Das EFH und seine Kosten

Hallo Ulf, hallo Philip!

Ich höre die Lage der Nation regelmäßig und danke Euch sehr für diesen Podcast. Obwohl ich in Österreich lebe, interessiere ich mich natürlich sehr dafür, was beim großen Nachbarn so läuft.

Da ich Euch nun aber schon einige Zeit höre, fällt es mit immer wieder auf, das Ihr das Einfamilienhaus (EFH) gerne mal zu verteidigen sucht, als eben eine Wohnform wie jede andere. Jeder sollte sich frei entscheiden können, wie und wo er wohnt. Dem stimme ich prinzipiell auch zu. Unsere Demokratien fußen auf der Freiheit des Individuums und das ist unser höchstes Gut.

Wie Ihr auch in Eurer letzten Folge angemerkt habt, kostet die Infrastruktur in weniger dichter Bebauung pro Kopf einfach mehr. Das ist eigentlich eine no-na Bemerkung. Das Land Salzburg geht vom bis zu 15-fachen aus, was die technische Infrastruktur eines EFH in Randlage gegenüber mehrgeschossigem Wohnbau in Zentrallage pro Person kostet. Hier der Leitfaden dazu.

Erwirtschaftet wird dieses Geld allerdings in den Zentrallagen. Der „Not Just Bikes“ Kanal auf youtube hat dazu ein interessantes Video. Wobei die Situation in den USA noch einmal verschärft ist. Aber auch bei uns ist der Wohnraum in den Städten teurer, womit hier höhere Abgaben erzielt werden, die großen Unternehmen sitzen in Städten, in den Städte wird einen Großteil der Wertschöpfung erwirtschaftet. Der NABU hat einen Artikel bezüglich Deutschland.

Jetzt seid Ihr trotzdem zu der Übereinkunft gekommen, dass diese Infrastruktur wichtig ist, und erhalten werden soll. Das kann man sich ja wünschen, nur muss das Geld dafür irgendwo her kommen. So wie die Aufteilung derzeit ist, wird das Geld dort erwirtschaftet, wo man sparsam bei der Infrastruktur ist und dort ausgegeben, wo nur wenig rein kommt.

Wollt Ihr da nicht vielleicht mal eine Folge dazu machen? Welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen die Anreizsetzung für ein Haus im Grüne hat? Ich verwende hier absichtlich nicht den Begriff „Land“ - Land ist für mich Bauernhof oder Forsthaus, Leute die dort auch arbeiten. Aber um diese geht es ja nicht. Von der baulichen Infrastruktur angefangen, über Einsatzkräfte, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, die in Randlage teurer sind, Strukturen die realistisch vom Auto abhängig sind, das Sterben der Ortszentren durch Einzelhandel in Randlage, dem Pendlerverkehr der zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen in der Stadt führt, etc.

Vielleicht kommt Ihr bei Eurer Recherche ja zu ganz anderen Ergebnissen. Für mich stellt es sich so dar, dass die Forderung nach mehr Infrastruktur sich einfach nicht finanzieren lässt – außer man schraubt die Abgaben in diesen Lagen massiv nach oben (das hilft sicher nicht gegen den Rechtsruck). Wenn meine Daten stimmen, ist Leben in der Randlage jetzt schon zu billig und wird von den Stadtzentren mitgetragen, die dadurch nur Nachteile haben. So schaut für mich eine freie Entscheidung, deren Konsequenzen man auch tragen muss, nicht aus. Wäre doch bestimmt mal ein spannendes Thema, da einen Überblick zu machen.

Alles Gute weiterhin

Andreas

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Hallo @Krapfadul

aus Interesse: Müssten die Stadtzentren in von Zuzug betroffenen Städten wie Berlin, Hamburg, Stuttgart, aber auch Leipzig und Magdeburg nicht wachsen? Würde das nicht dazu führen, dass Randlagen bald eingemeindet werden?

Demgegenüber würde eine Vernachlässigung der Randlagen-Infrastruktur den Wegzug zugunsten der bereits jetzt schon überlasteten Großstädte noch weiter verstärken, die schon heute nicht ansatzweise ausreichend Wohnraum und Infrastruktur schaffen können.

Ist es vielleicht ein notwendiges Übel Randlagen zu akzeptieren, um die Städte zu entlasten?

Ich vermute es sind vorwiegend die Neubaugebiete auf der grünen Wiese gemeint.

Und was die angeht kann ich Kritik verstehen. Grundstücksgrößen um die 600 qm für freistehende EFH während in den kleineren Städten bestehende EFH die saniert werden müssten leer stehen ist in meinenden Augen fragwürdig. Statt freistehend auf 600 qm wäre ja oft schon geholfen wenn man auf Mischgebiete aus Doppelhaushälften, kleineren Reihenhausreihen und kleineren Mehrfamilienhäusern gehen würde.

Generell bieten viele Kleinstädte noch viel Platz für modernen Wohnraum. Hier fände ich durchaus Handlungsbedarf.

