LdN 382 Good News Krankenhaus Atlas?

Liebes LdN Team,

ich verstehe die Euphorie und Freude über die überraschend ästhetische Benutzeroberfläche.

Leider würde ich euch als im Gesundheitswesen (Uniklinik) tätiger Arzt was die Nützlichkeit des Portals angeht deutlich widersprechen. Obwohl ich die vielen Reformvorschläge von K. Lauterbach im Grundsatz für sehr gut und überfällig halte, war die Umsetzung dieses Projekts wirklich bodenlos. Kernkritikpunkte sind aus meiner Sicht:

  1. Datenqualität
    Die Fallzahlen sind nachweislich sehr häufig falsch. Ich kann das anhand der Daten unseres eigenen Hauses überprüfen, auch die stichprobenartige Überprüfung anderer Kliniken ergeben keine plausiblen Fallzahlen. Die Ursache ist mir nicht klar, möglicherweise hängt das u.a. mit der undurchsichtigen Repräsentation der Fälle nach ICD-10 und OPS-Codes zusammen (s.u.).

  2. Mehrwert
    Für viele Erkrankungen (zB Schlaganfall, Diabetes) sind die Fallzahlen nach ICD-10 Codes und OPS-Prozeduren gegliedert, was für die Nutzer ohne medizinische Kenntnisse kaum zu durchschauen sein dürfte. Hier soll zb bei Diabetes der medizinische Laie entscheiden, ob es um Gestationsdiabetes (ICD O24.4), Diabetes mit/ohne Komplikationen (ICD E13.8 bzw E13.9), die fächerübergreifende Behandlung von Diabetes (OPS 8-984.30, 8-984.31 8-984.32) etc geht. Je nach Auswahl kommen dann vollkommen unterschiedliche Ergebnisse zustande.

Zusammenfassend glaube ich hätte eine Testphase der Seite nicht geschadet, in jedem Fall kann man es nicht medial von Seiten des BMG so groß aufziehen und dann das Kernziel - nämlich valide Daten in einem nützlichen Format zugänglich zu machen - so weit verfehlen.

Liebes Lage Team,

mit Interesse habe ich euren Beitrag über den Bundesklinik Atlas gehört.

Ich glaube, ihr seid da mit eurer Methodik der Auswertung nicht richtig vorgegangen beziehungsweise zieht falsche Schlüssel daraus.

Ich habe aus eurer Darstellung geschlussfolgert, dass ihr die Diagnose Rektumkarzinom (C20) ausgewertet habt.

Das beinhaltet alle Patienten mit dieser Hauptdiagnose, unabhängig davon, ob sie operativ versorgt wurden oder nicht. Erst wenn ihr statt Rektumkarzinom die Prozedur Rektumamputation (5-484) eingebt, bekommt ihr bezogen auf Kiel die Anzahl der Eingriffe. Aus den gut 70 Diagnosen der Standorte werden dann gut, 40 Operationen. Das ist leider nicht sehr viel (alleine das kleine Auguste Victoria Krankenhaus in Berlin macht über 80), aber zunächst einmal gleich verteilt über die 3 Kliniken; würde also nichts an der Präferenz verändern.

Macht man die beiden Auswertungen (C20 und 5-484) jedoch in anderen Regionen in Deutschland (zum Beispiel in Berlin) ergibt sich ein völlig anderes und irreführendes Bild. In Berlin kommt bei C20 das St. Josef ganz vorne. Bei 5-484 taucht es kaum auf. Hintergrund sind die viele Fälle ohne OP. Am ehesten macht das Haus viele Chemotherapien bei diesen Patienten, die andernorts ambulant laufen.

Dieses Beispiel ist auf viele Erkrankungen übertragbar.

Im Grunde genommen basiert der Bundesklinik Atlas aktuell noch auf den selben Daten (Qualitäts Berichte) wie alle anderen Suchmaschinen in dem Bereich. Der einzige aktuelle Unterschied besteht in der Ausweisung des Pflegepersonal-Quotienten und der zugegebenermaßen ansprechenden Tachooptik.

Der Pflegepersonal Quotient bezieht sich jedoch auf das gesamte Haus und mit Nichten auf die Abteilung (zum Beispiel Chirurgie), die ich gerade aufsuchen möchte. Möchte man hier mehr erfahren, müsste man die Daten zur Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen einsehen, die öffentlich je Fachabteilung verfügbar sind.

Das IQTIK, das den Atlas verantwortet, darf aber laut Transparenzgesetz komplexe Daten aus den Paragraph 21 Datensätzen vom INEK abfragen und veröffentlichen. Dies wird mit den Leistungsgruppe ab Herbst auch geschehen. Erst damit besteht ganz konkret die Möglichkeit zu erfahren, welche Krankenhäuser wie viele Patienten behandeln, die sowohl die Diagnose C20 für das Rektumkarzinom aufweisen als auch die entsprechenden OPS-Kodes für dessen operative Behandlung.

