den Investitionszuschuss geredet. Ist nicht auch eine Entlastung bei den Netzentgelten Teil des Plans? Was ja Scholz mit seinem Konzept jetzt auch fordert, obwohl er einen älteren Vorschlag von Habeck abgelehnt hat.
Und Investitionsmittel für Infrastruktur ist auch mit drin meine ich?
Ich hänge hier einfach mal das Inhaltsverzeichnis an. Link zum ganzen Papier s.o. Es sind viele Punkte drin, die aber alle nur kurz angerissen werden. Die Punkte, die einen interessieren, sind daher sehr schnell nachgelesen.
Hilft Firmen nur kein bisschen, die finanziell auf Kante genäht sind und kein Geld dafür haben die übrigen 90% zu stemmen.
Erinnert mich an viele Kommunen, ja gibt von Bund oder Land, Förderungen für Bauvorhaben, wenn aber der Restbetrag von Stadt oder Gemeinde nicht zu finanzieren sind, hilft einem das auch nichts.
In der Regel wird so eine Investition ja auf Pump gemacht. Der Zuschuss finanziert also die erste Rate und die Firma hofft auf ein (wieder) wachsendes Geschäft. Dass der Staat erst mit der Steuererklärung zahlt, macht nichts. Da das Geld sicher kommt und an die Bank abgetreten werden kann, gibt sie gerne einen Kredit.
Die Firmenpleite kommt dann erst wenn der Erfolg sich doch nicht einstellt. Wachstum erzeugt diese Idee also auf jeden Fall - auf jeden Fall teures Wachstum, vielleicht auch schmerzhaftes, weil sich manche übernehmen. Vielleicht bringt es aber auch den Schub, die Wirtschaft wieder etwas anzukurbeln.
Als Alternative werden ja oftmals Steuersenkungen vorgeschlagen. Meinst du die hätten einen deutlich besseren Effekt, sofern ihr Gesamtvolumen nicht um Größenordnungen höher ist? Wenn ja, warum erwartest du das? Die eingesparte Summe für die Unternehmen dürfte ja ähnlich sein.
Selbstverständlich werden solche Investitionen auf Pump gemacht.
Die 10% sind trotzdem nur für finanziell gut aufgestellte Firmen interessant.
Wieder ein beispiel aus der Kommunalpolitik von mir.
Auf den Bau eines Hortes, gibt es bei mir in Bayern bis zu 60% zuschuss vom Land.
Dennoch kämpfen viele Städte mit der Finanzierung.
Die Rechtsaufsicht hängt vielen im Nacken, die Schulden sind bereits zu hoch, keine weiteren Investitionen erlaubt!
Die Mehrzahl an Firmen haben ebenfalls Kredite am Laufen, jetzt noch einen weiteren Kredit, mit nur 10% von Staat? Am besten auch noch in einem Geschäftsjahr, das nur so lala läuft?
Never!
Nene, das ist wieder nur ein Programm um die grossen noch grosser zu machen, weil diese im Notfall ohnehin vom Staat gerettet werden. Deshalb jeden Kredit bekommen.
Die kleinen und mittleren Unternehmen gucken dagegen in die Röhre. Hier muss ich Lindner recht geben, so nicht!
Die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen von Kommunen und Unternehmen unterscheiden sich erheblich. Beispiele sind zwischen den beiden Kategorien nicht wirklich übertragbar.
Nur um mal einen offensichtlichen Unterschied zu nennen: Der Hort sorgt für die Kommune nach der Fertigstellung nicht etwa für bessere Einnahmen, sondern für höhere Ausgaben! Eine unternehmerische Investition wird dagegen nur dann getätigt, wenn das Unternehmen dadurch innerhalb eines akzeptablen Zeitraums mit höheren Einnahmen und/oder niedrigeren Kosten rechnen kann.
Die 10% Zuschuss in Habecks Vorschlag sind nicht dafür gedacht, komplette Investitionen in grundsätzlich schlecht laufenden Unternehmen zu rechtfertigen. Sie sollen helfen, grundsätzlich gesunden Unternehmen Neuinvestitionen zu rechtfertigen, die vorher auf der Kippe gestanden haben. Es geht nicht die völlige Absicherung unternehmerischen Risikos (das wäre dem Staat überhaupt nicht möglich), sondern nur um dessen Reduzierung, um die vorherrschende Wirtschaftsdynamik zu beeinflussen.
Warum? Der Vorschlag richtet sich doch explizit auch an Handwerksbetriebe und kleine Unternehmen. Natürlich kommt es da auf die bürokratische Ausgestaltung an. Aber beispielsweise von der staatlich stark bezuschussten Kurzarbeit während Corona haben auch viele kleine Unternehmen in meinem Bekanntenkreis profitiert, genauso wie von den direkten Coronahilfen z.B. für Kulturschaffende.
