Deutschenglisch

Liebes Lage Team,

erstmals lieben Dank für eure ganzen Bemühungen und tolle Arbeit die ihr in jeder Folge leistet!

Ich finde den Podcast ist genial und es wäre so wünschenswert, wenn es in meiner 2. Heimat (España) auch so einen informativen und dynamischen Podcast geben würde.

Da ich die LdN so toll finde, wollte ich euch meine Gedanken bzgl. des Sprachgebrauchs in der Lage mit euch teilen.

Ich selber habe die Deutsche Sprache erst relativ spät gelernt, da ich in Spanien großgeworden bin und auch wenn es für viele Südländer wie eine „harte“ Sprache vorkommt, bin ich jedesmal fasziniert wie adäquat, präzise, schön und auch reich unsere Sprache ist. Reich an Vokabeln, an Wörter, Sprichwörter… und ich finde es faszinierend, dass mann immer wieder etwas neuer über den korrekten Gebrauch der deutschen Sprache lernen kann, gerade auch weil es eine komplexe Sprache ist ;).

Ich bin so zu sagen zweisprachig aufgewachsen und liebe Sprachen, ihre Herkunft (auch im Zusammenhang mit der Kultur, Geschichte…) und lerne gerade meine 5.Sprache.

Da ich Sprachen so toll empfinde, liegt es mir sehr am Herzen euch zu sagen, dass ich es schade finde, dass generell (und auch in der Lage) so viel mit Anglizismen gesprochen wird.

Klar, man möchte sich der Gesellschaft anpassen und so wie es scheint ist es gerade sehr „cool“ auf englisch zu reden, doch ich finde so langsam ist es zu viel und wie gesagt, es ist schade, dass eine so reiche Sprache wie es die Deutsche ist, „peu à peu“ seinen Wortschatz ( <-was für ein tolles Wort „btw.“) verliert bzw. verlieren könnte.

Gerade in Spanien wird mir immer wieder gesagt, dass viele die Deutsche Sprache so toll finden, weil es eben für jedes „etwas“ ein konkretes, präzises Wort gibt.

Mein Punkt ist der; in so vielen Ländern (Spanien, Deutschland, Italien…) sind Anglizismen (manchmal auch ganze Sätze) so "„in“, dass es langsam zu einem Verlust der Europäischen-Sprachen kommt/kommen kann und dies sehr schade wäre.

Sprachen müssen auch Sprachen evolvieren und die Aufnahme von Fremdwörter gehört auch dazu, aber wenn alle Englisch sprechen, ist das ja keine wirkliche Evolution.

„That’s it“ liebe Leute =)! Ich wünsche euch einen schönes Wochenende und verabschiede mich mit einem

Gracias und Hasta Pronto vielleicht!

Mit besten Grüßen

DerSpanier :wink:

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So viele Latinismen…

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Ich kann deinen Punkt zwar gut nachvollziehen, denke aber tatsächlich, dass es normal ist, dass Sprachen sich einander beeinflussen. Wie stark der Einfluss einer Sprache auf die andere ist hängt in der Regel von zwei Faktoren ab: Enge des Kontaktes und Prestige der Sprache.

Und hier muss man einfach konstatieren, dass durch das Internet der Kontakt der Sprachen massiv gestiegen ist - und dass Englisch einfach als „Weltsprache“ aktuell das höhere allgemeine Prestige hat (dh. die meisten Deutschen wollen die Weltsprache Englisch lernen, nur wirklich an deutscher Kultur interessierte Menschen aus dem englischsprachigen Raum wollen hingegen Deutsch lernen).

In diesem Sinne ist es eine ganz normale Entwicklung, dass die englische Sprache aktuell sehr starke Einflüsse in der deutschen Sprache hinterlässt, wie schon zuvor das Latein, wie @Jan42 anhand der Beispiele sehr schön herausgearbeitet hat. Und genau so, wie heute kaum jemand sagen würde, dass die deutsche Sprache durch die lateinischen Einflüsse „ruiniert“ wurde, wird auch in 200 Jahren vermutlich kaum jemand sagen, dass die englischen Einflüsse in der deutschen Sprache ein „Problem“ darstellen.

