Aktuelle Degrowth Konferenz / Perspektiven aus der Postwachstumsökonomie?!

Liebes Lage-Team,

vielen Dank für das spannende Interview mit Rüdiger Bachmann vergangene Woche! Beim Hören kam mir die Idee, Euch aus aktuellem Anlass auf eine andere ökonomische Forschungsrichtung aufmerksam zu machen, die gerade in Forschung und teilweise auch Politik deutlich Zuspruch gewinnt: In dieser Woche tagt nämlich im spanischen Pontevedra eine kombinierte Konferenz zu Degrowth und Ecological Economics.

Grob gesagt geht es darum, wirtschaftliche Aktivitäten als Teilsystem von Gesellschaft und Umwelt zu betrachten und danach auszurichten, diesen beiden zu nützen, anstatt sich scheuklappenartig auf Kennzahlen des Wirtschaftswachstums zu fokussieren. Diese Sichtweise ist meines Erachtens hochaktuell angesichts der aktuellen Wirtschaftssituation in Deutschland und auch den laufenden Haushaltsverhandlungen. In der Forschung gewinnt Degrowth in den letzten 20 Jahren stetig Zulauf und seit der Beyond Growth Konferenz, die 2023 von EU-Parlamentarier:innen in Brüssel ausgerichtet wurde, kommt sie nach und nach auch im politischen Mainstream an (wenn auch in Deutschland bisher deutlich weniger als in anderen EU-Ländern).

Im Sinne eures konstruktiven Journalismusverständnisses kann ich mir gut vorstellen, dass es spannend wäre, Vorschläge aus der Postwachstumsökonomie auch einmal in der Lage zu besprechen. Im Vergleich zu den Positionen von beispielsweise Rüdiger Bachmann könnte man auf diese Weise auch gut diskutieren, wie man Politikfelder wie Klimapolitik aus unterschiedlichen demokratisch-politischen Lagern verschieden angehen kann - ohne wissenschaftliche Fakten zu bestreiten oder zu ignorieren.

Anbei einige weiterführende Links und nochmal ein großes Dankeschön für Eure tolle Arbeit!

Die Website der aktuellen Konferenz in Pontevedra: Science, Technology, and Innovation beyond growth: Cultivating collective creativity for a sustainable future | International Degrowth Conference 2024
Ein ausführlicher, kritischer und gut aufbereiteter Artikel zum Thema aus dem vergangenen Jahr: The Relentless Growth of Degrowth Economics
Matthias Schmelzer, ein führender deutscher Forscher auf dem Gebiet: https://uni-flensburg.academia.edu/MatthiasSchmelzer

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Das ist für einen politischen Podcast ein ebenso komplexes und schwer durchschaubares Thema wie die Thesen der Modern Monetary Theory (MMT):

Es gibt innerhalb dieser Richtung viele unterschiedliche Ausrichtungen von „Zurück auf das Niveau der 70er - hat doch völlig gereicht“ bis „wir müssen einfach nur ‚grün‘ wachsen, dann wird alles gut“. Und: Wie MMT durch wenig empirische Studien hinterlegt und von der Mainstream-Volkswirtschaftslehre wenig beachtet und bewertet. Wo soll das ein politischer Podcast anfangen?

Dass wir bei der Art unseres heutigen Wachstums viel mehr Ressourcen verbrauchen als regeneriert wird, wissen wir seit den 80er Jahren (Club of Rome).

Da möchte und muss ich entschieden widersprechen!

Zur Händelbarkeit der wissenschaftlichen Komplexität & als Ansatzpunkt für einen Politikpodcast habe ich die drei Referenzen verlinkt, die meines Erachtens einen guten ersten Überblick verschaffen können. Natürlich gibt es darüber hinaus viele weitere Ressourcen, aber an dieser Stelle geht es meines Erachtens um einen Einstieg bzw. den Blickwinkel von politischem Journalismus.

Und auch inhaltlich möchte ich korrigieren: Bei Degrowth / Postwachstum wird die von Ihnen zitierte These, Wirtschaftswachstum systemimmanent „grün“ zu machen, hinterfragt und abgelehnt. Diese Position ist also genau keine Strömung innerhalb der Postwachstumsökonomie, sondern die Kritik daran ist ihr primärer Ausgangspunkt. Und als Teilnehmerin besagter Konferenz kann ich auch die Zweifel an der wissenschaftlichen Untermauerung - theoretisch wie empirisch - mit Nachdruck ausräumen!

Ihrer Einschätzung, dass Wachstumskritik inzwischen auf eine 50-jährige Geschichte und Entwicklung fußt, stimme ich natürlich zu. Gerade deshalb - und angesichts des aktuellen Zulaufs an Relevanz und Interessent:innen - halte ich die Positionen der Postwachstumsökonomie für höchst geeignet für einen Politikpodcast wie die Lage! :slight_smile: