Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik

Hallo,

ich hätte einen Lösungsvorschlag für die Probleme der PKS: die Polizei könnte einfach die Daten veröffentlichen und das Einordnen den Journalisten und Wissenschaftlern überlassen. Natürlich alles ausreichend anonym. Diese könnten dann die Daten mit anderen Studien in Verbindung setzten und auch mit ihren eigenen Methoden auswerten. Es könnte dann jedes Mal eine ganze Reihe von Auswertungen geben - jede mit ihren eigenen Stärken und Schwächen. Ind er Gesammtheit ergibt das dann ein genaueres Bild als wenn es - wie bis jetzt - nur die Auswertung der Polizei gibt.

Vor diesem Hintergrund sehe ich Ulfs Vorschlag, doch nicht mehr die Staatsangehörigkeit zu erheben, sehr kritisch. Ulf und Phillip haben ja quasi vorgerechnet, dass Zuwachs an Anzeigen bei nicht-Staatsangehörigen eigentlich gesunken ist. Damit entkräftet man jeden rassistischen Vorwurf. Wenn es weniger Daten gibt, stützen sich Diskussionen eher auf Gefühle, und die sind bei Rassisten vielleicht manchmal stärker.

Und selbst wenn die Zahlen einen Zuwachs in Anzeigen/ Kriminalität zeigen würden, deutet das ja auf einen Missstand in unserer Gesellschaft hin, den man bspw. durch bessere Integration in den Arbeitsmarkt lösen könnte. Ich sehe kein gutes Argument dafür, warum weniger Daten besser sein könnten.

tl;dr: Ich schlage vor, dass die Polizei die Daten nur erhebt und Journalisten/ Wissenschaftler sie interpretieren und einordnen.

Was haltet Ihr von dem Vorschlag?

Der Missstand könnte aber auch in einer rassistischen Anzeigepraxis liegen, die sich kaum mit dem Arbeitsmarkt beheben lässt.

Ich bin mir ziemlich sicher beide Punkte spielen in die Statistik mit rein.

Dass schlechte Perspektiven zu Straftaten folgen hatten wir ja auch z.B. bei den Spätaussiedlern. Dort gab es ja auch ähnliche Probleme mit der Generation die als Jugendliche oder junge Erwachsene hier ankamen. Die älteren die hier direkt in Jobs gekommen sind und die jüngeren die in die Schule gingen und Abschlüsse gemacht haben hatten aus der gleichen Gruppe (also gleiche Kultur etc.) bedeutend weniger Probleme.

Dass gerade die Zählung der Tatverdächtigen (nicht der verurteilten Täter) verzerrt ist aber auch klar. Ausländer werden häufiger angezeigt und gelten schneller als Tatverdächtige. Und auch ausländisch aussehende, seit Generationen hier lebende Deutsche berichten davon viel häufiger Kontrolliert zu werden.

Die Daten gibt es bereits in zahlreichen Tabellen geordnet beim BKA abzurufen, als xlsx und csv. Daher können forschende und Journalisten das schon nutzen. Ob die gut geordnet und aufbereitet sind, vermag ich nicht zu sagen. Der Bericht ist da erstmal nur eine Zusammenfassung. Darauf aufbauend können aber Data Scientisten hinreichend Bereinigungen, etc. Vornehmen. Die Daten selbst muss man natürlich schon mit Vorsicht genießen, bzw. Deren Limitation kennen, wie bei jedem Datensatz.

Sie jedoch nur als Rohdatensatz zur Verfügung zu stellen schützt weder vor Inkompetenz in der Verarbeitung und Interpretation, noch vor Missbrauch, wie es auch heute schon passiert. Da würde ich eher wie vom Interviewten Gast und Professor der Polizeihochschule gefordert, die aktuelle Berichtslage auszudehnen und wissenschaftlicher aufzuarbeiten. Dieses auch gerne zum Peer Review geben usw. Es muss quasi ein Paper daraus werden, welchen den wissenschaftlichen Standards genügt. Dieses sollte man dann medial breiter besprechen, vom Ministerium nutzen und auch auf dieser Basis politische Schlüsse ziehen. Diese braucht dann jedoch Zeit und in dieser Zeit werden die Daten missbraucht werden von Populisten die daraus Profit schlagen können. Sie müssen eben nicht präzise sein und insbesondere bei Datenanalysen kann man sehr viel falsch machen.

Leider kenne ich keine Studie, die das heute schon auch methodisch wirklich gut macht.

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Wenn du möchtest, dann kannst du hier selbst in die Tabelle schauen: Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 des BKA .