Kurzarbeit und Coronahilfen haben wenig mit den jetzt angedachten Deutschlandfond zu tun.
Das waren direkte Staatshilfen, hier ist es ein Förderprogramm. Ohne einer Kreditgebenen Bank läuft da nichts. Sprich es ist ein zwischenschritt drin, der einen erheblichen Unterschied ausmacht, gerade für „kleine“.
Es waren Beispiele dafür, dass staatliche Anreize und Programme durchaus auch für kleinere wirtschaftliche Akteure umsetzbar sind.
Ein anderes Beispiel sind die KfW-Kredite für energieeffizientes und barrierefreies Bauen. Diese Programme werden nicht durch die KfW selber, sondern durch Banken vermittelt und richten sich an Privatpersonen ohne größere bürokratische Kapazität (jedenfalls in keinem Fall mehr als kleine Handwerksbetriebe). Trotzdem sind diese staatlichen Anreize sehr beliebt und werden jedes Jahr zehntausendfach beantragt und genehmigt.
Wieso? Ich kaufe etwas, schicke die Rechnung mit meiner Steuererklärung ans Finanzamt und bekomme 10% der Rechnung von meiner Steuer abgezogen bzw. den Überschuss überwiesen. (die Rechnung muss ich wahrscheinlich nicht mal schicken. Ich trage den Betrag ins Formular ein und die Berechtigung wird bei der nächsten Betriebsprüfung mitgeprüft)
Die meisten werden dafür einen Kredit aufnehmen, aber erstens ist das nicht zwingend und zweitens werden die kleinen Unternehmen den normalerweise genauso bekommen wie ein großes Unternehmen - solange sie kreditwürdig sind.
Okej, also haben wir Lindners Vorschlag „Steuern pauschal senken“ so dass die Firmen mehr Gewinn an die Shareholder geben können und diesen Fondvorschlag den du ablehnst weil nach deiner Einschätzung kleine und mittlere Unternehemn in die Röhre gucken.
Wie dann weiter? Was ist dein Rezept um Deutschlands Wirtschaft wieder in Schwung zu bekommen?
Meine Ablehnung des Habeck-Plans bedeutet nicht automatisch, dass ich Lindners Pläne unterstütze.
Mein Plan als grosser Wirtschaftsexperte? ( Der ich nicht bin).
Planbare Strompreise, Steuersenkungen in der wirklichen Mitte der Gesellschaft und eine etwas reelere Sicht auf den Sozialstaat und ja auch Steuersenkungen für Unternehmen.
Über 100 Millarden jedes Jahr an nicht Beitragsgedeckten Rentenleistungen kann auf Dauer nicht gutgehen.
Mehrausgaben für Bundeswehr und Investition in Infrastruktur.
Dann soll nebenher der ÖPNV und die Kinderbetreung auch noch kostenlos werden.
Wie das alles gehn soll, das hätte ich gerne mal gehört.
Was soll das genau bringen? Deutschland hat im internationalen Vergleich mit anderen Industrienationen relativ geringe Steuern auf Unternehmen und entlastet Unternehmer auch noch zusätzlich durch den Verzicht auf eine Vermögens- und Erbschaftssteuer. Warum sollte eine noch niedrigere Besteuerung deiner Meinung nach beim Wohlstandsaufbau helfen, wenn der wissenschaftliche Konsens ist, dass solche Maßnahmen nur zu einem Reichtumswachstum bei ohnehin schon reichen Menschen führt?
Was genau soll das heißen? Weder ist der Zugang zur Sozialhilfe/Bürgergeld in Deutschland einfach, noch sind die dann gezahlten Beiträge besonders großzügig. Mal davon abgesehen, dass wir uns ohnehin schon am beim verfassungsrechtlichen Limit bewegen und nicht besonders viele Menschen solche Leistungen empfangen.
Irgendwo erwähnt ich hätte etwas gegen eine gerechte Vermögens/Erschaftssteuer?
In der Rente gebe es viele Milliarden die man als übermässige Vorsorge betiteln könnte. Wie bereits in meinem vorigen Beitrag erwähnt, über 100 Milliarden jedes Jahr an nicht Beitragsgedeckten auszahlungen.
Tendenz steigend.
Was die Unternehmenssteuer angeht, bewegen wir uns sehr wohl am oberen Ende. Hinzu kommen im Vergleich höhere Abgaben bei den Sozialabgaben der Arbeitgeber, entsprechend auch der Arbeitnehmer.
Die zum Jahreswechsel bekanntermassen deutlich steigen werden.