Zwangsbezug eines Semestertickets trotz Deutschlandticket?

Ab dem 1. Mai 2023 werden in Deutschland alle Mitbürger die Möglichkeit haben für 49€ das Deutschlandticket zu erwerben. Diese Möglichkeit werden natürlich auch Studenten haben, jedoch kann man meiner Meinung nach argumentieren, dass sie dies nicht zum selben Preis können, denn wie jeder Student in Deutschland bin ich dazu gezwungen das Semesterticket zu kaufen. In meinem persönlichen Fall sind es circa 200€ für das nächste Semester, also ungefähr 33€ im Monat um damit den Nahverkehr in NRW nutzen zu können.

Rechtliche Lage zum Zwangsbezug durch das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht:
Nach dem Beschluss vom 4.8.2000 (Bundesverfassungsgericht - Entscheidungen - Zwangsbezug des sog Semestertickets durch Beitragszahlungen zur Studierendenschaft verhältnismäßig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden) wird die Verfassungsbeschwerde gegen den Zwangsbezug nicht angenommen, wodurch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.5.1999 rechtskräftig ist. In meinen Worten werden vom Bundesverwaltungsgerichts die folgenden Punkte aufgeführt:

  1. Unterschiedlicher Nutzen für jeweilige Studenten
  2. „Hinsichtlich der Erforderlichkeit des Semestertickets stellt das Bundesverwaltungsgericht maßgeblich auf den Umfang der Verbilligung von über 75 % ab“
  3. Belastung durch das Semesterticket für den einzelnen Studenten nicht unzumutbar

Eigene Meinung dazu:
Während ich den Punkten 1 & 3 weiterhin zustimme, ist der Punkt 2 nicht mehr gegeben (33% Einsparung, wenn man die Vorteil vom Deutschlandticket ignoriert) und dies verändert meiner Meinung nach die Bewertung der Situation maßgeblich.
Außerdem muss man das Verhalten der Länder in diesem Thema als mangelhaft bezeichnen. In meine Fall lief gestern die Frist für die Bezahlung des Tickets ab und ich habe keine Ahnung, ob und falls doch, was für eine Einigung zwischen Astas, Hochschulen und Ländern getroffen wird. In der jetzigen Situation muss ich davon ausgehen, dass ich 72€ pro Monat für das Deutschlandticket zahlen werde.

Ich würde mich über eine rechtliche Einschätzung dieser Situation freuen!

Nein, auch du bezahlst für das Deutschlandticket 49€, so wie jeder andere. Dazu kommen dann noch 33€ für ein Ticket, dessen Mehrnutzen durch den fehlenden Rahmen nicht beurteilt werden kann.

Als Autofahrer der sich das Deutschlandticket kauft beschwere ich mich ja auch nicht, dass ich 49€ + X bezahle, weil ich meine Spritkosten, die ich weiter habe, einfach draufaddiere.

Das ist nicht vergleichbar. Als Autofahrer kannst du dich frei entscheiden, dein Auto zu nutzen oder den ÖPNV. Als Studierender hast du keine Wahl, du MUSST das Semesterticket kaufen.

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Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass in Deutschland kein Semesterticket Zusatzleistungen bietet, die im 49€-Ticket nicht enthalten sind.
Also nein, der Rahmen kann sehr gut beurteilt werden.

Ich gebe zu, der Vergleich hinkt etwas. Aber ob man sich wirklich frei entscheiden kann ist nochmal eine andere Debatte, die nichts daran ändert, (…)

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Natürlich ist meine Formulierung etwas polemisch, jedoch steht dein Vergleich diesem in nichts nach. Meine komplette Argumentation basiert auf dem Zwang ein Semesterticket zu kaufen. Ein passender Vergleich zum Autofahrer wäre als nur dann gegeben, wenn der Staat dich zwingt im Monat für 33€ Sprit zu kaufen, welchen du am Ende des Monats abgeben muss, wenn du ihn nicht verbrauchst. Außerdem darf der Sprit nur im Bundesland (oder dem entsprechenden Geltungsbereich des Semestertickets) verfahren und als direkte Alternative zum ÖPNV genutzt werden.

Nach aktuellem Stand ist es durchaus möglich, dass viele Busunternehmer das Deutschlandticket nicht akzeptieren werden:

Es ist also denkbar, dass man in einer Stadt studiert, in der man mit dem Deutschlandticket nicht zur Uni kommt, mit dem Semesterticket aber schon.

Da dazu aber die Details fehlen, kann man es nicht beurteilen.

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Könntest du präzisieren, ob in deinem Fall das 49€-Ticket das Semesterticket abdecken würde?
Für den Raum Nürnberg gilt, dass Schüler momentan z.B. ein 365€-Ticket bekommen, Für die gilt definitiv, dass es eine Doppelabdeckung geben würde.

  • Fahrradmitnahme,
  • Mitnahme einer weiteren Person zu Randzeiten,

sind bei vielen Semestertickets (und Jobtickets) enthalten, aber nicht beim Deutschlandticket.

Das D-Ticket ist an vielen Orten weder ein reines Upgrade noch ein reines Downgrade bestehender Semester- und Jobtickets.

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Also hier im VRR hatte das Semesterticket immer zwei Vorteile:
Erstens darf man ab 19 Uhr und am Wochenende ganztags eine Person kostenfrei mitnehmen.
Zweitens darf ganztags ein Fahrrad mitgenommen werden. Das ist vor allem für die letzte Meile relevant, wenn der Wohnort oder gar die Uni nicht perfekt an den ÖPNV angebunden ist.

Das dürfte in der Tat nicht haltbar sein. Also es kann meines Erachtens nicht angehen, dass das Semesterticket teurer ist als das normale Ticket, auch dann nicht, wenn die oben genannten Zusatzleistungen enthalten sind.

Ein gleich teures Semesterticket mit Zusatzleistungen wäre vertretbar - oder ein auf Grund des Solidarprinzips günstigeres Semesterticket ohne Zusatzleistungen.

Naja, diese über 75% wird man generell nicht erreichen können, sonst würde das Semesterticket ja nur 12 Euro kosten, das wäre offensichtlich kein Deal, auf den sich die Verkehrsverbünde einlassen können, ohne dass der Staat hier etwas zuschießt. Kurzum: Rein auf Grundlage des Solidarprinzips, durch das die Verkehrsverbünde zusätzliche Tickets verkaufen (z.B. auch an autofahrende Studierende), ließe sich vielleicht ein Preis von 39 Euro, mit viel gutem Willen vielleicht auch 29 Euro, realisieren, aber ganz sicher kein Preis von 12 Euro. Da muss man schon realistisch bleiben.

Es werden in jedem Fall wieder Studierende klagen. Die Frage ist tatsächlich, wie das BVerwG die Sache dann beurteilen wird. Ist ein erzwungenes Solidarticket noch verhältnismäßig, wenn das für jedermann erhältliche Monatsticket mit 49 Euro im Monat nur knapp 50% teurer ist, als das Semesterticket vielerorts zuvor war, dafür aber auch deutschlandweit gültig ist.

Das kommt vermutlich auch auf die Konditionen an, die die Asten aushandeln können. Wenn das Solidarticket z.B. nur 29 Euro kostet, ist es gut möglich, dass das BVerwG bei der alten Rechtsprechung bleibt, bei 39 Euro erscheint das schon zweifelhaft, wenn wir von 20% Nicht-Nutzern ausgehen, zu sagen: „Damit 80% der Studierenden 10 Euro im Monat sparen können, müssen 20% 40 Euro im Monat zahlen“. Hier kommen wir einfach in ein Territorium, in dem der Solidaraspekt nicht mehr stark genug ist, um ein Zwangsticket zu rechtfertigen. Bei 49+ Euro stellt sich die Frage gar nicht mehr: Dann wäre ein erzwungenes Semesterticket relativ offensichtlich nicht mehr verhältnismäßig…

Das zeigt auch schon, dass die Asten unter einem großen Druck stehen, einen guten Deal auszuhandeln, da von der Qualität dieses Deals letztlich die Wahrscheinlichkeit abhängt, ob das BVerwG die Sache durchwinken wird. Es ist durchaus möglich, dass die Einführung des 49-Euro-Tickets das Ende des Semestertickets besiegelt, wenn kein guter Deal möglich ist…

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Ich verstehe das Thema nicht, das Semesterticket soll doch für den ÖPNV sein, also Nahverkehr.
Dasselbe soll doch das Deutschlandticket abdecken, nur halt vereinfacht anstatt vieler verschiedener Semestertickets.
Dann steht einem doch frei, ob man das Deutschlandticket überhaupt kaufen möchte.
Wie gesagt, es ist ja eigentlich nicht für den Fernverkehr gedacht.
Außerdem hat das Semesterticket ja wie oben beschrieben ja noch andere Vorteile.

Das steht einem aber eben nicht frei, wenn man gezwungen ist, das Semesterticket zu beziehen - und darum geht es hier. Wenn das Semesterticket weiterhin nur regional gültig ist, ist der zwangsweise Bezug für viele Studierende, die ohnehin für Heimfahrten das Deutschlandticket kaufen wollen, obsolet, wenn das Semesterticket hingegen das Deutschlandticket beinhaltet, aber teurer oder ähnlich teuer ist wie das Semesterticket, stellt sich die oben erörterte Frage, ob der zwangsweise Bezug noch angemessen ist.

Ist das denn geplant, dass das Deutschlandticket im Semesterticket enthalten sein soll?
Wie gesagt, das Semesterticket ist eigentlich für den ÖPNV, nicht um sich mit 20-maligem Umsteigen Fernverkehr zu basteln. Dafür soll auch das Deutschlandticket nicht da sein, nämlich ÖPNV und nicht Urlaubsreisen.

Nö, deshalb habe ich ja beide Szenarien beschrieben:

Szenario 1:
Das Semesterticket ist weiterhin ein „regionales“ Ticket. Dann wird es viele Studierende geben, die regelmäßig Freunde und Verwandte außerhalb ihrer Region besuchen wollen. Für diese wäre das Semesterticket dann völlig obsolet, weil sie ohnehin das Deutschland-Ticket kaufen müssen, um ihre Freunde / Verwandten zu besuchen. Der Anteil der Studierenden, die gegen ihren Willen ein Semesterticket kaufen müssten, würde damit signifikant steigen, sodass die Frage, ob der zwangsweise Erwerb des Semesterticket noch angemessen ist, neu erörtert werden müsste.

Szenario 2:
Das Semesterticket ist ein Deutschlandticket, vielleicht mit ein paar Extras im örtlichen Verkehrsverbund. In dem Fall ist die Frage, ob der zwangsweise Erwerb des Semestertickets angemessen ist, davon abhängig, wie groß der durch das Solidarprinzip erreichbare Preisvorteil ist. Die in der Vergangenheit um die 70% liegenden Rabatte machten es in jedem Fall verhältnismäßig, ein paar wenige Studierende (i.d.R. die mit Auto) zu zwingen, das Ticket zu kaufen. Wenn der Rabatt aber nur bei 40% (29€-Ticket), 20% (39€-Ticket) oder gar noch niedriger liegt, muss auch hier neu erörtert werden, ob die Vorteile für die Gesamtheit der Studierenden die Nachteile für den Einzelnen so deutlich überwiegen, dass es verhältnismäßig ist.

Das wiederum ist den Betroffenen selbst zu überlassen.

Wer viel Zeit hat (Arbeitslose, Studenten…) und das Deutschlandticket nutzen will, um damit quer durch Deutschland zu fahren, hat auch jedes Recht dazu. Wenn also Studierende für die Wochenend-Besuche eine längere Fahrzeit gegenüber dem ICE akzeptieren, ist es auch völlig im Sinne des Deutschlandtickets, dies für diese Besuche zu nutzen.