Ein Fokus nur noch auf Großstädte dagegen wäre in meinen Augen eher problematisch. Denn auch dort ist vieles an Infrastruktur ja aktuell schon überlastet (Schulen, Kindergärten, etc.) und es ist wenig Platz das für noch mehr Bewohner auszubauen.

Vor allem auch weil ja keineswegs keine Wertschöpfung außerhalb der Großstädte stattfindet. Viele Pendler am Land pendeln ja z.B. von einer Kleinstadt in eine andere.

Warum sollte man das nicht akzeptieren? Wie gesagt, jeder soll wohnen wie er gerne möchte. Die Frage ist, wer die Infrastruktur dafür finanziert. Und ob in der Stadt nicht zu wenig Geld für so etwas da ist, weil diese die Infrastruktur der EFH mitzahlen muss.

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Ich finde das Thema interessant (wohne selbst trotz aller bekannten Nachteile freiwillig im EFH in der Vorstadt), aber wirklich nicht neu. Das Thema wurde bereits ausreichend behandelt, es gibt zig Dokumentationen und Features zum Thema Urban Sprawl und dessen Nachteile, z.B. auch der wirklich großartige Film Radiant City.

Hier sehe ich keinen neuen Betrachtungswinkel, der in der Lage erörtert werden könnte.

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Ich würde den Fokus gar nicht auf Großstädte setzen wollen. Wenn die Infrastrukturkosten besser in die Wohnkosten eingepreist würden, wäre es eben attraktiver, auch in den kleinen Städten dem Ortskern zu entwickeln. Das würde deren Attraktivität denke ich eher erhöhen. Derzeit werden eben Anreize geschaffen, möglichst weiträumig zu bauen, weil die Kosten dafür zum großen Teil die Allgemeinheit trägt.

Ganz generell bin ich ein großer Freund von Marktwirtschaft. Nur müssen die Regeln halt so sein, dass für alle die gleichen Bedingungen gelten.

Ich denke auch die gesellschaftlichen Kosten von neuen Einfamilienhäusern sind so hoch, dass der Vorteil, dass sie „Wohnraum schaffen“, dies bei weitem nicht aufwiegen kann.

Eine Sache, die ich in einem anderen Thread schonmal angemerkt habe: wir sollten halt auch erlauben, dass in bestehenden Einfamilienhausgebieten Mehrfamilienhäuser gebaut werden können, damit schaffen wir wirklich Wohnraum, der wenig invasiv in die Natur eingreift.

Aber, was ich denke noch wichtiger wäre, wäre statt sich immer nur auf Hamburg, Berlin und München zu fokussieren, das man versucht weniger beliebte Städte, wie Bremen, Rostock, Magdeburg, den Ruhrpott und viele weitere, attraktiver zu machen, um somit die Bevölkerung zu verteilen und so den Druck von den anderen Städten wegzunehmen. Ansonsten werden mehr Wohnungen in Hamburg & Co nicht viel bringen, weil dann einfach nur mehr dahin ziehen wollen.

Zum Verständnis…Meinst du damit alle Formen von EFH oder nur freistehende EFH? Weil z.B. Reihenhäuser auch als EFH gelten, aber in der Fläche deutlich effizienter sind. In großen Städten zB werden Reihenhäuser auch noch immer gebaut, freistehende EFH aber quasi nicht mehr (einzelne Ausnahmen abgesehen).

Ich meine alle Formen, klar sind Reihenhäuser schonmal deutlich besser. Aber bei dem Platzmangel und der Klimakrise die wir haben, ist es ja kompletter Blödsinn EFH als Reihenhäuser in großen Städten zu bauen

Magdeburg erlebt seit einigen Jahren einen signifikanten Zuwachs und Bautätigkeit was man auch am Preis für Bauland sehen kann.

Kostete der m2 in Randlage vor 15 Jahren noch 50 €, liegt er laut Freunden, die gerade ein kleines Grundstück gekauft haben, jetzt bei 250€+.

Eigentumswohnungen, geschweige denn Häuser, im Stadtbereich kosten problemlos 3000-5000 € pro m2, abhängig vom Investitionsbedarf und Ausstattung. Vor 10-15 Jahren sprachen wir von weniger als der Hälfte.

Ich kann für die anderen Städte nicht sprechen, aber Magdeburgs Kapazitäten sind bereits angespannt, auch durch Blockade von Neubauprojekten im Stadtrat (bspw. Gartenpartei + Grüne gegen den Rest)

Wenn es um Stärkung von weniger beliebten Städten mit viel Leerstand geht, dann fallen mir eher Orte wie Torgau, Bitterfeld, Ingelheim oder Emden ein. Alle deutlich <=50.000 Einwohner und mit viel freiem Potenzial, das allen nutzt.

Wenn dort der ÖPNV nicht mehr so früh Feierabend machen müsste, unterließen vielleicht mehr Leute den Autokauf.

