Zuverlässigkeit von Schnelltests

Hallo zusammen
Die Bedeutung von Schnelltests nimmt zur Zeit immer weiter zu. Sie sollen nun zum Beispiel in Schulen ausgerollt werden, aber auch einige Städte nehmen an Pilotstudien teil, bei denen man sich für eine gewisse Zeit mithilfe von Schnelltests „freitesten“ kann. Auch in der Lage fordert ihr schon seit längerem, flächendeckend Schnelltests anzubieten.

Umso erschreckender fand ich diese Woche den Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der über eine Studie der Cochrane-Organisation berichtet, welche sich mit der Zuverlässigkeit der Schnelltests befasst.

Hier einige Zitate:

„Die besten Tests sind gut bis sehr gut darin, Infizierte zu erkennen, die Symptome haben und damit wahrscheinlich besonders viele Viren ausstoßen. Der massenhafte, ungezielte Einsatz hingegen scheint nicht zielführend zu sein.“

„In die Auswertung flossen überwiegend solche Schnelltests sein, für die geschultes Personal die Proben von den zu untersuchenden Personen nahm.“

„Im Durchschnitt erkannten die untersuchten Schnelltests 72 Prozent der Infizierten korrekt - wenn diese Symptome hatten.“

„Symptomlos Infizierte detektierten die Tests hingegen nur zu 58 Prozent.“

„[…] allgemein hohe Quote an falsch-negativen Ergebnissen […]“.

„Gemäß der Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO sollten Schnelltests mindestens 80 Prozent der Infizierten erkennen und mindestens 97 Prozent der Nicht-Infizierten. An diese Werte kommen nur die besten Produkte im test heran, und auch nur dann, wenn die Testpersonen Symptome zeigten.“

Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Schnelltests und der Tatsache, das wahrscheinlich ein Gros der Menschen, die sich in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Stadt testen lassen wollen, symptomfrei sein dürfte (sonst würden wahrscheinlich viele von ihnen vernünftigerweise von sich aus zu Hause bleiben), finde ich es wirklich erschreckend, dass es nur etwas mehr als eine 50:50 Chance ist, per Schnelltest korrekt eingestuft zu werden. Zumal es hier schwerpunktmäßig um Tests geht, die von geschultem Personal durchgeführt wurden - Fehlbedienungen durch ungeschulte Privatpersonen dürften daher kaum die Ursache der schlechten Werte sein. Außerdem hatte ich bisher gedacht, dass die Schnelltests vor allem falsch-positive Ergebnisse liefern, welche durch einen zusätzlichen PCR-Test verifiziert werden können. Aber dass wohl auch viele falsch-negative Ergebnisse angezeigt werden, halte ich für sehr problematisch.

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Auf den Artikel bin ich auch erst reingefallen:

https://talk.lagedernation.org/t/schnelltests-unzuverlaessig/6692/4?u=trq

Hallo @TilRq , hast du eine Quelle, die belegt, dass bei Schnelltestest „infiziert“ was anderes bedeutet als „infektiös“?
Der Tagesspiegel zitiert die gleiche Studie und scheint, genau wie die SZ, hier auch keine Unterscheidung zu machen.

Auf anhieb nicht, bin gerade im Zug unterwegs ohne WLAN …

Ich habe das so verstanden. Antigen-Schnelltest testen auch auf das Virus. Weil die aber im Vergleich zu den PCR Tests bei weitem nicht so zuverlässig ist (genau das zeigt die zitierte Studie), erkennen die den Virus vor allem am Höhepunkt des Infekts, wenn also die Viruslast am höchsten ist. Also dann, wenn man ansteckend ist. Daher ist ein negativ Ergebnis kein Indiz dafür, dass man nicht infiziert ist. Allerdings ein offenbar immer noch ziemlich gutes Indiz, dass man in den nächsten 6 Stunden sehr wahrscheinlich nicht ansteckend ist. Es gibt aber eine etwas erhöhte False-Positiv-Rate. Wenn der Antigen-Schnelltest „ausschlägt“, muss man trotzdem in Quarantäne, sollte aber schnellstmöglich einen PCR-Test machen, weil man mit einer gewissen Chance doch nicht infiziert ist.

Im von Dir verlinkten Tagesspiegel-Artikel ist die Rede von „Infektionen erkennen“. Auch in der Cochrane-Studie selbst heißt es „tests to detect current infection“. Was braucht es da noch mehr an Belegen, dass Infektionen gemeint sind? Außerdem sagt die Studie auch, dass die Sensitivität der Schnelltests hoch war bei Proband:innen mit einer hohen Viruslast (cycle threshold (Ct) values on PCR ≤25) - also bei genau denen, die gemeinhin als gegenwärtig infektiös gelten.

Das Thema wurde heute noch einmal im aktuellen Corona-Virus-Update des NDR mit Christian Drosten aufgegriffen. Dort wurde ausgeführt, dass es offenbar ein Zeitfenster der Infektiösität geben dürfte, das ein oder zwei Tage beginnt, bevor Antigen-Schnelltests deutlich positiv ausfallen. Christian Drosten führte aus, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis man hier wirklich genügend Daten zusammen hat, um das sehr genau beziffern zu können, aber er meinte aus der beruflichen Praxis deute für ihn nun sehr viel darauf hin, dass Schnelltests vielleicht nur an fünf Tagen eines potentiell achttägigen infektiösen Zeitfensters zuverlässig genug seien und zwar eben insbesondere wahrscheinlich eher nicht in der prä-symptomatischen Phase.

