Klimschonendes Heizen im sozialen Wohnungsbau

Ich habe ein Verständnisproblem: Es wird ja öfter gesagt, dass man Klimastandards beim sozialen Wohnungsbau senken müsse, um Mietkosten zu senken.
Das wird auch vermutlich ein paar Jahre so gutgehen.
Falls nun aber die CO2 Kosten signifikant ansteigen werden, wäre es für die Mieter wesentlich billiger gewesen, eine Wärmepumpe statt einer Gasheizung zu haben. Und in einer gut isolierten Wohnung zu leben, hat noch viele andere Vorteile.
Gibt es also langfristige Vorteile am Aussetzen von Klimastandards beim Bauen?

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Das kann man pauschal nicht beantworten, sondern kommt auf den Einzelfall an. Letzlich nur über eine Kosten-Nutzen Rechnung abzuschätzen. Bei einem schlecht gedämmten Haus mit niedrigen Standards kann man oft mit wenig Mitteln einen großen Effekt erzielen, sind die low-hanging fruits abgeerntet wird es schwieriger und teurer (80:20-Prinzip).

Volkswirtschaftlich kann es Sinn machen die Standards zu lockern und mit dem eingesparten Milliarden andere Klimatransformationen zu fördern, die einen größeren Effekt haben (Erneuerbare Energien, Stromnetze, klimaneutraler Stahl usw.). Der nicht verfügbare Wohnraum und die hohen Mieten bringen auch direkte volkswirtschaftliche Nachteile, etwa weil es sich Menschen nicht leisten können, einen Job in einer Stadt mit angespannten Wohnungsmarkt anzunehmen und Unternehmen keine Bewerber finden.

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Finde Deine Anntwort nachvollziehbar bei Bestand, aber gilt das auch für Neubau? Kann ich mir nicht wirklich vorstellen.

So etwas ließe sich aber kaum an Mieter mit hohen Energierechnungen vermitteln: ‚Ja, ihr zahlt zwar ziemlich viel, aber euer Geld stecken wir in Maßnahmen, die halt höhere Einsparungen bringen. Dankeschön!‘. Die Mieter wären dann zurecht stinksauer.

Apropos Low Hanging Fruits:

Immer wieder verblüffend, dass meist eher über massive Investitionen in die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien nachgedacht und geredet wird, anstatt erst einmal am Verbrauchsverhalten (Heizen, Warmwasser) anzusetzen. Ich habe immer wieder plausible Hinweise darauf, dass das Verbrauchsverhalten ein viel größeres Potenzial für CO2- (und Nebenkosten-!) Einsparungen birgt.

Die Hypothese dahinter ist:

  1. Die Menschen heizen viel mehr als nötig.
  2. Und da sie nur 1x im Jahr eine Info über ihren Verbrauch bekommen, haben sie auch kaum eine Chance, das zu erkennen und zu ändern.

Anekdotisch kann ich das durch eigene Erfahrung sehr gut nachvollziehen: Im Winter 22/23 haben wir konsequent in allen Zimmern unserer Wohnung (Wohnhaus Baujahr 1904) Thermometer aufgestellt, um (manuell über die temperatur-gesteuerten Heizthermostate an den Heizkörpern) die Temperatur bei (lauschigen) 21° zu deckeln (nach einigem Try-and-Error hatten wir ein stabiles System, an dem nichts mehr geändert werden musste). Mengenmäßige Gaseinsparung gegenüber dem Vorjahr: 24 %! Bei kaum Komforteinbuße.

Die Low-Hanging-Fruits-Maßnahmen wären.
(1) Förderung von Smart-Home-Lösungen, die die Heizkörper automatisch steuern (wo etwas wie Tado - habe das aber nie getestet!), und zwar auch in Mietwohnungen!
(2) Echtzeit-Feedback über den eigenen Wohnenergieverbrauch. Das ist schon etwas kniffeliger, aber wirklich dringend nötig.

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Wenn ich das Bad auf 21 Grad begrenzen würde, gäbe es aber Alarm daheim :slight_smile:

Und ich finde es auch, dass sich das enorm mit unseren geplanten Klimaschutzmaßnahmen beißt. 2045 sind die Emissionen auf 0. Das heißt: In den Jahren davor wird es /verdammt/ teuer, fossil zu heizen und in einer zugigen Wohnung zu leben. Und Geld ist exakt das, woran es der Zielgruppe fehlt. Es wäre also meiner Meinung nach eben nicht billiger, auf Klimaschutz zu verzichten. Sondern /wesentlich/ teurer.

