Dauerbrenner Digitalisierung

Ich glaub du Unterschätzt das ganz schön. Vor allem die Arbeitszeit der Beamten und den overhead hast du gekonnt ignoriert.

Nehmen wir mal an, so ein Formular auszufüllen dauert 5 min und du musst 3 Formulare pro Jahr ausfüllen. Und nehmen wir mal an, ob ich handschriftlich was ausfülle oder in einem PDF oder in einem online Formular dauert immer gleich lange. Dann wohnst du 20 Minuten von deinem nächsten Bürgerbüro entfernt. Jetzt sind wir mal so großzügig und behaupten, dass du alle 3 Formulare an einem Tag im Jahr gemeinsam ausfüllen könntest (was in Realität natürlich nie der Fall ist). Dann würdest du dir mit PDFs 40 Minuten pro Jahr sparen. So viel Zeit kannst du dir als Bürger gar nicht mehr mit einer Datenbank einsparen. Selbst wenn wir annehmen würden, dass du für den Rest deines Lebens nur ein einziges Formular mit der Datenbanklösung ausfüllen müsstest.

Vor allem Versteh ich nicht, wozu wir diesen komplett unnötigen Overhead machen sollten, nur weil wir einen Glaubenskrieg mit dem PDF führen? Was für ein Schwachsinn ist das denn bitte sehr? Diese Diskussion scheint mir gerade ein Sinnbild dafür warum wir 0.0 mit der Digitalisierung in Deutschland vorankommen, weil wir jede Technologie, die nicht zu 100% Perfekt ist gleich von Grund auf verteufeln.

Und wie gesagt, ich bin auch für die Datenbanklösung.

P.S. 40 Minuten pro Person bei 45 Millionen Erwerbstätigen bei 22€ Durchschnittsstundenlohn sind übrigens 650€ Mio pro Jahr. Auf die 5 Jahre Entwicklungszeit der Datenbanklösung wären das dann 3,2 Milliarden, die dieser unnötige Krieg gegen das PDF kosten würde.

Mit ner Datenbank im Rücken fülle ich Dir in 5min einige Tausend Formulare aus. Und verschicke die als PDF, wenn gewünscht.
Bei Spezialformularen, die Du tatsächlich nur once in a blue moon erstellen musst, entlastet Dich eine einfache Datenbankabfrage, die zumindest die Standardfelder fehlerfrei befüllt (sowas wie Adressen, Steuer- oder Vorgangsnummern, etc.). So wie Dir Dein Digital Device beim Shopping anbietet, die Kontaktdaten schon mal in das Bestellformulare zu schreiben.

Es ist übrigens keln Entweder/Oder: der Antrag kann ein Online Formular sein, der Sachbearbeiter kann trotzdem eine PDF erhalten.

Der Vorteil einer „Datenbanklösung“ kommt eigentlich erst so richtig zur Geltung, wenn der Prozess dahinter (zeil)automatisiert ablaufen kann… aber für jedes Winz-Verwaltungsverfahren ein Fachverfahren einzuführen ist wesentlich schwieriger als die Antragstellerseite zur digitalisieren.

Man könnte auch von Beginn an ein digitales Eingabeformular verwenden, was grundsätzlich auch mit minimalem Programmieraufwand machbar ist.
Selbst wenn dann warum auch immer im Hintergrund auf dem Amt zuerst noch pdfs aus dem Formular purzeln wäre das ein (kleiner) Schritt in die richtige Richtung, weil es die weitere Digitalisierung ermöglicht und vereinfacht. Das passiert ja zum Glück auch gerade an manchen Stellen.

Das manuelle handeln von PDFs, die über Email eingeschickt werden hat dagegen organisatorisch kaum einen Vorteil, da du dann ja auch noch ein System brauchst, dass dir die Archivierung/Katalogisierung/Ordnung/… von PDFs und den zugehörigen Bürgern ermöglicht. Die Dateien sollen ja nicht einfach nur bei einem Sachbearbeiter auf dem Desktop liegen. Und bevor man dann so ein System baut (für das man in jedem Fall auch wieder Datenbanken braucht!), kann man auch gleich an einem wirklich digitalisierten Prozess arbeiten.