Das bedeutet, dass Schnelltests zwar noch gut geeignet seien, um im Falle von Symptomen für sich selbst eine gute Einschätzung zu treffen, ob es sich dabei nun um eine SARS-CoV2-Infektion handeln könne und dass Schnelltests vielleicht auch geeignet seien, mögliche Cluster etwas schneller als solche zu erkennen (aber eben nicht, hier möglichst alle Ansteckungen zu verhindern!).

Sehr fragwürdig hingegen wird hierdurch die Eignung zum „Freitesten“, um mit ordentlicher Sicherheit eine Infektiösität auszuschließen, wenn man sich eben in bestimmte Situationen in der Öffentlichkeit begeben möchte. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf die Abwägung, die Ulf und Philipp ja mehrfach im Zuge von Öffnungsstrategien diskutiert haben. Ob also jemand frisch getestetes tatsächlich gleichwertig zu einer geimpften Person behandelt werden kann. Sollten sich diese Untersuchungen erhärten, dürfte das eigentlich allenfalls für PCR-Tests gelten, nicht für Antigen-Schnelltests.

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Da muss ich mich wohl korrigieren:

https://talk.lagedernation.org/t/schnelltests-entdecken-eine-infektion-nur-an-fuenf-von-acht-tagen/7115?u=tr

Vor dem Hintergrund, dass wir uns seit Monaten in einem komischen Lockdown-Zustand befinden muss ich sagen, dass trotz der Schwächen ein geeignetes Mittel ist, um etwas „Normalität“ zuzulassen. Klar gehen dabei einige Infektiöse durch die Lappen. Nur solange die Politik keine Ambitionen hat, das es wirklich eine Senkung der Zahlen gibt ist es deutlich besser als nichts.
Wenn ich daran denke, dass es noch ein paar Monate so weiter gehen wird, dann wird mir schlecht. Da muss man wohl in Kauf nehmen, dass wir ein nicht perfektes Mittel haben. So schön und toll die ganzen no-Covid Konzepte sind, es wird in Deutschland nicht verfolgt. Ehrlich gesagt keine Ahnung was hier das Ziel ist. Dann nehme ich es aber in Kauf, dass wir wenigstens wieder etwas mehr Freiheiten zurückbekommen. Würde es sogar begrüßen, wenn die Schnelltests nicht nur zum Gang ins Museum oder Shoppen genutzt werden können. Wenn das Wetter wieder besser ist, dann auch, um wieder ins Café gehen zu können. Das ist auch ein Wirtschaftszweig der lang genug gelitten hat. Wieso sollte dieser anders behandelt werden als Geschäfte? Wenn es draußen ist, dann sollten ja auch Aerosole nicht so kritisch sein.

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Ich finde, das gilt genau umgekehrt. Bei den momentan derart hohen Inzidenzzahlen sind weitere Öffnungen mit unzureichenden Freitestungen für Risikopatienten ein ziemliches Himmelfahrtskommando – oder anders gesagt, wir erhöhen weiter den Druck auf diese und zwingen sie, sich nur noch stärker abzuschotten. Das können aber gar nicht alle. Freitestungen wären ein adäquates Mittel, das Risiko weiter zu reduzieren, wenn wir stabil niedrige Inzidenzwerte hätten (sagen wir z.B. unter 30).

Die Logik, dass es aus welchem Grund auch immer „nicht so weiter gehen darf“ muss immer zum Schluss kommen, dass eben die Zahlen runter müssen. Ansonsten sind weitere Öffnungen und Freiheiten immer der Garant dafür, dass die Situation nur wieder eskaliert!

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Grundsätzlich sehe ich es, was die eigentlich notwendigen Mittel angeht genauso. Die Zahlen müssen runtergehen. Die Politik unterlässt nur genau das seit Monaten (mal mehr und mal weniger Inkonsequent). Dann habe ich als Bürgerin aber gerne auch wieder die Chance etwas mehr Freiheiten zu nutzen. Bald sieben Monate halbgarer Lockdown schlagen auf die Psyche und sind so nicht durchzuhalten.

Solange das so ist, muss ich sagen, dass ich lieber Schnelltests habe als nur offene Läden ohne Test vorab. Das bedeutet dann nur konsequenterweise, dass bei Nutzung dieses Mittels (aktuell für eine etwas zufällige Auswahl an Aktivitäten erlaubt) auch andere Anbieterinnen, wie eben Restaurants, das Recht so zu Öffnen auch haben sollten. Wenn die Politik soweit denken würde, dann würde ihr vielleicht auffallen, dass keine Logik hinter ihrem Handeln besteht.

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„Ehrlich gesagt keine Ahnung was hier das Ziel ist.“ bringt es so gut auf den Punkt.

Insgesamt volle Zustimmung zu dem Kommentar. Eigentlich müsste man ja auch sagen, dass die Unfähigkeit der Politik den Einsatz von Schnelltests überhaupt notwendig macht…

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Ich halte den Test für mich als Individuum unter diesen Voraussetzungen für nicht zielführend. Ich werde nirgendwo hingehen, wo diese Tests eine Eingangsvoraussetzung sind, weil sie m.E. auf individueller Ebene unzuverlässig sind; zumal sich vermutlich unter diesen Umständen dann auch noch Menschen, die nicht vollständig informiert sind, aufgrund des Testergebnisses für nicht infektiös halten und ggf. AHA-Regeln vernachlässigen.

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