Sprache wandelt sich - Englisch ist letztlich als Sprache definiert über Keltische, Nordische (germanische), Lateinische und französische Einflüsse - alle diese Sprachen haben erhebliche Spuren in der englischen Sprache hinterlassen. Ähnlich sieht es mit Deutsch aus. Diesen „kulturellen Abwehrkampf“ gegen Einflüsse aus anderen Sprachen gab es schon immer - und in allen Sprachen. Ich halte ihn offen gestanden für falsch, weil sinnlos.

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Ich kann beiden Standpunkten etwas abgewinnen: Einerseits finde ich es wunderbar, die Möglichkeiten und Schönheit der deutschen Sprache auszuschöpfen. Andererseits bin ich dafür, dass Sprache sich frei entwickelt, samt Einflüssen aus anderen Sprachen.

Aus ganz praktischen Erwägungen glaube ich, es kann nicht schaden, gelegentlich englische Begriffe (wie alle Fremdwörter) auf den Prüfstand zu stellen:

  • Knapp 35% der Deutschen geben an, geringe oder keine Englischkenntnisse zu haben (Quelle).
  • 71% geben an, dass zu viele Anglizismen benutzt werden (Quelle).
  • Für ältere Menschen oder Menschen mit einer Sprachbehinderung können englische Begriffe eine größere Hürde darstellen als für andere Menschen.
  • Ulf und Philip haben als ein Ziel der Lage benannt, auch Menschen jenseits des typischen Lage-Publikums zu erreichen, etwa über den Telegram-Kanal. Ich kann mir vorstellen, dass dabei auch die Zugänglichkeit der Sprache eine Rolle spielt.

Wie Thomas de Maizière im Alles-gesagt-Podcast meinte: Vielleicht hätten wir in der Pandemie ein paar Probleme weniger gehabt, wenn nicht ständig von „social distancing“ die Rede gewesen wäre. Man hätte auch sagen können, die Leute sollen Abstand halten. Manche Menschen lehnen Inhalte ab, wenn die Form abschreckend auf sie wirkt. Eine Sprache, die als abgehoben empfunden wird, kann ausgrenzend wirken.

Würde ich deswegen auf englische Begriffe verzichten? Auf keinen Fall. Aber ich denke, es kann nicht schaden, im Einzelfall zu schauen, ob sie einen Mehrwert bieten. Ist „edge case“ verständlicher als „Grenzfall“? Oder „slash“ verständlicher als „Schrägstrich“? Meines Erachtens nicht. Umgekehrt halte ich nichts davon, zwanghaft nach Alternativen für geläufige Begriffe wie „happy end“ oder ihrem Wesen nach englische Begriffe wie aktuell „German vote“ zu suchen.

Nebenbei bemerkt fallen mir gelegentlich in der Lage wörtliche Übersetzungen aus dem Englischen auf, die auf Menschen mit geringen oder keinen Englischkenntnissen vielleicht irritierend wirken können. Zwei Beispiele:

  • „To have a point“ heißt eigentlich nicht „einen Punkt haben“, sondern „nicht ganz Unrecht haben“.
  • „To make a point“ heißt eigentlich nicht „einen Punkt machen“, sondern „auf etwas hinweisen“.

Nur ein paar Überlegungen zum Grübeln. Bitte nicht zu Ernst nehmen. Alles in allem finde ich es schön, dass die Lage nicht wie die Tagesschau klingt.

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Ich stelle mir beim Lesen deines Textes gerade vor, wir hätten nicht Pandemie sondern weltweite Seuche gesagt.
Vielleicht wäre dann manches tatsächlich ernster genommen worden.
Wo ich wirklich Probleme habe, sind die vielen englischen Begriffe im Finanzkontext und die vielen lateinischen im medizinischen. Ich denke daher kommt auch die Abneigung. Von Menschen, die das offensichtlich nutzen, um eine Geheimsprache zu schaffen, die das gemeine Volk ausschließt und zwingt dem Nutzer dieser Wörter zu vertrauen.

Edit: danke Margarete, Autokorrektur :wink:

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Naja, Fachsprache hat schon ihren Sinn, gerade in Abgrenzung zur Alltagssprache. Gerade die lateinischen Ausdrücke in der Medizin z.B. machen es so viel leichter, dass Mediziner (vor allem in der Forschung) weltweit wissen, worüber sie reden. Wenn in einer Fachsprache ein lateinisches oder griechisches Wort genutzt wird, passiert das gerade, um es etwaigen Änderungen des Alltagsgebrauches zu entziehen, es wird quasi ein anderes Wort verwendet, damit es spezifisch nur das meint, was im fachsprachlichen Kontext gemeint ist - und nicht noch alles drum herum, was in den verschiedenen Sprachen im Alltagsgebrauch dazugekommen ist.

