LdN387 - Hinweis Begriff "Biodeutsch"

Liebes Lage-Team,
im Interview mit R. Bachmann wurde kurz dessen Frau thematisiert - sie wurde als phänotypisch nicht „biodeutsch“ beschrieben. Ohne auf den Inhalt weiter eingehen zu wollen (eure Argumentation war da sehr eindeutig und nachvollziehbar), möchte ich trotzdem einmal darauf hinweisen, dass der Begriff „biodeutsch“ nicht unproblematisch ist. Er beschreibt genau das, was ihr damit meinen wolltet, allerdings wird er von rechter Seite häufig auch als ein solcher Begriff genutzt: Um zu legitimieren wer deutsch sei und wer nicht (vgl. AfD-Politiker Ralph Weber).
Auch wenn die Bedeutung ursprünglich eine andere war, hätte ich mir an dieser Stelle eine kritische Einordnung gewünscht. Vielleicht könnt ihr das ja noch nachholen :slight_smile:
Liebe Grüße von einer regelmäßigen Lage-Hörerin aus Greifswald

1 „Gefällt mir“

Hmm, ich kann die Kritik nachvollziehen, habe aber in Diskussionen auch öfter das Problem, dass es keinen besseren, ähnlich prägnanten Begriff gibt, den auch das „einfache Volk“ versteht. Denn „wird phänotypisch als nicht-deutsch gelesen“ versteht eben bei weitem nicht jeder.

Gibt es Ideen dafür, wie man dieses Konzept ähnlich prägnant, aber ohne die „rechte Konnotation“ des Wortes „Biodeutsch“ beschreiben könnte? Also außer „Kartoffeln“ :wink:

2 „Gefällt mir“

Umschreiben statt mit einem Wort erschlagen? „vom Aussehen her keine weiße Westeuropäerin“ oder „welche anhand ihres äußeren als Ausländerin gesehen wird“. Will man keine Fachbegriffe benutzen ist das denke ich der beste Weg alle mitzunehmen.

Ich verstand in dem Kontext des Interviews aber den Punkt nicht so ganz bei der Interviewführung. Anstatt mehrfach nachzufragen, bis die Antwort in die Richtung Rassismus geht die man von Anfang an hören wollte, hätte man diese auch direkter stellen können. So war zumindest mein Eindruck. Herr Bachmann muss man hier jedoch auch mit dem Begriff zugute halten das er in Amerika vermutlich Schlimmeres gewohnt ist in der Ausdrucksweise als „Biodeutsch“.

2 „Gefällt mir“

Ich hoffe, ich trete nicht in ein Fettnäpfchen, wenn ich zugebe, dass ich den Begriff „biodeutsch“ liebe. Ich finde ihn griffig und witzig. Er wurde in migrantischen Kreisen erfunden, umschreibt leicht verständlich die Vorstellung einer deutschen Kaste, die sich ethnisch zusammengehörig begreift, und ironisiert zugleich diese Selbstauffassung.

Dass der Begriff zuletzt auch von rechten Kreisen in Anspruch genommen wurde, ist bedauerlich, aber nicht überraschend. In solchen Gefilden wird immer fleißig daran gearbeitet, Begriffe zu vereinnahmen, ihre Bedeutung zu verschieben oder ins Gegenteil zu verkehren, von „ideologisch“ über „demokratiefeindlich“ bis „biodeutsch“. Vorläufig stelle ich mich einfach mal gegen die Vereinnahmung und halte an dem Begriff fest.

7 „Gefällt mir“

All diese Merkmale passen doch auch auf „Kartoffel“ oder? Zudem ist da die Gefahr einer Vereinnahmung des Begriffs durch Rechte vielleicht geringer, also let’s go for it :wink:

2 „Gefällt mir“

Ich sehe das ähnlich wie MichaelWolf (einer der Kommentare weiter unten) - ursprünglich wurde der Begriff von der migrantisierten Community genutzt. Ich habe ähnliche Probleme wie du, das in einer Konversation zu umgehen, indem man es umschreibt. Ich denke als bewusstes Statement sich den Begriff von rechter Seite zurückzuholen, ist das gar nicht so eine schlechte Idee. Im Podcast hätte ich mir, statt einer Umschreibung, zumindest einen Satz dazu gewünscht - eine kleine Einordnung, was den Begriff meint & von wem er so verwendet wird, was damit gemeint ist
Zugegebenermaßen finde ich deinen Vorschlag von Kartoffel schon sehr witzig :smile:

1 „Gefällt mir“

Bei Kartoffel schwingt aber ja doch eher etwas Abfälligkeit mit. Es kommt daher doch auf den Kontext an wie er verwendet wird.

Sagt jemand im Podcast z.B. „wir Kartoffeln haben natürlich wenig Erfahrung mit Alltagsrassismus“ kommt das sicher anders rüber als wenn es heißt „in vielen Teilen Deutschlands haben Kartoffeln eine gewisse Furcht vor Überfremdung und wählen daher vermehrt rechte Parteien“

Wenn in einem Kontext wie in meinen Beispielen von Biofeutschen geredet wird, sehe ich aber auch keine Gefahr von einer Überhöhung und dadurch Rassismus. Ich empfinde den Begriff dann auch eher als beschreibend.

Ich denke dass der Begriff Bio deutsch problematisch ist. Er geht davon aus, dass es sich bei den Deutschen um eine Rasse handelt. Das ist natürlich falsch, Denn der Begriff setzt eine Menge an genetischen Unterschieden voraus, die es bei Menschen nicht gibt.
Ob der Begriff griffig ist oder nicht, ist da unbedeutend. Wir benutzen ja viele griffige Begriffe nicht mehr, weil Sie belastst sind

1 „Gefällt mir“

Mein Punkt ist, dass „Biodeutsch“ in seinem Entstehungskontext eigentlich mal genaus so flapsig gemeint war wie „Kartoffel“ - aber so klingt, dass man ihn auch „pseudowissenschaftlich“ einsetzen kann, etwa in dem zweiten Satz den du formuliert hast. Der Begriff suggeriert, dass es unterschiedliche Arten von Deutsch-Sein gibt und dass man diese mit dem Präxif „Bio“ eindeutig bestimmen kann. Und genau da liegt aus meiner Sicht das Einfallstor für die Kaperung des Begriffs durch Rechte, die dann halt von „Passdeutschen“ vs. „Biodeutschen“ reden.
Aus meiner Sicht ist der Begriff „biodeutsch“ nicht bloß beschreibend und zudem nicht eindeutig. Wie der Thread hier zeigt, verstehen einige darunter „weiß und westeuropäisch“, andere meinen damit eher „zwei deutsche Eltern habend“ etc. pp. Und je nachdem wie ich den Begriff interpretiere, kann er auch positiv oder negativ wertend sein.

1 „Gefällt mir“

Persönlich habe ich kein Problem mit „biodeutsch“. Wie ein Begriff konotiert ist hängt ja immer davon ab, in welchen Kontexten man den so hört und verwendet, und in meiner Wahrnehmung wird er aktuell relativ breit eingesetzt.
„deutschstämmig“ wäre vielleicht eine Alternative.

Ist halt ein völlig anderer Typ von Begriff. Dem fehlt komplett das spielerisch-ironisch-subversive, was mit „Kartoffel“ und anfänglich auch mit „biodeutsch“ konnotiert ist. „Deutschstämmig“ ist zumindest in meinen Ohren so konnotiert, dass der Begriff auch 1:1 aus einem Schulbuch der 1870er oder 1940er Jahre stammen könnte. Zudem scheint er zumindest früher eindeutig als Bezeichnung für ethnisch Deutsche im Ausland verwendet worden zu sein siehe Deutschstämmige – Wikipedia.

1 „Gefällt mir“

Ich glaube, dass es dafür auf den Kontext ankommt. Und der Kontext ist in einer Folge der Lage nun mal ein komplett anderer als in einem TikTok Reel der AfD.

Ich gebe dir grundsätzlich recht, dass man bei dem Begriff aufpassen muss, dass er nicht wissenschaftlich klingt, aber im richtigen Kontext sehe ich dieses Risiko nicht. Meist geht es aber ja darum einen Begriff zu finden der klar aussagt was gemeint ist. Als Selbstbeschreibung oder in einem anderen neutralen Kontext finde ich Kartoffel ok, in einem Kontext in dem man über andere redet könnte es aber eben leicht als Beleidigung durchgehen und damit eher spalterisch wirken.

Die Problematik ist halt, dass man je nach Umfeld und Zielgruppe unterschiedlich formulieren muss. Oft ist ja auch von „autochthoner Bevölkerung“ die rede, was aber ja auch wieder nicht ganz passend ist, weil dieser Begriff ja auch schon eine andere Bedeutung hat indem er für die indigenen Völker verwendet wird.

Die grundsätzlichere Frage ist doch m. E., ob es überhaupt jenseits des Spielerisch-Ironischen einen Begriff braucht, der „Deutsche mit zwei deutschen Eltern, deren Eltern am besten auch schon deutsch waren“ möglichst catchy zusammenfasst, oder ob es nicht an sich schon problematisch ist, so einen Begriff zu etablieren, weil damit die Annahme transportiert wird, dass es „richtige“ und „falsche“ Deutsche gibt. Eine ähnliche Problematisierung gibt es ja für das Wort „Migrationshintergrund“ - das als statistisches Merkmal ja durchaus unterschiedlich definiert werden kann. In anderen Ländern gibt es da für die Statistik Kategorien wie „ein Elternteil im Ausland geboren“ - die einerseits sehr viel genauer und eindeutiger sind, sich aber andererseits nicht so leicht im Sinne einer Gruppenzuschreibung „missbrauchen“ lassen.

Wenn wir zum Beispiel darüber reden, dass in Gegenden in denen der Anteil dieser Leute am höchsten ist auch am meisten rechts und auch rechtsextrem wählen, dann finde ich es nicht hilfreich bei der Thematisierung einen Begriff zu verwenden der extrem negativ aufgenommen wird.
Ebenso wenn darüber geredet wird, dass man als „Einheimischer seit Generationen“ gewisse Erfahrungen nicht machen musste die viele Migranten und deren Nachfahren machen mussten und müssen.

Hier mit sperrigen Umschreibungen zu hantieren auch wenn im Kontext klar wird, dass „Biodeutsche“ eben nicht als etwas besseres dargestellt werden oder ihnen ein höherer Wert zugeordnet wird, sondern dass die Unterscheidung einzig in der unterschiedlichen Biografie liegt finde ich unnötig.

Und da Biodeutsch eben kein rechter Kampfbegriff ist sondern ursprünglich eben auch diese Ironie in sich trägt und lediglich von den Betroffenen besser aufgenommen wird als Kartoffel sehe ich das Problem in der Verwendung nicht.

Also, Kartoffeln sind nicht eine andere Rasse, sondern sogar eine andere Art in einer anderen Gattung in einer anderen Familie in einer anderen Ordnung einer anderen Klasse in einem anderen Stamm aus einem anderen Reich, das wäre dann noch „falscher“.

1 „Gefällt mir“

Ob man „Kartoffel“ abfällig findet ihn „extrem negativ“ aufnimmt oder eher als subversiv-(selbst-)ironisch versteht, ist aus meiner Sicht genau so subjektiv wie die Frage, ob „Biodeutsch“ nun rein beschreibend oder doch wertend ist.

Das ist jetzt etwas off topic, aber ist das wirklich durchgehend so? Ich habe mir die Zahlen für einige westdeutsche Großstädte angeschaut, da hat die AfD die höchsten Werte in Stadtteilen mit einem sehr hohen Anteil von Menschen mit dem statistischen Merkmal „Migrationshintergrund“.

Edit: Hier etwa die Ergebnisse für einzelnen Stadtteile von Hannover
https://wahlergebnisse.region-hannover.de/20240609/03241001/praesentation/uebersicht.html?wahl_id=21&stimmentyp=0&id=ebene_-148.

Quelle?

Natürlich ist das Grundlegend erstmal subjektiv. Dass aber Biodeutsch in vielen Kreisen mittlerweile selbst als Beschreibung genutzt wird, Kartoffel dagegen regelmäßig zu einem Aufschrei führt ist eben doch etwas was man in der Realität deutlich beobachten kann.

Ich bin jetzt eher nach Regionen gegangen uns sehe das Erzgebirge, Teile Niederbayerns etc. im Vergleich zu anderen Gegenden.

In Großsstädten kenne ich, dass oftmals die Stadtteile mit hohem Anteil an Spätaussiedlern hohe AfD Zustimmung haben. Die haben zwar was die Bewegung angeht einen Migrationshintergrund, sehen sich aber ja doch als Deutsch aufgrund der Herkunft.

Abgesehen von Europawahlen, wo auch EU-Bürger wahlberechtigt sind, sind ja alle AfD-Wähler Deutsche, sonst dürften sie ja gar nicht wählen. Ich zumindest kann für das von mir genannte Beispiel nicht sagen, welche Gruppen aus welchen Herkunftsländern besonders häufig AfD wählen.
Die Ebene der Selbstwahrnehmung (also ob und wann sich Menschen selbst als Deutsche betrachten) sollte m. E. kein Grund für oder gegen einen bestimmten Begriff sein, da dies einfach individuell und auch situativ sehr unterschiedlich ist.

Ich finde das als Off-topic-Topic interessant. Die „Erklärung“ dafür wäre doch, dass dort gleichzeitig mehr Arbeiter:innen und ärmere Menschen (sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund) wohnen, oder nicht? Beide wählen bekanntermaßen deutlich überdurchschnittlich AfD. Quelle.

1 „Gefällt mir“