Theoretisch ist es möglich, dass das BVerfG auch direkt Recht setzt (im Rahmen von Übergangsbestimmungen, wenn der Wegfall eines für verfassungswidrig erklärten Gesetzes sonst zu einer problematischen Rechtslage führen würde), aber das wurde in der Vergangenheit immer sehr restriktiv gehandhabt.
Der Grundsatz ist hier, dass das BVerfG den Rahmen der Verfassung setzt, in dem die Politik frei gestalten darf. Dieser Rahmen muss großzügig bemessen sein, denn der Kern der Rechtsgestaltung soll eben der (direkt demokratisch legitimierten) Politik überlassen bleiben, nicht dem (nur sehr indirekt legitimierten) BVerfG.
Wenn Gerichte nun die Möglichkeit hätten, Minister mit Amtsenthebung zu bestrafen, würden wir das Machtgefüge sehr stark zu Gunsten der Gerichte verschieben. Das finden wir so lange toll, wie die obersten Gerichte mit unserer Meinung stärker übereinstimmen als mit der Meinung der Politiker…
Das Problem ist die allgemeine Logik in dieser Sache:
Die Politik macht die Gesetze und kann daher auch relativ frei bestimmen, was in den Gesetzen steht. Wenn nun Gerichte einen Politiker, weil er nicht dem Inhalt der von Politikern gesetzten Gesetze folgt, des Amtes entheben kann, wäre doch die logische Konsequenz, dass die Politik im Prozess der Gesetzgebung deutlich stärker berücksichtigen würde, wie ihr die Gesetze auf den Kopf fallen können. Das Resultat wäre, dass Gesetze bewusst so schwammig formuliert würden, dass für Gerichte grundsätzlich keine greifbare Grundlage für Amtsenthebungen daraus abgeleitet werden könnten.
Wenn die Politik einen Minister abstrafen will, kann sie das auch direkt. Daher: Wenn dem Bundestag die Politik von Wissing nicht gefällt, könnte er Gesetze erlassen, die Wissing klar und eindeutig - hinreichend bestimmt - zwingen, bestimmte Maßnahmen einzuleiten. Und diese sogar mit Konsequenzen versehen. Wenn der Bundestag beschließt, dass ab dem 01.05. bundesweit 120 km/h auf der Autobahn gelten, kann sich Wissing noch so quer stellen, es wird gelten. Warum das nicht geschieht hat keine juristischen, sondern politische Gründe. Daher liegt die Lösung dieses Problems auch nicht im juristischen, sondern im politischen Bereich.
Und ja, diese Aspekte der Demokratie sind frustrierend, es frustriert mich auch jeden Tag auf’s Neue. Aber es ist eben auch wichtig, zu verstehen, dass die - meist sehr populistischen - Alternativen nicht zu besseren Ergebnissen führen, sondern neue Probleme erzeugen, die mitunter noch deutlich größer sind.