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Journalisten unterlaufen bzgl. Statistik leider viele Fehler.

War auch leider hier im Podcast zu hören. Da waren einige Fehler drin. Z B. ist der verlangsamte Zuwachs ein Coronaphänomen - der letzte Anstieg im Jahr zuvor war einfach überproportional hoch. Auch der Fokus auf relative Zahlen ist fehler- und manipulationsanfällig. Kann man in Büchern von Gigerenzer nachlesen.
Hinzu kam Whataboutism. Es wird über jugendliche Gewalttäter gesprochen - ja aber es gibt auch Drängler und Steuerbetrüger.

Wie kann man sich den Zahlen nähern - durch folgende Betrachtung.
Hinweis: Die im folgenden genannten Kriminalitätsanteile 10% und 30% sind fiktive Zahlen, es kommt nur darauf an, dass die zweite Zahl höher als die erste ist.

In einem Ort leben 90 Menschen Männer und Frauen jeden Alters, von denen sind 9 kriminell. Dann kommen 10 neue Leute hinzu, überwiegend jung und männlich. In dieser Klasse ist die Kriminalitätsrate anerkanntermaßen höher, z. B. 3 von 10. Dann kommen nochmals 10 Leute dazu, wieder mit 3 Kriminellen.
Die ursprünglich 81 nichtkriminellen Leute sehen sich also statt 9 nun 15 Kriminellen ausgesetzt.
(was aber eine falsche Betrachtung ist).
Richtiger: die nach 2-maligen Zuzug 81+7+7= 95 Nichtkriminellen sehen sich 15 Kriminellen ausgesetzt.
vorher: 81:9 =9:1

  1. Zuzug: 88:12 = 7,3:1
  2. Zuzug: 95:15=6.3:1.
    D. h. immer weniger Nichtkriminelle kommen auf einen Kriminellen.
    Es muss einfach auf Grund des unterschiedlichen Spektrums von Ursprungsbevölkerung und Hinzugezogenen mit einem höheren Anteil an Kriminellen in der 2. Gruppe a) zu einem Kriminalitätsanstieg kommen und b) zu einer größeren Zahl von Kriminellen je Nichtkriminellen.
    Wenn man sich also entschließt, in einem Ort eine Gruppe mit einer speziellen Alters- und Geschlechtsstruktur, die anerkanntermaßen mit einer höheren Kriminalität einhergeht, immer weiter zusätzlich aufzunehmen, steigt die Kriminalität.
    Dies alles kann man noch verfeinern durch Details, wie Art der Kriminalität unter den 9 und den 3+3 Kriminellen usw.
    Das kann man erst einmal alles diskutieren, ohne überhaupt die Ausländerkarte zu ziehen.
    Die interessante Frage bleibt, ob die Kriminalität einer Subgruppe aus der Ursprungsbevölkerung, die sich aus dem gleichen Spektrum zusammensetzt wie die Hinzugezogenen, der Kriminalität der Hinzugezogenen entspricht. Vermutlich wird sie geringer sein, auch hier kann man Gründe wie Eingebundensein in gewachsene soziale Strukturen im Gegensatz zu einer Entwurzelung diskutieren.
    Das verstärkt den Effekt des Zuwachses der Kriminalität zusätzlich.
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Wenn ich es richtig verstanden habe, ging es doch darum, aufzuzeigen, dass hinsichtlich verschiedenster Aspekte wie zB Anzeigewahrscheinlichkeit nach Deliktart mehr Differenzierung hilfreich wäre. Was hat das mit Whataboutism zu tun?

Die Polizei gibt den Bericht ja auch deswegen raus, damit sich Journalisten damit befassen können, was sie dann auch tun.
Das Problem ist nicht die Aufbereitung der Polizeistatistik, sondern dass sie, wie im Interview angedeutet, nur einen Teil der Realität abbildet.
So wurde z.B. in der Zeit darauf hingewiesen, dass es natürlich immer gut ist, mehr Polizisten zu fordern, die Polizeistatistik dafür aber denkbar ungeeignet:
Mehr Polizisten führen zu mehr entdeckten Straftaten, würden die Zahlen also nochmal erhöhen und nicht senken.

In der Beck-Community hat Prof. Dr. Ernst Müller (Universität Regensburg) unter der Überschrift „Tausendfache Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) zur Manipulation der Polizeilichen Kriminalstatistik?“ darauf hingewiesen, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik im Bereich der Kinderkriminalität durch eine abenteuerliche Anzeigepraxis der Polizei bei illegalen Grenzübertritten aufgeblasen wird. Seine Schlussfolgerung zur Kriminalitätsbelastung der Polizei in diesem Zusammenhang (die im Dunkelfeld der PKS bleibt) beruht auf einer steilen These, könnte aber gerne mal durch die Staatsanwaltschaft durchgeprüft werden.

