NRW kürzt im nächsten Jahr die Leistungen für Wohlfahrts- und Sozialarbeit um 89 Millionen Euro. Der Haushaltsplanentwurf enthält so viele Kürzungen im sozialen Bereich wie nie zuvor. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben hierzu eine Broschüre erstellt, die dramatische Kürzungen darstellt:
Die Gefährdetenhilfe wird um 58% gekürzt, obwohl überall das Thema Sicherheit hoch gehalten wird.
Die Suchthilfe wird um 37% gekürzt, obwohl alle Experten davon sprechen, dass Deutschland eine neue Welle an Drogen bevorsteht.
Beratungsstellen und Projekte für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter*, nicht-binäre und queere
Menschen (LSBTIQ*) werden um 91% gekürzt.
Berufseinstiegsbegleitung wird um über 50%,
die Schuldnerberatung um 62%,
Landesförderung im Bereich Alter und Pflege um 53%,
Förderung der Integration Eingewanderter und des Zusammenlebens in Vielfalt um 63%
und viele weitere Kürzungen im Bereich Migration, Familienhilfe oder Armutsbekämpfung.
Hmm, offenbar brechen die Steuereinnahmen ein. Bevor da die Schuldenbremse gelockert wird, wäre noch interessant, warum. Und wo die Ausgaben gestiegen sind. Weil, wenn laufende Ausgaben über Schulden finanziert werden müssen, dann wird’s dunkel.
Ich finde diese massive Einschnitte fatal, zum einen sehe ich die Wirksamkeit von sozialen Maßnahmen zum anderen wirken sie einem gesellschaftlichen Auseinanderdriften entgegen. In England führen die Sparmaßnahmen im sozialen Bereich zu einer weiteren und steigenden Armut. Mütter stehlen Lebensmittel und Windeln, weil sie sich diese nicht mehr leisten können. Von Diesen Diebstählen sind dann auch noch vor allem die kleinen Läden in den Stadtteilen betroffen, die selbst nur mit geringen Margen kalkulieren und die Versorgung der nicht mobilen Bevölkerung sicher stellen. Aber natürlich werden die Reichen auch reicher.
Im Haushaltsjahr 2024 rechnet NRW mit 102,1 Milliarden Euro Einnahmen, im Jahr 2025 mit 105,5 Milliarden, als +3,3%.
Nun müsste man sich das im Detail anschauen, leider ist die Seite grade keine Wonne für den Vergleich mehrerer Jahre.
Hier sind die Unterschiede für das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales:
2024
2025
Differenz
Differenz Prozent
Grundsicherung
5944,46 Mio €
6661,94 Mio €
717,48 Mio €
12,07%
Krankenhausförderung, Krankenhausplanung
1062,40 Mio €
1230,40 Mio €
168,00 Mio €
15,81%
Forensische Psychiatrie (Maßregelvollzug)
620,51 Mio €
623,15 Mio €
2,64 Mio €
0,43%
Gesetzliche Leistungen im sozialen Bereich
357,96 Mio €
294,90 Mio €
-63,06 Mio €
-17,62%
Pflege und Alter, Förderung der Gesundheitsfach- und Pflegeberufe
268,72 Mio €
263,58 Mio €
-5,14 Mio €
-1,91%
Maßnahmen für das Gesundheitswesen
180,41 Mio €
188,69 Mio €
8,28 Mio €
4,59%
Gemeinschaftlich mit der EU finanzierte Förderungen von Arbeits- und Qualifizierungsmaßnahmen
175,00 Mio €
185,00 Mio €
10,00 Mio €
5,71%
Erledigung von Aufgaben durch kommunale Stellen
148,01 Mio €
189,86 Mio €
41,85 Mio €
28,28%
Ministerium
128,68 Mio €
135,06 Mio €
6,38 Mio €
4,96%
Arbeit, Berufsbildung, Berufsanerkennung und Fachkräfteoffensive
79,89 Mio €
57,11 Mio €
-22,79 Mio €
-28,52%
Sozialpolitische Maßnahmen, Bekämpfung von Armut und Wohnungslosigkeit
48,98 Mio €
44,66 Mio €
-4,33 Mio €
-8,83%
Versorgung der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter des Landes sowie ihrer Hinterbliebenen
Wieso sollte es dann dunkel werden, wenn laufende Ausgaben über Schulden finanziert werden? Bspw. wüsste ich nicht, inwieweit eine schuldenfinanzierte Förderung der Berufseinstiegsbegleitung oder der Integration Eingwanderter und des Zusammenlebens in Vielfalt sich auf lange Sicht nicht für den Staatshaushalt in Form höherer Steuereinnahmen rentieren würden. Vielmehr ist bei derartigen Kürzungen im Sozialbereich ein weiterer Anstieg von AfD-Wählern zu erwarten, was auf lange Sicht der wirtschaftlichen Situation in Deutschland wesentlich mehr schadet als Schulden…
Exakt. Hier ist die große ideologische Streitfrage, wie wir „Investitionen“ definieren.