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Die Temperatur kann man ja von Raum zu Raum individuell einstellen und, mit Smart Home Lösungen, sogar zeitgesteuert steuern (Nachtabsenkung der Wohnräume, Tagabsenkung Schlafzimmer, Badezimmer nur 6-8 und 20-23 Uhr, am Wochenende noch anders …)

Und die Frage, ob man bei 21° im Bad „Alarm“ schlagen muss, ist auch eine Frage von Verbrauchsverhalten, die man mal familienintern diskutieren kann …

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Maßnahmen wie die Absenkung der Temperatur tragen aber lediglich dazu bei, den CO2 Ausstoß zu reduzieren. Das Ziel bis 2045 ist jedoch 0. Also nicht lediglich reduzieren, sondern komplett verhindern. Ansonsten wird es extrem teuer für die Mieter, für die es laut Intention ja möglichst billig sein soll. Das gelingt jedoch lediglich mit einer anderen Technologie (beispielsweise der Wärmepumpe, vorzugsweise ist sie gleich der Energieträger für das Fernwärmenetz).
Der Mindset, der hier implizit mitschwingt, stört mich massiv: Klimaschutz ist halt teuer. Das exakte Gegenteil ist nämlich meiner Meinung nach richtig.

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Ja ich regel die Temperaturen via KNX. Nachtabsenkung lohnt sich nur in eher weniger gedämmten Häusern. Aber ja, das Bad bekommt nur morgens und abends 23°C. Da der restliche CO2 Abdruck sehr gering ist, gönnen wir uns das.

Ja, die Auswirkungen des Klimawandel sind extrem teuer. Teurer als die Maßnahmen zum Bremsen des Klimawandels. Stimmt stimmt - auf Gesamtgesellschaftlicher Ebene.

Aber auf Einzelwirtschaftliche Ebene sieht das anders aus: Für Besitzer von Immobilien der Energieeffizienzklassen G und F (manchmal sogar E) ist eine energetische Sanierung auf „CO2 null“ auch mit Förderung oft so teuer (und kann aus gutem Grund nur sehr begrenzt auf die Mieter abgewälzt werden), dass das Mietobjekt nicht mehr rentabel ist: Aufgrund des hohen Wärmeverlustes reichen die (inzwischen gar nicht mehr so niedrigen) Vorlauftemperaturen einer Wärmepumpe ohne weitere Investitionen in die Dämmung (Dach, Fenster, WDVS) nicht aus, um die Wohnungen an kalten Tagen warm zu bekommen.

Laut ChatGPT:

In Deutschland sind etwa 30% der Wohngebäude den Energieeffizienzklassen G, F oder E zuzuordnen. Diese Gebäude weisen einen höheren Energiebedarf auf und sind somit weniger energieeffizient. Bis 2030 wird erwartet, dass diese Zahl auf 16% reduziert wird, um den energetischen Anforderungen der EU-Gebäuderichtlinie zu entsprechen. Dies bedeutet, dass viele dieser Gebäude saniert werden müssen, um mindestens die Energieeffizienzklasse F zu erreichen. Quelle: https://www.bundestag.de/resource/blob/964446/f5d200e4905963c7b23ad390b4f1b547/WD-5-072-23-pdf-data.pdf#:~:text=URL%3A%20https%3A%2F%2Fwww.bundestag.de%2Fresource%2Fblob%2F964446%2Ff5d200e4905963c7b23ad390b4f1b547%2FWD, : Öko-Zentrum NRW, https://gruenes.haus/energieeffizienzklasse-haus/.

Diese technischen Fakten können wir nicht einfach ignorieren. Eine Politik á la „Na, dann haste Pech gehabt - Du musst es trotzdem tun“ vertreibt die Wähler - oft in die Arme von AfD oder BSW. Das hat das Energiegebäudegesetz gezeigt.

Letztlich wird das die Gesellschaft zahlen müssen. Das wird politisch sehr schwer durchsetzbar sein: „Warum so viel Geld in den Rachen von Immobilieneigentümern kippen? Die sind doch eh reich …“

Bis dieses irgendwann gelöst ist, ist der Ansatz, am Verbrauchsverhalten anzusetzen, ziemlich rational, oder nicht?

Bis 2045 sind es noch ungefähr 20 Jahre. Man hat zwei verschiedene Möglichkeiten, damit als Staat umzugehen: Entweder man tut bis 2044 nichts, und sagt dann 2045 „Pech gehabt“, oder man erwähnt ständig 2045 und hält so diese Deadline in den Köpfen. Und ich finde, dass sie kaum erwähnt wird. Auch von den Medien nicht. Und man genehmigt dann auch keine schlecht isolierten Neubauten mit fossilen Heizungen, die sind nämlich sauteuer. Und wer nach 20 Jahren eh noch aus Prinzip eine Ölheizung hat, den verliert man nicht an die AfD: Der wählt sie eh schon.

Also, allen Eigentümern von schlecht gedämmten Wohnhäusern, die eine Investition in Wärmepumpen vermeiden, weil sie die Investitionen in die dafür notwendigen Dämmung nicht stemmen können, pauschal als AfD-Wähler zu verdächtigen, ist ziemlich vermessen …

Es gibt nun mal nicht wenige Erbfälle, bei denen Gar-nicht-so-viel-Verdiener ohne finanzielles Polster eine Miet-Immobilie, aber kein finanzielles Polster für solche Investitionen erben.

Aber selbst wenn, wie gesagt: Nicht zu selten drehen solche Investitionen die Rendite ins Minus, d.h., die Eigentümer legen drauf = müssen nachschießen. Der Marktwert solche Immobilien ist entspricht dann nur noch dem Verkehrswert des Bodens minus Abrisskosten!

Eine Pflicht zur CO2-Neutralität bei Bestandsimmobilien mit schlechter Energieeffizienz führt in der Konsequenz zum Zwangsverkauf. Was das mit den Politikern, die so etwas erzwingen wollen, macht, sieht man an den Wahlergebnissen und Umfragewerten für die Grünen.

Die Gesellschaft muss sich vielmehr fragen:

  • Wollen wir so viel Geld ausgeben, um solche meist völlig veralteten (wenn auch manchmal durchaus sehr schöne) Immobilien zu sanieren?
  • Oder spart das dafür erforderliche Geld in anderen Bereichen nicht sehr viel mehr CO2 ein?

In dem Fall ist es einfach rationaler, dass die Eigentümer entweder die Wohnungen ohne energetische Sanierung weiter vermieten (dann mit weiterhin CO2-Emissionen, bis es technische Lösungen für solche Fälle gibt) oder das Grundstück verkaufen.

Die Gesetzgebung sollte also dahin wirken, dass solche Immobilien im Fall von Verkauf, Schenkung oder Erbschaft nur noch CO2-frei beheizt werden dürfen.

Die unvermeidliche CO2-Emissionen im Gebäudebereich müssen dann über andere Segmente neutralisiert werden.

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Was ich ebenfalls finde, dass man nicht nur mit der Peitsche, sondern auch mit Zuckerbrot (sprich Subventionen) arbeiten sollte. Wenn man sich dann jedoch 20 Jahre gegen eine Wärmepumpe entscheidet, muss man schon wilde spezielle Umstände annehmen; viel wahrscheinlicher sind glaube ich dann ideologische Gründe. Und letztendlich ist es auch egal, welche Gründe es in diesem speziellen Fall sind.
Und bei der alleinigen Betrachtung der Finanzen vermisse ich ganz allgemein die Vollständigkeit: Es wird lediglich betrachtet, was die Kosten des Handelns sind, aber nicht die Kosten des Nichthandels. Die sind nämlich wesentlich teurer. Und die trägt nicht nur dieser Einzelfall, sondern die gesamte Menschheit mit ihm.

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Wie ich schon sagte, halte ich dieses Thema für total unterberichtet. Um so besser finde ich es, dass dieses Thema von der Lage behandelt wurde.
Und es ist sogar noch dringender, weil die Vorgaben der EU noch baldiger eintreten werden als die deutschen Gesetze.
Die massive Verteuerung trifft natürlich jeden Besitzer einer fossilen Heizung. Für die meisten Hausbesitzer fällt das aber „lediglich“ in die Kategorie ‚superkacke‘, für Empfänger von Sozialhilfe dagegen in ‚fatal‘.

Das Problem: ich kann als Vermieter rechtlich kein bestimmtes Thermostat vorschreiben. Und Datenschutzrechtlich kann ich keine Lösung einbauen, die mir Auskunft über das Heizverhalten von Mietern liefert (oder auch nur liefern könnte).