Wo steht denn, dass die Polizei das so macht?

Man kann es als Bürger nur am Ergebnis ablesen in der Tabelle der Tatverdächtigen (hier aus Gründen der Vereinfachung die Tabellen Bund. Da finden sich die Zahlen in den Zeilen mit den Schlüsseln 725700 (Unerlaubter Aufenthalt § 95 Abs. 1 Nr. 1, 2 und Abs. 2 Nr. 1b Aufenthaltsgesetz), 725710 (Unerlaubter Aufenthalt § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Aufenthaltsgesetz),725711 (
Unerlaubter Aufenthalt ohne unerlaubte Einreise), 725712 (Unerlaubter Aufenthalt nach unerlaubter/ungeklärter Einreise) in der Spalte „Tatverdächtige bis unter 6 Jahre“.

Ich gehe nicht davon aus, dass diese Straftaten von Bürgern angezeigt wurden. Das dürften weit überwiegend von Polizisten gefertigte Anzeigen sein.

Was mich wirklich überrascht hat, dass in dieser Altersgruppe tatsächlich sogar 206 Fälle der Verbreitung pornografischer Inhalte (Erzeugnisse) §§ 184, 184a, 184b, 184c, 184e StGB verzeichnet wurden. Ich hätte nicht gedacht, dass Kinder vor dem Schulbesuch technisch zu solchen Taten überhaupt in der Lage sind. Aber es ist so eingetragen. Also muss es entsprechende Anzeigen gegeben haben.

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Hallo,

ich habe mir mal die Arbeit gemacht, die existierende PKS wenigstens besser zugänglich zu machen. Ich habe hier [1] ein Dashboard gehostet, dessen Quellcode hier [2] auf github liegt. Mein Interesse bei der Erstellung war mal das wiederkehrende Argument seitens der Innenministerien, tätliche Angriffe auf Beamte würden ja immer schlimmer. (Dahingehend musste ich bei dieser Episode etwas schmunzeln, als der rituelle Aspekt der PKS-Veröffentlichung angesprochen wurde.)

Man kann die ganze PKS damit durchsuchen, aber für die Frage der Gewalt gegen Beamte war hier mein Takeaway, dass die Zahlen eigentlich stagnieren und nur scheinbar ab 2018 gestiegen sind, weil es ein neues Delikt gab. Also eine weitere Handlung wurde kriminalisiert.

Kommt gerne auf mich zu, wenn es Fragen oder Kommentare zu diesem Tool gibt.

Beste Grüße

[1] Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
[2] GitHub - andmbg/pks: Polizeiliche Kriminalstatistik durchsuchbar gemacht. Ein Dashboard.

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Gerade was das Tropos „Die Arbeit als Polizist wird immer gefährlicher, es gibt immer mehr Gewalt gegen Polizisten“ betrifft sollte man ausgesprochen kritisch sein. Es ist eben wieder dieses verklärte „Früher war alles besser“.

Leider gibt es keine bundesweiten, aussagekräftigen Statistiken über die Anzahl von schweren Verletzungen durch äußere Gewalteinwirkung (also nicht „der Polizist ist bei der Verfolgung des Verdächtigen umgeknickt und zwei Wochen Dienstunfähig“), aber was wir haben, sind Statistiken über im Dienst getötete Polizeibeamte:


(Quelle)

Wenn die schwere Gewalt gegen Polizisten angeblich zunimmt, müssten auch die Todesfälle zunehmen, weil schwere Gewalt immer das Risiko des Todes in sich trägt, hier müsste in jedem Fall zumindest eine starke Korrelation vorliegen. Das kann man aber aus der Statistik unmöglich entnehmen.

Das ist der gleiche konservative Reflex, den wir beim Thema „Gewalt in der Schule“ hören. Es ist Nostalgie gemischt mit Kulturkampf. Quasi „Früher, als Bullen noch richtige Männer waren und die Lehrer noch die Kinder verprügeln durften war alles in Ordnung!“, nur eben als pseudowissenschaftliche Tatsache umschrieben.

Gewalt in der Schule war schon immer ein massives Thema, das einzige, was sich geändert hat, ist, dass wir heute sensibler für das Thema sind stärker drauf schauen und schneller auch strafrechtlich intervenieren… genau so war Gewalt gegen die Polizei schon immer ein Thema - auch vor der RAF-Zeit, vor allem in den frühen 60ern, gab es schon Fälle von Polizisten, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren und teilweise völlig sinnlos erschossen wurden, eine Auflistung findet sich hier:

Welchen Einfluss hätten denn präventive Maßnahmen wie Schutzausrüstung, vorsichtigeres Verhalten, Deeskalation, technischer Fortschritt bei der Lebensrettung, oder das Auftreten gewalttätiger Terroristengruppen.

