Abschiebung nur wegen Like ohne Gerichtsprozess?!

Offenbar ist geplant, die Meinungsfreiheit für uns Ausländer*innen defacto abzuschaffen. Ein einfaches Social Media Like reicht dann u. U. als Grund für eine direkte Abschiebung.

Ich würde mich freuen, wenn ihr das mal rechtlich einordnen könntet.

Hier ein Zitat dazu aus der Zeit (Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Wer terroristische Straftaten verherrlicht oder Hasskommentare verbreitet, soll künftig ausgewiesen werden können. Das Bundeskabinett billigte nach Angaben aus Regierungskreisen einen entsprechenden Entwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Demnach soll neben dem Verbreiten terrorverherrlichender Inhalte auch schon das Markieren eines Beitrags in den sozialen Medien mit „Gefällt mir“ ein ausreichender Grund für eine Abschiebung sein.

[…] Laut ihrem Entwurf soll ein besonders schwerwiegendes Interesse des Staates an einer Ausweisung auch dann angenommen werden, wenn jemand bestimmte Straftaten in einer Art und Weise billigt und belohnt, die den öffentlichen Frieden stören könnte. In solchen Fällen müsste eine strafgerichtliche Verurteilung vor einer Ausweisung nicht mehr abgewartet werden.

(Quelle Zeit Online Migrationspolitik: Kabinett beschließt erleichterte Ausweisung nach Terrorverherrlichung | ZEIT ONLINE)

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Ich nutze likes als bookmark, als Anerkennung eines sinnvollen Debattenbeitrags, ohne das Argument zu teilen, als like, im klassischen Sinne der Zustimmung usw usf.
Die Politisierung des likes ist sein gleichzeitiges Ende.

Wenn die Regierung nun behauptet dass es nur um krasse terror Posts ginge, dann sein daran erinnert, dass die Präventivhaft in Bayern, eingeführt um radikale Islamisten zu stoppen, inzwischen gegen Klimakleber verwand wird.

Die Intention ist gut, die (geplante) Umsetzung eine Katastrophe.

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Gibt es denn schon eine rechtliche Einschätzung wie likes bei Straftaten zu werten sind? Beatrix von Storch ist damals ja auch nur „mit der Maus ausgerutscht“ als es um den Einsatz von Schusswaffen auf Flüchtlinge ging.

Das ist nur ein neues Kriterium um eine Abschiebung zu rechtfertigen. Der Rechtsweg gegen den Bescheid kann natürlich trotzdem weiter begangen werden.
Ich glaube aber nicht, das hier allzuviel zu erwarten ist. Zwar gibt es eine breite Regierungsmehrheit, die hinter der Änderung steht, aber bisher sind alle Versprechen im Sande verlaufen.

Wer aber Terrorismus und Morde feiere, und so die liberale Grundordnung verhöhne, der habe sein Bleiberecht verwirkt. Deshalb werde das Aufenthaltsrecht entsprechend geändert. „Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht“, sagte Habeck.

Da steht, dass keine strafgerichtliche Verurteilung nötig ist. Ich nehme an, dass trotzdem ein Gericht die Abschiebung anordnen muss?

Aber auch das kann gefährlich werden. Die GFF hat hierzu schonmal einen Fall verhandelt: GFF unterstützt Revision: Geflüchteter verurteilt, weil er einen Deutsche Welle-Artikel auf Facebook geteilt hat - GFF – Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V.

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Zur Ergänzung: Gegen die Anordnung der Abschiebung dürfte man trotzdem mittels Anfechtungsklage vorgehen können, oben zitierter Passus bezieht sich „nur“ darauf, dass keine strafrechtliche Verurteilung nötig sein soll. Rechtsstaatlich dennoch höchst fragwürdig.

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es wird schon stimmen, dass es sich am Ende eher um Symbolpolitik handelt. ABER: 2 bedenkenswerte Aspekte -

  1. Meinungsfreiheit
    Die blosse Drohung führt doch für mich als Ausländer*in schon zu Einschüchterung und dazu, dass ich im Zweifel eine Meinung lieber nicht kundtue. Damit ist ein Teil der Meinungsfreiheit durch die Schere im Kopf passé. Geteilte Meinungsfreiheit ist aber gar keine Meinungsfreiheit (imho).

  2. Gut gemeint in falschen Händen
    Man stelle sich einfach nur kurz vor, wie eine AFD-Innenministerin ab Herbst in Thüringen von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch machen wird.

Fazit: von der guten Intention in einem schlechten Gesetz bleibt auf Dauer lediglich das schlechte Gesetz. Ach, und die gute Intention spreche ich Frau Faeser bei dieser Sache sowieso ab. Das ist reiner Populismus auf dem Rücken einer Minderheit.

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Diesen Vorwurf hört man auch oft aus rechten und schwurbler Kreisen. Beim Aufruf zu Mord und Terrorakten oder deren Verbreitung handelt es sich aber im Allgemeinen nicht um sinnvolle Debattenbeiträge, die es durch die Meinungsfreiheit zu schützen gilt. Vielmehr verlieren wir an Meinungsvielfalt, wenn sich jüdische Mitmenschen oder Islamismuskritiker wie Salman Rushdi nicht mehr trauen in der Öffentlichkeit aufzutreten.

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Diese Fälle regeln doch die bereits angewandten Einschränkungen von Art. 5 schon ganz gut. Aber die besagten Schwurbler werden dennoch nicht ihrem ordentlichen Richter entzogen. Die krasse Veränderung für Ausländer*innen durch die geplante Massnahme ist aber die Möglichkeit zum Vollzug einer Abschiebung ganz ohne vorherige Verurteilung, wenn ich das richtig verstanden habe. Das, meine ich, würde die Meinungsfreiheit auf ganz neue Art und Weise einschränken.

Allerdings zeigt die Debatte um die Drohung strafrechtlicher Konsequenzen und Fördermittel gegen die Unterzeichner einer Solidaritätserklärung mit friedlichen Protestierenden, dass die Schere im Kopf durchaus auch schon früher ansetzen kann.

Ich würde Menschen mit arabischem Hintergrund schon heute raten, sich bei auch nur ansatzweise unsicherem Aufenthaltsstatus mit öffentlichen Äußerungen zu bestimmten Themen extrem zurückzuhalten.

Im Übrigen ist das auch der Unterschied zu „Rechten und Schwurblern“. Diese genießen in aller Regel den vollen Schutz unserer Gesetze und der Verfassung. Worüber die sich beschweren sind nicht juristische Sanktionen wegen ihrer dämlichen Meinungen (Dinge wie Holocaustleugnung oder Volksverhetzung mal außen vor), sondern dass man sie wegen dieser Meinungen doof findet und das auch öffentlich kundtut.

Ausländer leben dagegen in einem sehr viel prekärerem Verhältnis zum deutschen Rechtsstaat. Schon der Ermessensspielraum von Sachbearbeitern in irgendeiner Behörde kann hier zu extremen Verwerfungen der persönlichen Lebenssituation führen.

Absolut. Aber wir verlieren genauso Meinungsvielfalt, wenn sich ein Migrant nicht mehr traut friedlich gegen den Krieg in Gaza zu demonstrieren, weil er vielleicht auf einem Foto auf Twitter neben einem bekannten Islamisten zu sehen ist und deshalb abgeschoben wird. Oder weil er einen Beitrag auf Facebook liked, der die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ enthält, weil irgendeine Behörde entschieden hat, dass das extremistisch ist.

Ich persönlich finde, dass wir keine zwei „Regelsätze“ für „Bürger“ und „Ausländer“ haben sollten. Meinungsäußerungen sollten entweder für alle strafbar, oder für alle juristisch ohne Konsequenzen sein. Wenn ich nicht will, dass Person X wegen einer bestimmten Meinung eingebürgert wird, dann ist es nur konsequent, dass ich die schon eingebürgerte (oder mit deutscher Staatsbürgerschaft geborene) Person Y mit gleicher Meinung deshalb sanktioniere.

Wenn ein „Like“ unter solchen Posts als „Verbreitung“ zählt, dann ist das schon heute illegal und damit schon heute ein Grund für ein Strafverfahren und bei Verurteilung u.U. die Ausweisung. Habe ich grundsätzlich nichts gegen, aber dann bitte auch Strafverfahren gegen die Rechten, die ihre Likes unter die Aufrufe zum Mord an Migranten setzen.

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:+1::clap: :point_up_2:

Zumal Artikel 5 GG für alle Menschen unterschiedslos gelten sollte:
§§§ Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten [...] §§§

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Absolut. Solange etwa die Präsidentin einer Berliner Universität Likes für einen israelischen Politiker mit Hakenkreuz verteilen kann (noch dazu von einem Account mit Russlandflagge im Namen, der vor allem Putinpropaganda verbreitet) und dies NULL Konsequenzen für sie hat, finde ich es absurd, anderen Menschen wegen so etwas den Aufenthaltsstatus aberkennen oder sie gar abschieben zu wollen.

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Aber auch dieses Grundrecht hat seine Grenzen, zB Volksverhetzung. Ich würde mir wünschen, dass das gutheißen von und Aufruf zu Terror und Gewalt sowie antisemitische Äußerungen ebenfalls das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung begrenzen würde. Ich glaube, das ist auch der Fall. Daher weiß ich auch nicht, warum es dafür jetzt wieder neue Gesetze geben muss.

Leider stehen wir vor dem Problem, dass viele meiner Meinung nach statthafte Meinungsäußerung heutzutage als antisemitisch gebrandmarkt werden. Zum Beispiel der Brief, den Frau stark Watzinger als antisemitisch bezeichnet hat, ihn gelesen hat, weiß, dass das nicht der Fall ist!.

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Dein Wunsch in allen Ehren, aber aus rechtlicher Sicht ist es m. E. schon fraglich, ob ein Like für eine Äußerung strafrechlich(!) mit dem Tätigen dieser Äußerung gleichgesetzt werden kann, sprich: Ist ein Like für einen volksverhetzenden Post dasselbe wie das Verfassen eines volksverhetzenden Posts. Hinzu kommt noch, dass der Straftatbestand der Volksverhetzung ja erst durch ein Gericht festgestellt werden muss. Dieser Standard müsste dann für Likes auch gelten.

Stark-Watzinger hat den Offenen Brief bzw. die Unterzeichner scharf kritisiert, aber bist du sicher, dass sie ihn als antisemitisch bezeichnet hat?

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Interessant wird es, wenn man die Funktionalität eines Likes betrachtet. Der führt nämlich in der Regel dazu, dass ein Beitrag öfter im Feed anderer Leute angezeigt wird. Jedenfalls muss man als Nutzer damit rechnen. Hat jemand eine Ahnung, ob Gerichte daraus schon eine aktive Verbreitung von Inhalten abgeleitet haben?

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Wobei zumindest bei einem einzelnen Like auch ein Versehen in Betracht gezogen werden muss. Das geht auf Social Media am Smartphone schon auch mal schnell. Aussagekräftig finde ich daher erst eine größere Zahl an Likes.

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Ausser, wenn jemand „nur“ abgeschoben werden soll. Dafür muss dann plötzlich kein Gericht mehr irgendwas feststellen. Das ist das eigentlich neue. Und genau das ist aus meiner Sicht zugleich so problematisch. Deswegen meine Hoffnung, dass das Thema im Podcast aufgegriffen werden kann.

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Ist so. Aber die Abschiebung hätte dann schon stattgefunden nach der Vorstellung von Frau Faeser (und jetzt auch der des Bundeskabinetts).