Erst mit diesem Feature wird der Atlas wirklich besser als die bestehenden Portale.

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Liebes LDN Team,
auch ich als Chefarzt eines Krankenhauses kann leider eure Euphorie zur neuen Transparenzeuphorie nicht teilen und muss mich der Kritik von MOschmidt anschließen. Man kann Qualität in einem Krankenhau s nicht anhand von 2 Punkten nach OPS Kodierungen festmachen.
Wir haben das Ganze für den Salzlandkreis und Magdeburg analysiert und es kam hier zu grotesken Konstellationen.
Eure Analysen finde ich wirklich toll, aber hier muss ich leider euer undifferenziertes Feiern der APP ein wenig kritisieren!

Liebe Grüße

Herzlichen Dank für das fundierte Feedback, auch von den anderen Kritikern!

Glaubt ihr - oder auch nicht - dass sich das Portal weiter verbessern lässt, zB indem weitere Parameter aufgenommen werden und die Datenqualität verbessert wird?

Wir haben es ja gerade als Pluspunkt gesehen, dass eine öffentliche Stelle sich einmal traut, eine Version 1.0 auch mit Macken auf den „Markt“ zu bringen, anstatt Jahrzehnte an einer vermeintlich perfekten Lösung zu basteln, die dann nie™ kommt.

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Die aktuelle Lösung ist nicht wesentlich anders oder Besser als die z.B der AOK oder der DKG. Das liegt an der Datengrundlage (Qualitätsberichte) die mehr strukturell nicht hergeben und unzureichend validiert sind.
Aber mit dem Recht des IQTIK Auswertungen auf Basis der Fallbezogenen Daten beim INEK zu beauftragen wird viel mehr möglich. Ferner werden auch die Daten zur fachärztlichen Ausstattung wichtig sein.
Wichtig wird die Frage, ob das IQTIK diese Datrn maschinenlesbar veröffentlicht, damit auch andere Portale profitieren.

Liebes LdN Team,

über den Krankenhausatlas ist hier schon einiges geschrieben worden. Natürlich kann man die Qualität von Krankenhäusern nicht an zwei Variablen festmachen.

Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf einen Aspekt hinweisen, der mir in der Diskussion etwas zu kurz gekommen ist. Das ist die Personalausstattung im Pflegebereich. Sie wurde eher als Nice-to-have-Faktor diskutiert. Dabei haben die Anzahl und die Qualifikation der Pflegefachpersonen einen Einfluss auf die Mortalitätsraten in einem Krankenhaus, wie die viel beachtete Aiken-Studie bereits 2014 zeigen konnte.

Aiken LH, Sloane DM, Bruyneel L, Van den Heede K, Griffiths P, Busse R, Diomidous
M, Kinnunen J, Kózka M, Lesaffre E, McHugh MD, Moreno-Casbas MT, Rafferty AM,
Schwendimann R, Scott PA, Tishelman C, van Achterberg T, Sermeus W; RN4CAST
consortium. Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European
countries: a retrospective observational study. Lancet 2014; 383: 1824-1830

Eine gute Einschätzung - bezogen auf die Situation in Deutschland - gibt die Professorin für Pflegewissenschaft Gabriele Meyer unter: bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Pflege/Berichte/Gutachten_Pflegekapazitaet_Meyer.pdf#page=11.09

Die Bedeutung der Qualifikation und der Zahl der professionellen Pflegefachpersonen im Gesundheitswesen wird in der öffentlichen Diskussion in Deutschland leider oft noch wenig beachtet.

Lieber MMa,
die Bedeutung der Pflege ist natürlich immens und ein lange bekannter Faktor bei der Mortalität in Krankenhäusern.
Die Datengrundlage im Krankenhausatlas ist jedoch nur schwer nachvollziehbar und leider sehr intransparent.
Es ist lange bekannt der der Gesundheitsminister eine Stärkung der Universitätsklinika wünscht und bei allen von uns durchgeführten Szenarien haben die Universitätsklinik zumindest in Sachen Anhalt immer die besten Pflegeschlüssel. Doch arbeiten dies Schwestern und Pfleger auch tatsätzlich am Patienten.In vielen Häusern sind Fachkräfte in Abrechnung, Codierung, QM etc. gebunden. An Unikliniken auch in skills lab, Lehre oder Wissenschaft.
Wir haben jedoch für viele Bereiche das PPUGV wobei Untergrenzen vorgeschrieben sind und nicht unterschritten werden dürfen. Ich befürchte der Atlas hilft hier nicht weiter.
Grundsätzlich halte ich eine Kategorisierung für extrem schwierig. Ist nur aufgrund dieser 2 Paramater ein KH überhaupt besser geeignet?