Gerade die lateinischen und griechischen Worte kamen in die deutsche (und auch englische!) Sprache durch das Wiederaufleben der Wissenschaften in der Renaissance. Wenig verwunderlich daher auch, dass die erste große Debatte, so wie sie hier gerade geführt wird, aus dieser Zeit stammt: Die Inkhorn-Controversy im 16ten und 17ten Jahrhundert. Damals haben sich schon diverse englische Schreiber über die ganzen griechischen und lateinischen Lehnwörter beklagt und andere dagegen argumentiert. Das Thema ist wirklich uralt - und die Positionen beider Seiten sind bis heute nahezu unverändert. Die eine Seite beklagt sich, dass Fremdworte die Sprache korrumpieren würden, die andere Seite stellt, mMn zutreffend, fest, dass man eine Sprache nicht korrumpieren kann, nur, weil eine bestimmte Entwicklung einem nicht gefällt, macht es das nicht zur Korruption…

Der Grund, warum in der Medizin lateinische, im Finanzbereich italienische (und neuerdings auch englische), in Kunst, Kochen und Mode französische, in der Mathematik arabische und in den Wissenschaften allgemein griechische Ausdrücke benutzt werden ist aber eben schlicht historisch so gewachsen. Kann man sich drüber aufregen, kann man aber auch einfach so akzeptieren. Ich plädiere für Letzteres.

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Ich glaube, es vermischen sich gerade zwei Themen: Sprache fächert sich nicht nur nach Fachgebieten (Medizin, Mathematik, Mode …) auf, sondern auch nach Kasten (Jugendliche, Bildungsbürgertum, Arbeiterschaft …).

Im Fall der Fachsprache sehe ich es wie Daniel_K: Es geht um effiziente Kommunikation unter Fachleuten. Dass Außenstehende je nach Spezialisierungsgrad nicht immer folgen können, ist eine unvermeidliche Nebenwirkung.

Im Fall der Kasten sehe ich es etwas anders. Die Abgrenzung ist in diesem Fall keine unvermeidliche Nebenwirkung, sondern gerade das Ziel. Wenn Jugendliche etwas „sus“ finden, gründen sie einen Club, der gar nicht von allen verstanden werden will.

Ich glaube, die Anglizismen, um die es hier geht, fallen in die zweite Kategorie. „Slash“ ist nicht genauer oder fachlich korrekter als „Schrägstrich“. Wenn ich „slash“ höre, denke ich: Ich lausche einer Person, die internationale Inhalte konsumiert und internationalen Umgang pflegt. Persönlich finde ich das erst einmal schön. Ich weiß aber auch, dass es Menschen gibt, die solchen Texten weniger gut folgen können oder sie sogar überheblich finden und ablehnen. Da sind wir wieder bei Thomas de Maizière und dem „social distancing“ in der Pandemie.

Vor diesem Hintergrund lautet für mich die entscheidende Frage nicht: Soll die Lage fremde Spracheinflüsse verschmähen oder umarmen? Sondern eher: Welche Zuhörerschaften sollen sich eingeladen fühlen?

Das sehe ich anders. Okay, ich mag über 40 sein, aber ich bin immer noch Teil der Gaming-Szene und regelmäßig auf Twitch, wo man Jugendsprache sich in Echtzeit entwickeln sehen kann. Gerade das Wort „sus“ ist tatsächlich durch die plötzliche Popularität von „Among Us“ in die Gamer- und dann letztlich auch die Jugendsprache eingesickert. Das Wort wurde nie genutzt, um „nicht verstanden werden zu wollen“, sondern im Rahmen des Spieles hat es sich schlicht eingebürgert, statt ständig „suspect / suspekt“ einfach „sus“ zu sagen, weil es kürzer ist (und die Besprechungen, wer der Imposter ist, zeitlich sehr begrenzt sind) - das Ziel war daher gerade nicht, „nicht verstanden“ zu werden, sondern „schneller verstanden“ zu werden. Das wiederum hat sich in Windeseile im ganzen Internet verbreitet und so auch seinen Eingang in die deutsche Jugendsprache gefunden. Das Wort wurde durch das Spiel und unzählige Memes einfach „trendy“, das Wort zu benutzen wurde so in der Tat zu einem Zeichen des „Dazugehörens“, aber nicht mit dem Ziel, andere auszugrenzen. Ähnliches gab es in der Vergangenheit mit unzähligen anderen Trendwörtern. Auch hier gilt: Sprache neigt zu Verkürzung („Clipping“), und da bei der Verkürzung von „suspect“ zu „sus“ keinerlei Information verloren geht oder Doppeldeutigkeit erzeugt wird ist es ein logischer Prozess, dass „sus“ in der informellen Sprache „suspect“ verdrängt. Dass dieser Anglizismus durch den internationalen Charakter der Gaming-Szene in die deutsche Sprache einsickert kann dabei nicht überraschen, da aber auch das Deutsche „suspekt“ kennt, braucht auch der Deutsche wirklich keine intellektuellen Glanzleistungen vollbringen, um zu verstehen, was mit „sus“ gemeint ist.