Ich wiederhole mich:

Niemand von uns fordert die absolute Perfektlösung. Es ist nur viel sinnvoller, inkrementell mit der „Datenbanklösung“ anzufangen, statt eine künstliche Zwischenstufe mit neuem Organisations-Overhead (lokale Verwaltung von per Mail eingeschickten pdf-Dateien) zu bilden.

1 „Gefällt mir“

Hier wird gefühlt nur der Aufwand für die Verwaltung betrachtet nicht aber für die Bürger. Ob ich jedes Mal Wohnort, Name und Geburtstag eintrage oder das vorausgefüllt ist, macht zeitlich einen geringen Unterschied. Ob ich das Formular per Mail, Post oder Persönlich vorbeibringen macht zeitlich einen gewaltigen Unterschied.

Ich hoffe mal, dass jede Gemeinde schon ein digitales Dokumentenablage System hat und das nicht nochmal entwickelt werden müsste. Aber selbst wenn wir sagen, dass die Papierverwaltung die einzige Option ist, ist es trotzdem einfacher für beide Seiten, wenn das Formular, was vermutlich eh schon in PDF Format vorliegt (oder als Word Dokument) auf der Webseite hochgeladen wird, sodass es die Bürger es einfach zu Hause ausfüllen können, und dann druckt sich die Gemeinde das wieder aus. Anstelle dessen, dass wir jedes Mal zur Behörde dackeln müssen, um Formulare auszufüllen.

Von daher halte ich das PDF für die einzig vernünftige Zwischenlösung bis wir die online Formulare mit Datenbank haben. Und selbst wenn nur die Bürger von den PDFs profitieren und es für die Verwaltung keinen Unterschied macht

Nochmal mit Zahlen: Wenn man 40 Minuten zur Behörde und zurück braucht und zum Ausfüllen der Formulare 5 Minuten. Dann macht der Weg 90% der Zeit aus. Das heißt durch mailen von PDF, lassen sich 90% der Zeit sparen. Durch digitalisieren der Formulare ließen sich dann noch maximal 10% der Zeit für sie Bürger sparen. Wie gesagt, ich bin voll für Digitalisierung, halte es aber für Blödsinn wegen 10% potentieller Zeitersparnis auf 90% Zeitersparnis für die Bürger in der Zwischenzeit zu verzichten und das obwohl man quasi keinen Mehraufwand durch PDF hätte

Ich verstehe Deinen Punkt, nur scheinen hier wieder falsche Anreize gesetzt zu werden, die danach wieder einen Status Quo zementieren. Klar kann man zur Überbrückung heute PDFs nutzen, und es gibt ja auch maschinell ausfällbare und auslesbare Varianten (die leider viel zu selten angeboten werden). Nur ist das eben dann oftmals die Lösung, die genutzt wird und die final sinnvolle Lösung wird dann eben gar icht mehr gemacht, weil „tut ja“ irgendwie.
Dass da am Ende so alberne Situationen entstehen, wo in den Verwaltungen dann Menschen diese Daten aus den PDFs erst ausdrucken, in Ordner heften die dann ein anderer Mitarbeiter wieder manuell in das eigentliche System einträgt, das ist doch die Crux. Ich sehe nicht, wie man das verhindert.

Ganz davon abgesehen dass man sich lizenztechnisch wieder in Abhängigkeiten eines großen US Softwareunternehmens begibt, und eigentich sollten wir aus den Erfahrungen mit Microsoft überall gelernt haben. Hier mal nur die Ausgaben des Bundes, und das ist nur für MS Lizenzen:

Ich glaube, der Aufwand einer PDF-Umstellung wird gerade etwas unterschätzt und der Aufwand einer Datenbanklösung etwas überschätzt. Die elektronische Abgabe der Steuererklärung (seit 2002 ohne Ausdruck und Unterschrift) zeigt, dass digitale Abläufe in überschaubaren Zeiträumen umgesetzt und schrittweise weiterentwickelt werden können. Ich bin jedenfalls froh, dass es keinen PDF-Zwischenschritt gegeben hat. Dann wäre die elektronische Steuererklärung noch lange nicht auf dem Stand, auf dem sie heute ist.

