Ich würde mich sehr freuen, wenn in der Lage nicht unreflektiert die Prämisse der „hochprofessionellen“ Berufsarmee übernommen wird. Was ich damit konkret meine, werde ich im Folgenden ausführen. Ein solcher Beitrag schien mir aber mal angebracht, jetzt wo Wehrpflicht und Co. vielleicht vermehrt Thema sein werden.
Die Grundannahme, dass Berufsarmeen irgendwie hochprofessionell und spezialisiert sind, war jetzt bspw. in den letzten DLF „der Tag“ Folgen mehrfach zu hören, findet sich aber eigentlich überall in den Medien. Aber auf welcher Datengrundlage beruht diese Einschätzung eigentlich? Denn ich habe an der Universität damals Seminare zur Militärgeschichte besucht und der Dozent entwarf dort ein ganz gegenteiliges Bild: Seiner Darstellung nach hatten sich die Wehrpflichtigenarmeen in den NATO-Manövern meist besser, keinesfalls aber schlechter geschlagen als die Berufsarmeen. Diese Aussage eines Experten kann ich nach so vielen Jahren gar nicht irgendwie belegen, aber mein Punkt ist ja folgender: Kann das Gegenteil, also die Überlegenheit von Berufsarmeen irgendjemand belegen? Auf welchen Daten beruht eine solche Einschätzung? Oder beruht sie nicht vielmehr nur auf dem intuitiven Zirkelschluss, dass eine Berufsarmee irgendwie professioneller ist, weil dort ja professionelle Berufssoldaten sind?
In den Medien wurde ja vor dem Hintergrund internationaler Konflikte ja gern so getan als wäre die Wehrpflichtigenarmee dafür per se ungeeignet, weil man „natürlich keine Wehrpflichtigen“ nach Afghanistan schicken könne. Das ist selbstverständlich richtig, hat aber ja auch niemand vorgehabt. Als Faustregel gilt ja immer, dass für jeden Soldaten im Einsatz (je nach Einsatz) 5-10 Soldaten im Hintergrund arbeiten: Irgendwo muss Material verschifft, Ausrüstung repariert, Essen gekocht, Wäsche gewaschen, Listen geführt werden etc. und viele Stellen dieser Logistik können selbstverständlich auch Wehrpflichtige ausfüllen, ohne dass die Berufssoldaten und SAZ die tatsächlich „im Felde stehen“ deshalb irgendwie weniger professionell unterwegs wären. Also die Wahrnehmung, dass Wehrpflichtigenarmeen weniger professionell in Einsätzen agieren könnten, weil da vorne irgendwie Rekruten rumspringen die gerade aus der AGA kommen, geht ja einfach an der Realität vorbei. Die kämpfende Truppe kann ziemlich exakt die gleiche sein.
Mal ganz abgesehen, dass viele Armeen – auch die Bundeswehr – für Afghanistan und Co auch auf FDWLer gesetzt haben, also maximal 23 Monate tätige, speziell weitergebildete Grundwehrdienstleistende. Auch derartig kurz Dienende zählten also zu den „hochprofessionellen Streitkräften“. Der Eindruck, dass nur SAZ und Berufssoldaten irgendwie „professionell einsatzfähig“ wären ist daher fehlgeleitet. Selbstverständlich gibt es Anwendungsbereiche die nur langjährig Dienende ausüben können (Hubschrauber und Flugzeug fliegen etc.), sie stellen auch den Großteil der „kämpfenden Truppe“, aber das bestreitet ja gar keiner. Eine Wehrpflichtigenarmee ist ja immer ein Mix zwischen GWDLern und professionellen Soldaten und da hat jeder seinen, dem eigenen Ausbildungsstand angemessenen, Aufgabenbereich. Ist das nicht professionell? Bzw. woraus ergibt sich bei einer Armee aus reinen Berufssoldaten ein „mehr an Professionalität“ wenn dort kein GWDLer nen Laster fährt? Manchmal wird nahegeradezu so getan als wäre eine Berufsarmee die einzig funktionierende Armeeorganisationsform, weil nur dort Professionalität zu erwarten sei. Dementgegen steht allerdings, dass Dutzende Länder über Jahrzehnte Armeen mit Wehrdienstleistenden hatte, ohne dass jemand deren „Professionalität“ in Frage gestellt hat. Das ist ein Narrativ, was sich im Zuge der Diskussion über die Aussetzung der Wehrpflicht eingeschliffen hat. Hat das vorher eigentlich auch schon jemand behauptet? Es haben auch genügend Wehrpflichtarmeen nicht weniger erfolgreich Auslandseinsätze absolviert als Berufsarmeen – und warum denn auch nicht?