LdN 388: Podcast-Bewertung - die "Hater" gegen die "Guten"

Zur Verabschiedung der aktuellen Folge wurde noch einmal kurz das Thema Bewertung des Podcast (in den entsprechenden Apps) und damit zusammenhängend vereinzelte Probleme mit Hate Kommentaren angesprochen. Das wurde ja auch bereits in der Vergangenheit thematisiert, unter anderem mit dem Hinweis dass solche Kommentare häufig aus der „rechten Ecke“ kämen. So zumindest meine Erinnerung. Was mich bei dieser Folge etwas stutzig gemacht hat ist das Framing der „Hater“, denen „wir - die Guten“ jetzt etwas entgegen setzen müssten.
Entsprechend habe ich mir die Bewertungen und Kommentare bei Apple Podcast (was ja explizit erwähnt wurde) mal angeschaut und konnte die Situation nicht ganz nachvollziehen.
Um die 20.000 Bewertungen - Durchschnitt 4,8. Also doch sehr sehr solide. Natürlich kann man sich nicht alle Kommentare selbst durchlesen, aber ich habe mal in den ersten paar hundert in die 1-3 Sterne Bewertungen reingeschaut und bin da ehrlich gesagt auf praktisch keinen Hate gestoßen und auch auf wenig Hinweise, dass das nicht „die Guten“ waren, die da kommentieren (wie auch immer das gemeint gewesen sein soll - sind die anderen dann die „Bösen“?).
Alles dominierender Kritikpunkt war eigentlich, dass der Podcast allgemein zu linkslastig sei (Kommentare, Themenauswahl, Gäste) und dass nicht „neutral“ berichtet wird bzw. Meinung und Berichterstattung zu wenig getrennt würden.
Da kann man sich natürlich drüber streiten, ob das so ist, aber grundsätzlich hat das Äußern dieser Art von Kritik - auch ganz überwiegend in der Form, wie das dort getan wurde - nichts mit Hasskommentaren zu tun. Kann natürlich sein, dass es da ältere Kommentare gibt, wo es mehr zur Sache geht, oder dass Hasskommentare besonders konsequent gelöscht werden. Aber wenn das der Fall ist - dann gäbe es hier ja kaum ein Problem.
Insofern frage ich mich: wo ist der Hate? Suche ich an der falschen Stelle? Habe ich da was falsch verstanden? Oder wird hier vielleicht auch etwas unscharf zwischen Hass und Kritik unterschieden?

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Ich habe auch mal die Kommentare mit „schlechter“ Bewertung überflogen. „Hate“ oder auch Rechtsradikalität ist mir nicht begegnet.

Oberster Kritikpunkt war die politische Haltung der Hosts, wenn sie als „links-grün“ eingeschätzt wird. Es finden sich verbale Bewertungen wie „ideologisch“, „tendenziös“, „einseitig“, „unausgewogen“, „mangelnde Neutralität“, „mangelnde Meinungsvielfalt“. Diese Bewerter haben nicht verstanden, dass ein politischer Podcast kein Nachrichten-Podcast ist. Wenn ich ein Podcast von Welt, Handelsblatt oder FAZ höre, erwarte ich auch keine ausgewogene Berichterstattung in dem Sinne, dass „links-grüne“ Argumente sonderlich differenziert dargestellt wird und ihnen wenigstens in Teilen recht gegeben wird …. Mir entzieht sich völlig, ob und wie man eine politische Haltung mit Sternen „bewerten“ kann/will. Aber hey, das sind halt unsere Zeiten, in denen im politischen Diskurs dem anderen auch dann seine Position nicht als „kann man so vertreten“ zugebilligt wird, wenn er sich noch klar auf demokratischem Boden bewegt. Und das Bewertungssystem zwingt nun mal zu einer eindimensionalen Bewertung auf einer Skala.

Weiter Kritikpunkt ist die (oft als zunehmend empfundene) mangelhafte Trennung von Berichterstattung und Meinung und der (oft als zunehmend empfundene) „aktivistische“ Tenor.

Und es wird eine mangelhafte ökonomische Kompetenz kritisiert. Ich kann das zwar nachempfinden, aber mutmaßlich kommen diese Bewertungen von Menschen, die ökonomische Aspekte in der Bewertung politischer Fragen als wichtiger einschätzen als soziale.

Viele der 1- und 2-Sterne-Bewertungen kritisieren auch die Länge (wir leben nun mal in der TLDR;-Zeit …) und das Sprechtempo.

Ganz vereinzelt gibt es dann auch so was:

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Das ist eine interessante Fragestellung. Zunächst mal: die Tatsache, dass die Hosts eine bestimmte politische Haltung vertreten, zu bewerten ist natürlich Murks. Zumindest solange dabei keine problematische Weltsicht transportiert wird - was bei der LdN nicht passiert.
Anders verhält es sich bei der Frage, in wieweit durch die eigene politische Haltung die Themen- und Gäste / Expertenauswahl beeinflusst wird und wie gut man die eigene Einschätzung von der Berichterstattung trennt. Viele Hörer wünschen sich einen Podcast, der Fakten und Berichte möglichst „neutral“ zusammenstellt und dann eine möglichst klar erkennbare eigene Einschätzung anschließt. Meine Meinung: das ist ein sehr anspruchsvoller Wunsch, aber manche Formate, wie z.B. Mailab schaffen das ganz gut.

Vielleicht sollte man auch nochmal betonen, dass eine Podcast Sterne Bewertung kein „Qualitätskriterium“ darstellen kann, sondern höchstens einen Indikator, was gut gefällt. Die absolute Zahl ist wohl auch wenig aussagekräftig, weil ich ja keine repräsentative Gruppe befragt habe.

Ich glaube, dass viele Kommentare keine sachliche Kritik transportieren, definitiv. Was ich hier aber kritisieren möchte ist das Framing als Hasskommentare (was ich dem „Hater“-Vorwurf entnehme) und die Anmerkung, dass nette Kommentare erwünscht sind, um zu zeigen, dass „wir, die guten Menschen“ mehr sind. Selbst wenn jemand hier eine unfaire oder unsachliche Kritik äußert, kommt das vielleicht daher, dass er dadurch frustriert ist, dass seine geliebte FDP (zu Recht oder unrecht) nicht gut weg kommt, aber nicht notwendigerweise daher, dass er nicht zu den guten Menschen gehört. Vielleicht war das ein unabsichtliches Framing. In jedem Fall finde ich es an der Stelle ungeschickt.

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Erinnert mich an

„The Marvels“ ist noch nicht einmal in den Kinos, da erntet der MCU-Film schon riesige Kritik. Nach nur wenigen Tage bricht ein jüngst veröffentlichter Trailer einen erschreckenden Rekord auf YouTube.
Nach nur wenigen Tagen sammelte der Trailer auf YouTube bereits fast eine halbe Million Dislikes (Negativbemerkungen).
The Marvels: MCU-Film kämpft mit riesigem Shitstorm und bricht einen erschreckenden Rekord auf YouTube | NETZWELT

Und so geht es vielen Filmen, die emanzipierte Frauen zeigen.
Warum bewerte ich etwas negativ? Weil ich enttäuscht bin und andere warnen möchte, nicht auch so enttäuscht zu werden. Und da stellt sich dann schon die Frage, ob jemand, der mit der politischen Ausrichtung unzufrieden ist, eine derartige Bindung entwickelt hat, um enttäuscht zu werden. Schlechte Bewertungen um ein politisches Statement abzusetzen darf man schon als „Hater“ bezeichnen.

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Kommt drauf an mit was die Lage wirbt als Podcast. Zumindest bei Spotify steht nicht von ihrer grundlegend grünenfreundlichen Weltanschauung. Wenn nun jemand aufgrund des Textes: „Wöchentliche Analyse der politischen Ereignisse in Deutschland und der Welt mit Philip Banse und Ulf Buermeyer“

eine neutrale Berichterstattung erwartet, kann ich verstehen wieso dieser enttäuscht sein kann und entsprechend negativ bewertet. Würde in dem Text Mitte-Links als Zuordnung stehen wären es bestimmt schon weniger bzw. könnte man direkt darauf verweisen. Das Philip und Ulf das nicht reinschreiben und vermutlich sich auch nicht festlegen wollen auf eine politische Richtung ist verständlich aber dann muss man mit dem Gegenwind leben :person_shrugging:

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Aus meiner Sicht eine Frage der grundsätzlichen Herangehensweise. Wenn man sich die Gesamtmenge der Bewertungen anschaut, dann ist auch bei den Negativen die Mehrheit sachlich und konkret in der Kritik. Fast schon eine Ausnahmeerscheinung in der Online-Welt. Eine Minderheit ist nicht so sachlich. Jetzt kann man solche Kommentare im Zweifel negativ oder im Zweifel wohlwollend interpretieren. Wie ich das tue ist wohl vor allem davon abhängig, ob ich daran interessiert bin, mich mit solcher Kritik auseinander zu setzen, oder ob sie mich nicht wirklich interessiert oder sogar stört.
Entsprechend kann ich auch meine Hörer entweder auffordern: „schreibt doch mal eure Meinung“ oder aber „Schreibt doch mal einen netten Kommentar“.
Gibt dazu ein gutes Video von Mailab, die erklären, wie sie mit ihren Kommentaren auf YouTube umgehen. Interessant fand ich das Beispiel und den Einwand von Lars Dittrich, dass selbst beleidigende Kommentare durchaus einen Punkt haben können. So weit, dass man sich auch mit sowas auseinander setzt, muss man natürlich nicht gehen.

Hier muss man aber Bewertungen und Kommentare trennen.
So ist ein Kommentar erst mal eine Meinungsäußerung, die so auch OK ist.
Bei Bewertungen ist es aber entscheidend für deine Reichweite ob du eine 4,8 oder 4,9 hast.
Wenn die Hosts nun sehen, dass, gerade nach Folgen die rechte Themen kritisch hinterfragen, die Bewertungen in den Keller gehen, kann ich verstehen, dass das Sorgen macht. Da hilft dann auch nicht, wenn die Kritik nicht reißerisch geäußert wird, sondern z.B. ein zu linkes Weltbild angeprangert wird.
Die erste 1*-Bewertung beginnt sachlich und endet mit „Die zunehmende Arroganz der Moderatoren hinsichtlich anderer politischer Positionen ist ebenfalls nur noch schwer zu ertragen.“

Da ich als Lehrkraft für Geschichte und Sowi immer mal wieder der (falschen) Erwartung begegne, ich müsse „neutral“ sein oder „neutralen“ Unterricht machen, wundere ich mich schon länger darüber, was das eigentlich bedeuten soll. Für mich ist die Darstellung eines kontroversen Sachverhalts dann gelungen, wenn die bessten Argumente aller Seiten hinreichend dargestellt sind. Wenn dann am Ende rauskommt, dass außer den Grünen keine größere politische Partei bereit ist, Klimaschutz auch dann noch zu versuchen, wenn das mit Zumutungen und politischen Kosten verbunden sein könnte, ist das kein Mangel ein Neutralität. Ich versuche tendenziell immer, die argumentativ schwächere Position zu stützen, aber wenn die vom Start weg auf Treibsand gebaut ist, weil die Grundtatsachen einfach falsch sind, dann muss das auch deutlich werden können, ansonsten würde ich die Tatsachen verzerren. Dass Union und FDP dabei oft schlechter dastehen, als bspw. die Grünen, kann ich nicht ändern. Es ändert übrigens nach meiner Beobachtung auch nicht die Bereitschaft der Schüler:innen, sich auch dem erkennbar schlechteren Argument anzuschließen, wenn ihnen das ein gutes Gefühl gibt. Die sind halt genauso Menschen, wie die Wähler:innen und offensichtlich werden sie auch so „neutral“ informiert, dass sie sich frei genug fühlen, auch Positionen einzunehmen, die ich aus sachlichen Gründen als unhaltbar betrachte („Ich bin der erste in der Familie, der sich so ein teures Auto leisten können wird, wie die Deutschen, das lasse ich mir doch jetzt nicht verbieten“ ist mir bspw. in Erinnerung geblieben.). Und das ist für mich ein Indikator für gute Unterichtsatmosphäre.
Das Bemühen darum, das jeweils stärkste Argument jeder Sichtweise zu präsentieren, anstatt sich auf das schwächste Argument zu fokussieren und eine Position nur auf der Grundlage als ganze abzulehnen, sehe ich in der Lage der Nation regelmäßig. Mein persönlicher Eindruck ist, dass das vor allem da schief geht, wo die Moderatoren nicht so gut eingelesen sind. Da frage ich mich dann manchmal, ob das Thema den Mods wirklich als relevant erschien, denn dafür ist das dann mMn zu oberflächlich besprochen (vor einigen Folgen zum Beispiel das Thema Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Fußballspielen). Aber das sind die Ausnahmen, die die Regel bestätigen, würde ich sagen.

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