Der Wissenschaftler Thomas Meuche, der an der Hochschule Hof das Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung leitet, formuliert zu diesem Thema interessante Impulse. Zur E-Akte, einer Variante der PDF-Idee sagt er:

Die E-Akte ist im Grunde genommen die digitale Abbildung der physischen Ordner. Damit sind die Daten eingefroren. Sie lassen sich nicht weiter nutzen oder auswerten und können demnach auch nicht mehr in Prozessen genutzt werden.

Er plädiert für eine Bürger-Cloud:

Die Frage ist eben, schafft man irgendwann den großen Wurf? Wir können in den jetzigen Strukturen vielleicht noch zehn Prozent optimieren. Darüber werden wir nicht hinauskommen, wenn wir die Strukturen nicht grundlegend ändern.

Quelle: Expertenmeinung: Bürger-Cloud könnte viele Probleme der Verwaltung lösen | ZEIT ONLINE

Ich glaube, das ist die Sackgasse, die PDF-Kritikern Sorgen bereitet. Nebenbei bemerkt finde ich, Thomas Meuche wäre ein interessanter Gesprächspartner für die Lage.

Ich finde aber auch, wir sollten uns an der Stelle nicht festbeißen. Wenn eine Institution zu dem Schluss kommt, PDFs seien ein sinnvoller Zwischenschritt, dann würde ich sie bestimmt nicht davon abhalten. Die Zeitersparnis, die riodoro anspricht, ist nicht von der Hand zu weisen. Meine Sorge gilt weniger dem PDF als der Politik, die bisher nicht davor zurückgeschreckt hat, einen Haken an solche Vorgänge zu setzen und sie für digitalisiert zu erklären.

Apropos: Gestern hieß es in der tagesschau, der Weg für das digitale Bürgerkonto werde freigemacht. Weiß jemand mehr? Ist das ein Schritt in Richtung großer Wurf?

1 „Gefällt mir“

Aber wird bei der digitalen Steuererklärung nicht im Hintergrund ein PDF erzeugt, welches übermittelt wird? Bei mir in WISO wird zumindest (als Backup?) ein PDF generiert wenn ich fertig bin.

Ohne die tatsächliche Umsetzung des Programmes zu kennen: Es ist datensparsamer, (verschlüsselt) nur die reinen Daten zu übertragen, z.B. als JSON - einem strukturierten Textformat (d.h. Daten können mit Labeln versehen und Hierarchien abgebildet werden - alles was man zum Befüllen einer Datenbank braucht). Die PDF ist für die eigenen Unterlagen.

1 „Gefällt mir“

Ich würde wie Norbert davon ausgehen, dass es genau umgekehrt ist: Im Hintergrund wird ein Datensatz übermittelt, im Vordergrund ein PDF für die Unterlagen erstellt. Das PDF wird aber nicht an das Finanzamt übermittelt.

Hier zwei TED-Vorträge zum Thema Digitalisierung, die ich inspirierend fand:

Immerhin eine gute Nachricht: Beim Ausbau der digitalen Infrastruktur muss Deutschland nicht bei Null anfangen, sondern kann auf Erfahrungen aus dem Ausland zurückgreifen. Es hat auch Vorteile, spät dran zu sein.

Aber der Vorteil würde leider nur funktionieren, wenn man bereit ist Dinge zu übernehmen. In Deutschland erlebe ich es stattdessen häufig, dass eine individualisiere 100%-Lösung angestrebt wird, die beliebig langsam und teuer ist.
Drücke uns aber dennoch die Daumen!

1 „Gefällt mir“