Es ist vor allem kürzer und klingt selbst für mich als Ü40-Deutschen weniger „spießig“. Kurzum: Ich sage auch schon seit vielen, vielen Jahren „slash“ statt „Schrägstrich“. Sprache tendiert zu Kürze, wenn es mehrere hinreichend verbreitete Ausdrücke gibt, die das Gleiche bezeichnen, überlebt oft (aber nicht immer) der Griffigere. Das Wort „Schrägstrich“ darf meinetwegen gerne aussterben, die Silben spare ich gerne und sage einfach Slash :wink:

Ganz im Ernst, die mehrheitlich sehr konservativen „Hüter der deutschen Sprache“ sind glaube ich wirklich nicht das Zielpublikum der Lage, wer so Sprachkonservativ ist, wird vermutlich eher die Tagesschau konsumieren. Und gerade für Migranten und andere Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen ist „Slash“ vermutlich nicht weniger verständlich als „Schrägstrich“.

Es geht nicht darum, Menschen zu gefallen, die Anglizismen nicht mögen. Es geht darum, Menschen nicht auszugrenzen, die Anglizismen nicht verstehen. Was nützt die Eleganz und Kürze von „sus“, wenn es jenseits bestimmter Sub-Kulturen nicht verstanden wird?

Dass Anglizismen die Verständlichkeit von Texten beeinträchtigen, bestätigt Claudia Thoms von der Uni Hohenheim, die die Verständlichkeit von Reden deutscher Politikerinnen und Politiker wissenschaftlich untersucht hat:

„Fremdwörter und Fachwörter, Wortkomposita und Nominalisierungen, Anglizismen und ‚Denglisch‘, lange Sätze – all das erschwert die Verständlichkeit.“ (Quelle)

Die Klartext-Initiative der Uni Hohenheim empfiehlt, auch Anglizismen zu meiden, die Menschen mit durchschnittlichen Englischkenntnissen wahrscheinlich kaum auffallen würden, wie etwa „location“ oder „challenge“ (Quelle). Der Grund ist nicht Sprachpurismus, sondern Verständlichkeit.

Ich glaube, die ausgrenzende Wirkung von Anglizismen und anderen Fremdwörtern wird leicht unterschätzt. Weiter oben hatte ich Zahlen dazu genannt. Für Menschen mit geringen oder keinen Englischkenntnissen kann sich ein Text mit Anglizismen so anfühlen wie für Rollstuhlfahrer ein mehrstöckiges Haus ohne Aufzug.

Bitte nicht missverstehen: Ich bin kein Sprachpurist. Ich begeistere mich für alle möglichen Spielarten von Sprache, einschließlich Jugendsprache, Sprache aus der Pop-Kultur, verschiedenen Szenen und Sub-Kulturen. Die Frage ist nur, ob Szene-Sprache eine gutes Modell für Nachrichten ist, gerade in Zeiten, in denen öffentliche Debatten immer mehr zersplittern und abgeschottete Blasen entstehen, die nur noch wenig Austausch miteinander haben.

Wir brauchen auch große Marktplätze, auf denen alle zusammenkommen und sich nahtlos austauschen können. Gerade der Lage, die sich so leidenschaftlich für Vernunft und Augenmaß einsetzt und populistischen Auswüchsen die Luft ablässt, wünsche ich eine große Reichweite, und zwar gerade auch in Gefilden jenseits ihres Stamm-Publikums. Notfalls auch bei spießigen Schrägstrich-Sagern und gestrigen Sprachhütern.

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