Bei so geringen Fallzahlen und so breiten Einflüssen kann man quasi nie Korrelationen finden, ohne viel genauere Modelle als ein x-y Scatterplot zu machen.

Zumal Todesfälle im erlebten Umfeld eines Polizisten eher anekdotisch sein dürften (8 Fälle pro Jahr bei 280.000 Polizisten). Wichtiger wird wohl so etwas wie körperliche Gewalt oder Widerstand sein. Das erleben sicher viel mehr Polizisten und wäre tatsächlich aussagekräftiger.

Über welche Balken sprechen wir hier? Außer bei rosa sehe ich in allen Fällen einen deutlichen Anstieg, der nur durch die geschickte Wahl der Achse (beginnt von 0-20.000) so nicht stark auffällt. Es ist legitim das so darzustellen, aber tatsächlich dürften die Fallzahlen im Jahresvergleich deutlich steigen. Offen ist, ob das mit der Bevölkerungszahl oder demographisch zu erklären wäre.

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Danke für die aufbereiteten alternativen Ansichten der Statistik.
Mir wäre ein Punkt noch wichtig:
In der Folge wirs prozentual hochgerechnet, dass der Anstieg der Anzeigen (gegen Ausländer) absolut gestiegen ist, da es (u.a.) einen starken Zuzug gab - zudem über die Unzulänglichkeit der Kriminalstatistik allgemein - alles fair.

Um eine wirklich ausgeglichenes und neutrales Bild zu zeigen, müssten Jens und Ulf aber auch vortragen, wie hoch die „Basis-Prozentuale“ ist. Heißt: Wie viel Prozent der ausländischen Mitbürger wurden zuvor angezeigt? Und wie viele sind dies entsprechend mit deutschem Pass? Wenn die prozentuale Basis eine völlig andere ist/wäre, dann kann man über Anstiege leider nur sehr eingeschränkt eine Bewertung vornehmen.
Kann mir jemand diese Zahlen nennen?

Klingt das nur für mich nach verschobenen Torpfosten?
Und die blose Ermittlung, ob es einen Zusammenhang zwischen ausgewählten migrationsbezogenen Größen und dem Anzeigegeschehen gibt, erzeugt noch mehr statistische Probleme als die Untersuchung der Steigerung.

Wenn nicht schon die Frage, ob der Gebutsort oder die Abstammung primäre Faktoren bei der Delinquenz sind, im Kern rassistisch wäre, würde es eine kompliziertere Faktoren Analyse erfordern.

Und dort wo es sich um sekundäre Faktoren handelt, sollten die primären angegangen werden. Wenn zB die Migrationsgeschichte in unserer Gesellschaft zu Bildungsnachteilen führt, wären mehr Lehrer die bessere Maßnahme als mehr Polizisten.

Ich gebe dir recht, Friedolino, was die Lösung der Probleme angeht. Und dass diese Statistik grundsätzlich viele Macken hat.
Wurde auch bereits alles benannt und von mir nicht infrage gestellt.

Man kann jedoch nicht im Podcast den geringeren Anstieg als ein Gegenargument zu den konservativen/rechten Parolen anführen und dann die Basis nicht nennen. Denn damit schafft man es vielleicht die ähnlich gesinnte Community/Zuhörerschaft zu überzeugen, doch aber nicht die Leute die noch überzeugt werden müssen.
Wie gesagt, mich würde die Gegenüberstellung der Anzeigen pro 100.000 Einwohner einfach interessieren.

Ich bin mir nicht so sicher wie hilfreich das ist, das zu vertiefen. Dort wo die rechte/konservative fake news verbreitet, muss man es exakt debunken. Darüber hinaus ist es meines Erachtens nicht empfehlenswert, die Themen, die die rechten auf die Agenda drücken wollen, weiter zu bedienen.
Sonst trägt man dazu bei, das eigentliche Nicht-Thema noch größer zu machen.
Und immer wenn das Thema Migration kombiniert mit irgend einem Problem öffentlich behandelt wird - egal wie das Ergebnis ist - verfestigt sich die Assoziation zwischen Migration und Problem im öffentlichen Unterbewusstsein.

Was soll das bringen? Ausländer impliziert ja schon, dass es sich oft gar nicht um Einwohner handelt.