Konkret sollen folgende Änderungen im Ausweisungsrecht vorgenommen werden:

  • Für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe c Aufenthaltsgesetz reicht künftig anders als bisher bereits das Billigen bzw. Werben für eine einzelne terroristische Straftat Künftig kann damit schon ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen.
  • Zudem wird eine neue Fallgruppe für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse in § 54 Abs. 2 Nr. 3a Aufenthaltsgesetz eingeführt, wenn der Straftatbestand des § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) verwirklicht Eine strafgerichtliche Verurteilung muss hierfür noch nicht erfolgt sein.

Quelle: BMI - Presse - Ausländer, die terroristische Taten verherrlichen, sollen ausgewiesen und abgeschoben werden können

Wobei gegen einen Abschiebungsbescheid auch vor Gericht Widerspruch eingelegt werden kann. Folgt daraus nicht, dass dann ein Gericht feststellen müsste, ob der Straftatbestand nach §140 StGB auch tatsächlich vorliegt? Wäre die Beweislast von Seiten des Staats dann nicht ähnlich hoch, wie im Strafverfahren selbst? Kann da ein Jurist was zu sagen?

Allerdings gibt es natürlich in jedem Fall den Effekt, dass der Ausländer in ein langwieriges Verfahren, u.U. bei gleichzeitiger Abschiebehaft hineingezogen wird. Insofern macht es so oder so Sinn, diese Novelle kritisch zu hinterfragen.

Edit: Interessant fände ich auch, wie weit der §140 StGB von den Gerichten üblicherweise ausgelegt wird. Würde dafür ein Plakat mit „from the river to the sea“ schon ausreichen, oder eine allgemeine Sympathiebekundung mit der Hamas? Oder braucht es dafür eine sehr spezifische Billigung einer bestimmten Straftat?

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Ich verstehe nicht, wie man hier fordern kann Terrorverherrlichung von Ausländern zu dulden, nur weil es bei Einheimischen so wenige Konsequenzen gibt. Meiner Ansicht nach zählt hier jedes Bißchen Widerstand, es ist eher bedauerlich, dass es bei Einheimischen nicht auch härte Folgen hat.
Wer islamistische, russische oder chinesische Propaganda verteilt (und das bewirken Likes), der macht mit den Feinden nicht nur Deutschlands oder Europas, sondern des ganzen Westens gemeinsame Sache und muss bestraft werden, sonst erlauben wir solchen Ideologien damit nach und nach unsere ganze Gesellschaft zu zersetzen.
Wehrhafte Demokratie fängt nicht erst da an, wo schon der Einzug in die Parlamente droht, und Meinungsfreiheit im amerikanischen Sinne ist hier meiner Ansicht nach völlig fehl am Platz.

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Wie ich mehrfach geschrieben habe, bin ich einer härteren Sanktionierung gewaltverherrlichender Meinungsäußerungen gegenüber offen eingestellt. Aber dann eben bitte für alle und im selben rechtsstaatlichen Rahmen. Es gibt hier meiner Ansicht nach keinerlei Grund, Ausländer anders zu behandeln als Bürger – schließlich ist Gewaltverherrlichung nicht schlimmer oder netter abhängig vom Pass des Schuldigen oder der politischen Ausrichtung.

Eine Ungleichbehandlung birgt dagegen die reale Gefahr der ungleichen Meinungsunterdrückung (Schere im Kopf) und unverhältnismäßigen rechtlichen Konsequenzen bei Ausländern. Hinter der Maßnahme steht meiner Ansicht nach auch weniger eine sachlich bedingte Erwägung, sondern eher das Bedürfnis sich bei „migrationskritischen“ Bevölkerungsschichten zu profilieren.

Wir bestrafen Mord oder Fahrerflucht ja auch nicht härter, nur weil der Täter ein Ausländer ist.

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