Greift das KHVVG den GK-Versicherten ungerechtfertigt in die Tasche?

Das „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen“ (KHVVG) wurde im Lage-Podcast (z.B. in LdN 382) und auch hier im Forum ja bereits mehrfach besprochen.

Ein Teil des Gesetzes (Quelle: Gesetzesentwurf) ist ja ein 50 Mrd. Euro schwerer Transformations-Fonds, aus dem Krankenhäuser in den kommenden Jahren unterstützt werden sollen.

Dieser Transformations-Fond ist nun von der Vorsitzenden des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann kritisiert worden, da er zur Hälfte aus Mitteln des Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden soll, der Rest aus Ländermitteln (Steuern):

Hier die entsprechende Passage aus der Einleitung des Gesetzesentwurfs:

Mit der Einrichtung eines Transformationsfonds und den Regelungen zu den Eigen- finanzierungsanteilen der Länder wird in den Jahren 2026 bis 2035 ein Finanzvolumen von bis zu insgesamt 50 Milliarden Euro bereitgestellt, das jeweils zur Hälfte durch die Länder und aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und damit aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzubringen ist.

Auch von anderer Stelle kommt Kritik:

Auch die Chefin des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, kritisierte die Pläne: „Unser Krankensystem fußt auf dem Solidarprinzip - eigentlich.“ Schon die Zweiteilung in gesetzlich Versicherte und Privatversicherte hebele das aus und sorge für eine Zweiklassengesellschaft, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. „Den bitternötigen Umbau der Krankenhauslandschaft nun allein den gesetzlich Versicherten aufzubürden, ist eine neue Stufe des unsolidarischen Miteinanders.“

Zwar erhält der erwähnte Gesundheitsfond der GKV in kleinem Umfang auch Bundeszuschüsse (in 2023 ca. 9,2 %, Quelle: Rechnungsergebnis Gesundheitsfond 2023) aber diese sind zur Deckung sog. versicherungsfremder Leistungen (zum Beispiel beitragsfreie Familienversicherung von Kindern und Ehegatten oder Leistun­gen für Mutterschaft und Schwangerschaft) gedacht (Quelle: Bundesgesundheitsministerium) und rechtfertigen mMn kaum, dass man aus diesem Topf nun die Hälfte des Krankenhaus-Transformationsfonds entnehmen darf.

Ich kann mich daher der Einschätzung nur anschließen, dass es sich dort um eine weitere Ungerechtigkeit gegenüber, letzten Endes, Geringverdiener und sozial schlechter gestellte Bürger handelt.

Aktuell befindet sich das Gesetz, dass ja bereits vom Bundeskabinett beschlossen wurde, in den Ausschüssen (u.A. Gesundheitsausschuss) (Quelle: Status Gesetzesvorhaben)

Letzte Entwicklung:

Vergangene Woche wurde die Finanzierung des Fonds (ausschließlich durch GK-Versicherte) in einer Stellungnahme des Bundesrates ebenfalls gerügt (Quelle: BT-Drucksache 20/12894) :

Die Finanzierung des Transformationsfonds aus Beiträgen der gesetzlich Versicherten ist systematisch falsch. Erschwerend kommt hinzu, dass auch keine Beteiligung an der Finanzierung des Transformationsfonds der PKV und beziehungsweise deren Versicherten erfolgt.

Es wird stattdessen vom Bundesrat eine Erhöhung des Bundeszuschusses zum Gesundheitsfond der GKV gefordert.:

„Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds nach § 221a wird in Höhe der Zuführungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in den Transformationsfonds nach Satz 2 erhöht.“

Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag abgelehnt (s. 54 der verlinkten Drucksache) und zwar mit der Begründung:

Im dualen System der Krankenhausfinanzierung sind für die Investitionsförderung
der Krankenhäuser grundsätzlich ausschließlich die Länder zuständig. Eine originäre Zuständigkeit des Bundes besteht insofern nicht.
[…]
Die Finanzierung des geplanten Transformationsfonds [Anm.: 50% Ländermittel, 50% GK-Versicherte] ist das Ergebnis politischer Abstimmungen.

Ist das jetzt die besondere soziale Handschrift der SPD-geführten Regierung, oder hat sich da wieder die FDP durchgesetzt? Ich hoffe mal, dass sich unsere Regierung, auch im Hinblick auf die kommende Wahl, da nochmal eines Besseren besinnt.

2 „Gefällt mir“

Die Hoffnung habe ich nicht. Es wird so kommen und weiter die belasten, die eh schon weniger haben, aber profitieren werden natürlich auch die unsolidarischen Privatversicherten. Wenn man nicht zum oberen Drittel gehört muss man leider feststellen, dass es keine ehrliche politische Vertretung im Parlament gibt. Höchstens die Linke, aber die hat sich durch das Zahra Wagenknecht Debakel leider in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet.

Kann ich irgendwo nachvollziehen, ich hab noch Resthoffnung, daher habe ich das Thema aufgemacht. :slight_smile:

Der Gesundheitsausschuss tagt diese Woche zu dem Thema und zwar am Mittwoch den 25.9. (Seite des Gesundheitsausschusses zum Thema), die Sitzung wird auch übertragen.

Spannend ist auch die Vorab-Stellungnahme des PKW-Dachverbandes (Quelle):

Die Finanzierung des Bundesanteils des Transformationsfonds in Höhe von 25 Mrd. Euro soll aus Versichertengeldern geschehen: Verpflichtend für die GKV, bei der auf Mittel der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zurückgegriffen werden soll, und auf freiwilliger Basis für die PKV. Dies ist verfassungswidrig, denn alle mit dem Fonds verbundenen Aufgaben sind Infrastrukturausgaben, die aus Steuer- und nicht aus Beitragsmitteln zu finanzieren sind. Diese Auffassung wird vom Bundesrechnungshof bekräftigt […]

Vielleicht kennt sich hier ja jemand mit diesem speziellen Teil des Verfassungsrechtes aus und kann etwas dazu sagen.

Ich freue mich, dass du da noch hoffen kannst. Ich bin schon echt lange Politik-interessiert und habe immer versucht pragmatisch zu sein und Hoffnungen zu sehen. Leider wurde das seit Schröder 2 mit jeder Regierung weniger und bin nun völlig desillusioniert.

Wenn das verfassungsrechtlich sauber ist, haben wir wirklich einen sehr großes Problem mit unserer Verfassung. Denn wenn die privilegierte PKV hier bevorzugt wird, sind wir an dem Punkt, dass ärmere Menschen offensichtlich benachteiligt werden dürfen.

Nein, das ist pure SPD, die Finanzierung kam schon im ersten Referentenentwurf vor:

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/151058/Deutliche-Kritik-an-Finanzierung-und-sektorenuebergreifender-Versorgung

Ich frage mich, was die SPD umtreibt.

Liegt es daran, dass Beamte und Abgeordnete privatversichert sind? Der Gedanke ist böse, aber eine SPD war mal eine Partei der Arbeiter und Angestellten. Was ist da bloß los?

Abgesehen von der Ungerechtigkeit ist es politische Instinktlosigkeit…

2 „Gefällt mir“