Um ehrlich zu sein kenne ich mich mit Magdeburg nicht wirklich aus, mag sein, dass du da Recht hast. Ich bin jetzt nach der Bevölkerungsentwicklung von Magdeburg laut Wikipedia gegangen, nach der die Einwohnerzahl in Magdeburg zwischen 2000 und 2020 gerade mal um 2% gewachsen ist. Zum Vergleich: in München waren es 25%. Und Magdeburg hatte 2020 immer noch gut 50.000 weniger Einwohner als 1980.
Aber mein Punkt war es auch nicht eine Stadt gesondert hervorzuheben.

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Mit der Grundsteuer hätten wir ja einen guten Hebel. Je mehr Einheiten sich die Fläche teilen, desto billiger wird es.
Aber die erste Aussage der Politiker bei der Grundsteuerreform war gleich, dass es nicht teurer werden wird.
Chance vertan.

Äh, so ein bisschen.

Grundstücke in zentralen Lagen sind halt auch teurer. Also selbst wenn dort mehr Menschen wohnen, zahlt jede Person dann trotzdem mehr Abgaben, wenn sich diese nach dem Grundstückspreis richten.

Dass es insgesamt nicht teurer werden darf, sehe ich eigentlich auch so. Die Infrastruktur wird ja auch jetzt erhalten (also - fast). Die Verteilung ist nur falsch.

Sehen Sie, der Infrastruktur ist es aber egal wie viel ein Grundstück kostet. Die Straße die dort hin führt, will gebaut und erhalten werden, so wie Kanal, Wasser, Strom,… die Rettung soll bei dem Haus in Randlage genauso schnell sein, wie bei jenem in der Stadt, obwohl sie bei ersterem längere Wege hat.

Und trotzdem zahlen die Leute im Zentrum mehr Abgaben, weil sich diese nach dem Grundstückspreis richten. Merkwürdig, oder?

Aber das sind halt Schattierungen von Grau.

Man darf die doch ruhig bauen. Auch in Städten. Nur müssten die Steuern dann so modifiziert werden, dass diese auch die Infrastruktur tragen, die rund um das Reihenhaus gebaut werden muss.
Derzeit ist es halt so, dass sich die Steuer nach dem Wert der Immobilie richtet. Da die Grundstückspreise in zentralen Lagen höher sind, werden dort mehr Einnahmen lukriert, als in Randlagen. Dabei verhält es sich bei den Kosten genau umgekehrt.

Das kommt aber auch drauf an was man als Kosten definiert. Zum Angebot einer Großstadt und essentiell dafür, dass viele Menschen dort leben wollen gehören ja mehr Angebote als nur die grundlegende Infrastruktur. Da kommt dann das Fußballstadion zu dem die Stadt Geld beisteuert, die kulturellen Angebote etc. und die kosten auch richtig Geld.

Wäre es so einfach, dass ein EFH für Kommunen in der Gesamtbetrachtung ein einziges Draufzahlgeschäft wäre, dann gäbe es ja keinen Anreiz Neubaugebiete auszuweisen.

Das Fußballstadion, die Theater, etc. stehen allerdings allen offen. Sie werden gefördert, da wir Kultur als Wert ansich sehen und sie befinden sich meistens in Städten, weil dort die Infrastruktur billiger ist. Baut man diese in weniger dicht bebautem Gebiet , kommen ja wieder mehr Kosten dazu, weil die Infrastruktur auch noch gebaut und erhalten werden muss. Zusätzlich hoffen die Städte eben auf Nächtigungen durch Touristen. (Gleich das nächste Problem: verteilt man die Kultur- und Sportstätten auf die Fläche, kommen weniger Touristen, weil der Besuch mit mehr Fahrten verbunden ist)

So wie ich das verstanden habe, ist das für die kleinen Kommunen eine Art Pyramidenspiel. Die Straßen werden ja erst Mal von den Bauherren bezahlt und gleichzeitig kommt durch mehr Bürger mehr Geld in die Kasse. Die Erhaltungskosten müssen dann eben durch entweder wieder neuen Zuzug getragen werden, oder eben andere Posten gestrichen werden. Dann ist für Schwimmbad oder Theater eben kein Geld mehr da.

Ich kenne die Lage in Deutschland nicht so gut, aber in Österreich läuft das bis ins Bundesbudget, da die Gemeinden auch Geld aus dem Lastenausgleich bekommen. In den letzten Jahren haben diese mehr rausverhandelt, mit dem Argument, dass sie sich die Infrastruktur nicht mehr leisten können.

Scheint also tatsächlich ein Problem zu sein.

Was meinst du eigentlich mit Infrastruktur? Das Freibad in der Kleinstadt steht ja und muss betrieben werden egal ob die Stadt jetzt noch ein Neubaugebiet ausweist oder nicht. Zuzug von Menschen erhöht ja eher die Gästezahlen und somit die Einnahmen.

Zudem haben ja Kommunen die Möglichkeit mit dem Hebesatz anzupassen und somit die Grundsteuer pro Kopf und qm wieder in einen passenden Bereich zu lenken, zumindest im durchschnitt.

Und noch das Paper, auf das im Interview Bezug genommen wird: Artikel.

Univ. Prof. Haberl hat heute auf Ö1 ein Interview zu dem Thema gegeben: Interview