Dass Infrastruktur eine Investition in die Zukunft ist, da sind sich alle einig.
Ob der Erhalt des „sozialen Friedens“ und die Förderung von „Bildung“ eine Investition ist, darüber wird (leider) gestritten. Nach dem Motto: Man kann diesen Dingen keinen monetären Wert zuordnen, den man bilanzieren könnte, deshalb sei es keine Investition.
Das ist natürlich kurzsichtig: Wir alle haben verinnerlicht, dass „Bildung eine Investition in die Zukunft“ ist - und wer das bestreitet, ist ein Narr. Sorry, dass ich da so deutlich werde. Selbstverständlich ist auch die Investition in Bildung, Sozialen Frieden und Integration monetär und nicht nur ideell langfristig lohnenswert, eben weil dadurch langfristig auch Werte geschaffen werden, die einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen erzeugen. Das wird nur ständig ausgeblendet.
Die Schuldenbremse ist sicherlich der Hauptgrund für die knappe Haushaltslage. Aber die Kürzungen sind dann doch auch eine Entscheidung der schwarz-grünen Regierung. Die Ausgaben erhöhen sich um 3 Milliarden auf 105,5 Milliarden Euro. Auf die Steigerung der Einnahmen hat schon „thunfischtoast“ hingewiesen. Hierbei handelt es sich auch um Leistungen des Bundes. Die Steigerung bei den Ausgaben zur Grundsicherung in Höhe von über 700 Millionen (siehe Tabelle von thunfischtoast) werden vom Bund übernommen (entsprechend höhere Einnahmen).
Also insgesamt wird über eine große Summe entschieden. Da muss es doch Spielräume geben, wo man spart, bzw. es ist eine politische Entscheidung, dass man so spart.
Da sind wir wieder beim Paradox. Die AfD bezeichnet solche Ausgabe als staatliche Geldverschwendung. Wenn also das Geld ausgegeben wird - gewinnt die AfD. Wenn es eingespart wird - gewinnt die AfD. Knifflig.
Nicht knifflig. Wenn das Geld ausgegeben wird und die Leute merken, dass sie mehr Geld haben, verliert die AfD. Nur wenn das Geld nicht ausgegeben wird, dann gewinnt die AfD.
PS: Natürlich eine sehr vereinfachte Darstellung. Aber im Podcast wurde ja auch schon erläutert, wie positiv sich Maßnahmen auswirken, die direkt bei den Menschen zu spürbaren Verbesserungen der Lebenssituation führen.
Es geht nicht bloß darum, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben. Aber sie müssen spüren, dass die Politik tatsächlich ihre Lebenssituation verbessert. Und dafür muss die Politik eben Geld in die Hand nehmen. ZB tut es der Akzeptanz von Windenergie gut, wenn die Leute merken, dass nach dem Bau des Windrads in der Gemeinde der Strompreis für sie sinkt. Oder wenn die zahlreichen Schlaglöcher in der Straße ausgebessert oder der Kita-Platz günstiger wird.
Diese Nachricht aus NRW Ist gruselig. Und genau das will die CDU, falls sie im nächsten Jahr an die Regierung kommt. Hendrik Wüst betreibt schon mal die so angekündigte Politik auf Landesebene. Leute, zieht euch warm an!