Auch das Schöne-Wochenend-Ticket wurde schon immer genutzt, um in Kleingruppen günstig quer durch Deutschland zu kommen. Von 2001 bis 2006 war ich z.B. jedes Jahr damit auf dem Wacken Open Air, weil’s einfach der günstigste Weg war, am Sonntag vorher mit dem Wochenendticket hinzufahren und am Sonntag danach zurück…

Natürlich, aber dann müssen sie entweder mehr bezahlen (Semesterticket leistet auch mehr) oder zusätzlich das Deutschlandticket.
Ob das Solidarprinzip ausreicht, kann ich nicht beurteilen.

Wer ist denn für die Entscheidung, ob es ein verpflichtendes Semesterticket gibt zuständig? Gibt es dafür nicht Asta/Stupa? Bei mir an der Uni gab es vor einiger Zeit eine Abstimmung über die Frage, ob das Studierendenticket verpflichtend in den Semesterbeitrag inkludiert werden soll. Die Mehrheit der Studierenden war dagegen und jetzt haben wir weiterhin ein „Semesterticket light“ und einen deutlich geringeren Semesterbeitrag.
Davon ausgehend, dass das auch in anderen Städten möglich ist, sehe ich das Problem des „Zwangsbezugs“ nicht.

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Dann hoffe ich, dass Wissing das genauso sieht und nach Jahrzehnten des Wartens endlich die Strecke München-Plattling (Plattling-Passau ist durch Nürnberg-Passau versorgt) an das Fernverkehrsnetz anbindet.
Würden auch unsere österreichischen Nachbarn sehr begrüßen.
Bis dahin wird es vielen Studenten so gehen, dass sie gar nicht anders können als mit Bummelzügen zu fahren.

Das Problem besteht, wenn die Mehrheit der Studierenden für ein Ticket ist, da in diesem Fall die Minderheit zum Ticket gezwungen wird. Genau hier stellen sich die oben gestellten Fragen, inwiefern das verhältnismäßig ist, daher inwiefern der AStA die Berechtigung hat, diese Ticketkaufpflicht für die unwilligen Studierenden abzuschließen.

Also einfach zu sagen: „Das war halt eine demokratische Entscheidung, das muss die Minderheit akzeptieren“ macht es zu einfach, da die Eingriffsintensität bei einem Kostenfaktor von teilweise fast 500 Euro im Jahr bezogen auf die finanziell eher schwache Situation vieler Studierender eben schon recht groß ist, entsprechend muss es gute Gründe für einen derart starken Eingriff geben. Dieser Grund wird nach der aktuellen Rechtsprechung darin gesehen, dass das Semesterticket für diejenigen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, 70% und mehr vergünstigt ist. Wenn das durch das Deutschlandticket nicht mehr der Fall ist, stellt sich daher die Frage nach der fortgesetzten Verhältnismäßigkeit.

Wenn wir die Debatte nun wirklich in-depth angehen wollen würden, müsste man auch noch mal die rechtliche Lage zum Thema Vereinigungsfreiheit thematisieren, da bereits die Zwangsmitgliedschaft der Studierenden in der verfassten Studentenschaft (als öffentlich-rechtliche Körperschaft) in der Literatur vielerorts als problematisch im Hinblick auf die „negative Vereinigungsfreiheit“, also das Recht, nicht gegen den Willen Mitglied in Vereinigungen zu werden, angesehen wird. Denn auch diese Zwangsmitgliedschaft muss mit kollidierendem Verfassungsrecht gerechtfertigt werden (da kein Verbotstatbestand nach Art. 9 Abs. 2 GG vorliegt und es sonst keine Schranken einfachen Gesetzes gibt), steht aber auf relativ tönernen Füßen, da die verfassungsmäßige Rechtfertigung dieses Eingriffs aktuell einzig aus dem Mitwirkungsrecht der Studierenden im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit konstruiert wird, was schon sehr weit hergeholt ist.

Kurzum:
Die Sache ist juristisch betrachtet schon sehr komplex und keinesfalls so einfach, dass man sagen könnte: „Also wenn die Mehrheit der Studierenden das Ticket wollen muss die Minderheit das akzeptieren“. Auch wenn ich persönlich klar pro-Semesterticket bin, muss ich anerkennen, dass die juristische Lage auf der Kippe steht und in beide Richtungen fallen kann.