Zudem ist gerade im sozialen Wohnungsbau auch die Bedienbarkeit solcher Technik nicht irrelevant. Ein normales Thermostat kann jeder bedienen, eine Smart-Thermostat ist oft anspruchsvoll in der Einrichtung und der Bedienung. Lösungen, die sich für den gewerblichen Einsatz eignen (z.B. weil sie die nötige Robustheit mitbringen) sind darüber hinaus sehr teuer und die Einsparungen kommen ja nicht dem Vermieter zugute, der die Kosten am Ende tragen muss.

Im Neubau ist das weniger ein Problem, da könnte ich mir durchaus vorstellen, dass man das Einstellen einer Gradzahl und die Möglichkeit zur tageszeitlichen Steuerung sogar zur Vorschrift macht (obwohl das wieder die Baukosten erhöhen würde). Aber im Bestand ist es eine andere Nummer.

Mietimmobilien sind per Definition Investitionsobjekte. Wenn mir das Geld fehlt, die zum Erhalt der Immobilie nötigen Investitionen zu tätigen bleib mir immer der Verkauf. Dadurch verliere ich nichts (ich verkaufe ja zum aktuellen Marktwert) und der Käufer hat sich vermutlich entsprechend aufgestellt, um die nötigen Investitionen zu machen.

Also jetzt müssen wir nicht nur auf die armen Eigenheimbesitzer Rücksicht nehmen, die ja nicht damit rechnen konnten, dass ein Haus alle 25 Jahre eine neue Heizung braucht, sondern auch auf die armen Immobilieninvestoren?

Das ist relativ irrelevant, weil wir auf netto 0 kommen müssen und das ohne eine weitgehende Sanierung (oder Abriss) der Bestandsimmobilien nicht möglich ist. Ausnahmen wird man für historisch besonders wertvolle Gebäude sowieso machen müssen. „Normale“ Häuser wird man nicht einfach so durch CO2-Abscheidung aus der Luft und Aufforstung kompensieren können, denn diese (sehr teuren) Maßnahmen sind für andere Dinge schon ausgebucht.

Gute Idee!

Allerdings müsste man mal ausrechnen, wie sich die gesetzlich vorgesehene Aufteilung der CO2-Mehrkosten zwischen Mietern und Vermietern in solchen Fällen auswirkt. Bei energetisch schlecht sanierten Gebäuden geht der Vermieteranteil bis auf 100% hoch. Auf die reinen Marktpreise der fossilen Brennstoffe hat das natürlich keine Auswirkungen, nur auf die Kosten der Zertifikate.

Diese Diskussion geht meiner Meinung nach in Richtung Reduktion des CO2 Ausstoßes (Thermostate etc). Erforderlich ist aber eine Reduzierung auf 0. Dies ist eine harte Grenze. ‚Möglichst wenig‘ reicht halt nicht.
Und ich denke nicht, dass ein Vermieter, der Unsummen für Gas ausgeben muss, und auf dem Papier die Mehrkosten selbst übernehmen sollte, die Mietpreise unangetastet lässt.
Aus diesem Grund halte ich es für einen Bärendienst, beim Wohnungsbau auf Klimavorgaben zu verzichten: Man spart zwar anfangs Geld, aber das kehrt sich in kürzester Zeit massiv um.

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Wobei es ja einerseits trotzdem gut ist auch heute schon einzusparen und zweitens ist eine Umstellung auf z.B. Wärmepumpe auch einfacher wenn nicht durch unsinniges Heizen Anforderungen an die Heizung gestellt werden die nicht zur Wärmepumpe passen, z.B. maximale Energieabgabe in kürzester Zeit.

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Ich finde, dass es nicht sonderlich sinnvoll ist, erst einmal durch sparsame fossile Heizungen peu a peu theoretische Voraussetzungen für eine potentielle Energiewende zu schaffen und sich so an das Ziel heran zu robben, sondern gleich eine Wärmepumpe einzubauen. Also nicht erst auf das „Pech gehabt“ als Startschuss zu warten.
Und zu diesem Zeitpunkt wird man ziemlich sicher eh keinen Handwerker finden, die sind nämlich ziemlich sicher ausgebucht.
Eine Wärmepumpe in Verbindung mit einer guten Isolierung erscheint mir hier als eine No Regret Lösung. Was ist genau der Vorteil einer fossilen Heizung? Ich sehe nämlich keinen einzigen. Deshalb bin ich auch so verwundert über den Vorschlag mancher Politiker.

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