Brandenburger Wahlrecht verfassungskonform?

Auf Wahlrecht.de ist Folgendes zu lesen:

Gewinnt eine Partei in den Wahlkreisen mehr Mandate als ihr nach dem Verhältnisausgleich zustehen, verbleiben diese Sitze der Partei als Überhangmandate. Sind bei mindestens einer Partei mehr als zwei Überhangmandate angefallen, erhalten die übrigen Parteien Ausgleichsmandate. Dazu wird eine neue Gesamtsitzzahl berechnet, indem bei den überhängenden Parteien die Zahl der errungenen Direktmandate durch die Zahl der erzielten Zweitstimmen geteilt und mit der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien multipliziert wird. Das Ergebnis wird zur nächstliegenden ganzen Zahl gerundet und einer erneuten Sitzverteilung nach Hare/Niemeyer zugrunde gelegt – bei mehreren überhängenden Parteien wird die größte so errechnete Zahl genommen. Ergibt jene Rechnung bei einer oder mehreren überhängenden Parteien jedoch eine Zahl größer als 110, so wird die Gesamtsitzzahl auf 110 Sitze gedeckelt. Die überhängenden Parteien, bei denen die Zahl der gewonnenen Wahlkreise multipliziert mit ihrem Zweitstimmenanteil (s. o.) gerundet mehr als 110 ergibt, erhalten lediglich ihre Direktmandate; die restlichen der 110 Mandate werden auf die anderen Parteien nach Hare/Niemeyer verteilt. Nicht ausdrücklich geregelt ist, was mit etwaigen hierbei (erneut oder erstmals) entstehenden Überhangmandaten passiert und ob Wahlkreissitze, die von Einzelbewerbern errungen wurden, von den 110 Sitzen abzuziehen sind oder ob sie die Sitzzahl auf über 110 erhöhen.

Scheidet ein Abgeordneter einer Partei, die (lediglich) ein oder zwei Überhangmandate erhalten hat, aus dem Parlament aus, so bleibt dieser Sitz unbesetzt, bis der Überhang abgetragen ist.

Weitere Regelungslücke: Die berechnete neue Gesamtmandatszahl kann immer noch zu niedrig sein (sie kann sogar gleich der Ausgangszahl sein).

Hier wird auf die Problematik ebenfalls Bezug genommen:

Eine Verzerrung der Sitzanzahl nach dem Zweitstimmenverhältnis kann doch allenfalls in sehr begrenztem Umfang verfassungskonform sein, oder?

Interessant für die Einschätzung wäre jetzt:

Wurde dadurch in der Vergangenheit das Wahlergebnis in Brandenburg maßgeblich verzerrt? Ich nehme an, die Antwort lautet „Nein“, weil es sonst vermutlich schon mal Gegenstand juristischer Prüfung gewesen wäre. Dieser Beitrag vom renomierten CH Beck Verlag stützt jedenfalls deine Ansicht, dass die Regelung verfassungswidrig sein könnte:

1 „Gefällt mir“

Nun kann es dazu kommen.

Laut den aktuellen Hochrechnungen hat - wenn ich richtig gezählt habe - die AfD zwar 25 der 44 Direktmandate gewonnen, bekommt aber da nur vier Parteien in den Landtag einziehen 30 Sitze. Bei der SPD sind es 19 Direktmandate und 32 Sitze, andere Parteien haben keine Wahlkreise gewonnen. Es gibt also soweit ich das überblicke, gar keine Überhangmandate.
[Edit: Stand der Hochrechnungen aktualisiert]

Ja, da scheinen wir Glück gehabt zu haben. Es war durchaus denkbar, dass die AfD massiv Überhangmandate hätte bekommen können, da die AfD realistische Siegeschancen in nahezu jedem Wahlkreis hatte. Insofern wird die Frage der Verfassungsmäßigkeit besagter Überhangmandatsklausel wohl wieder nicht juristisch geprüft werden, bis sie irgendwann mal relevant wird.

Zum vorläufigen Ergebnis der Wahl:
Leider kommen SPD (32) und CDU (12) zusammen mal wieder nur auf 44 von 88 Sitzen (also ein Sitz zu wenig für die absolute Mehrheit), sodass das BSW erneut für die Regierungsbildung ohne AfD nötig wird. Das heißt eigentlich gibt es nur eine realistische Regierungsoption ohne AfD-Beteiligung: SPD (32) + BSW (14) - die CDU dazu zu holen würde keinen Sinn machen.

Das BSW wird hat es also geschafft, in allen drei ostdeutschen Bundesländern in die Schlüsselrolle zu gelangen, dass ohne sie keine Regierung gegen die AfD gebildet werden kann. Das ist kein gutes Zeichen für die Ukraine (mit dem Rest der Positionen des BSW kann ich leben, die sind auch nicht schlimmer als die der CDU im Hinblick auf Migration und co.).

Ich finde es durchaus überlegenswert, auch die CDU an der Regierung zu beteiligen (Stichwort Konkordanzdemokratie). Ein möglicher Vorteil würde darin bestehen, dass die Regierung sich stärker auf die Probleme der (breiteren) Bevölkerung konzentrieren könnte, statt auf teils destruktive Oppositionsarbeit der CDU (vorausgesetzt, die CDU würde diese Regierung nicht in FDP-Manier von Innen sabotieren). Ein Nachteil würde darin bestehen, dass jegliches Versagen der Regierung direkt der AfD als der einzigen Oppositionpartei zugute kommen könnte. Die Regierung müsste also jegliche Parteipolitik (und Bundesparteipolitik) hintenanstellen und sich einzig darauf konzentrieren, die besten Lösungen und Kompromisse für die brandenburger Bürger zu entwickeln.

Die Frage nach mehr Konkordanzdemokratie stellt sich mir auch im Bezug auf Thüringen, wo es dem Land ggf. nicht schaden würde, wenn CDU, BSW und Linke auch die „unnötige“ SPD in die Regierung aufnehmen würden.

Ich weiß nicht, ob das sinnvoll wäre. 72% der CDU-Wähler waren mit Kenia unzufrieden. Warum sollte das beim BSW plötzlich besser als bei grün sein.
Sowohl die CDU als auch ihre Wähler könnten mit einer CDU in der Opposition mehr profitieren, als dass man sich erneut in einer unbeliebten Koalition aufreibt.