Zero Covid unrealistisch?

Weil es schon hier um viele Millionen Menschen geht, die größtenteils ja noch nicht in Pflegeeinrichtungen leben, wie willst du Millionen von Wohnungen komplett von der Außenwelt abriegeln und die Menschen darin trotzdem versorgen?

Außerdem wäre es doch sehr brutal, diejenigen Menschen aus Risikogruppen nicht so zu schützen, die nicht das Glück haben, über 70 zu sein …

Das Isolieren von Risikogruppen ist schlicht eine Schnapsidee von Leuten, die keinen Bock auf Lockdown haben (so wie wir alle) und nun händeringend nach einem einfachen Ausweg suchen. Leider gibt es den einfachen Ausweg nicht, es sei denn man bekommt die Inzidenz nahe Null.

In der Theorie völlig korrekt. Jedoch wie soll man das dauerhaft halten ohne Grenzen, Kontrollen, Quarantänen? Wo sollen diese stattfinden? An Landkreisgrenzen? An Länder- oder an. Landesgrenzen? Wer kontrolliert zu Hundert Prozent?
So sehr ich das für den richtigen Weg halte so realitätsfern ist es.

Das Argument, dass man bestimmte Gruppen mit einer besonders hohen Gefährdung nicht schützen kann, weil es so viele sind, ist m. E. Unsinn. Es gibt ja z. B. auch ein Jugendschutzgesetz. Die Frage ist doch nur was Schutz heißt. Und hier verstehe ich den Einwand von @olib24 so, dass eben kaum überlegt wurde, wie diejenigen, die ein besonders hohes Risiko haben, schwer an COVID-19 zu erkranken oder gar daran zu sterben, genau davor geschützt werden können. Dass es so viele sind, macht es doch noch dringender, sie zu schützen und nicht weniger dringend, wie es in Deinem Einwand klingt. Und was spricht dagegen, diejenigen mit dem höchsten Risiko als erste bzw. am meisten zu schützen? „Das sind so viele, das geht gar nicht“ klingt da schnell wie eine Ausrede.
Dein zweites Argument lautet, es ginge um Isolation und diese sei nur ein Vorwand, um den Lockdown abzuwehren. Dass die Forderung nach Schutz immer noch mit der Forderung nach Isolation gleichgesetzt wird, ist m. E. ebenfalls eher ein Beleg dafür, dass es entsprechende Überlegungen für Schutzkonzepte bisher eben noch nicht in ausreichendem Maße gegeben hat. Schut kann sehr wohl auch etwas anderes bedeuten als Isolation.
Ein drittes Argument, was auch schon öfters in der Lage fiel, lautet: Den Schutz von Risikogruppen gibt doch schon längst. Die krasse Differenz zwischen der Altersverteilung bei Infektionen und Toten widerspricht dem sehr deutlich. Außerdem wird die Entgegensetzung von Lockdown und Schutz der Risikogruppen vor allem von Befürworter:innen des Lockdowns behauptet. Fakt ist aber, dass der Lockdown für viele Ältere wenig bis nichts an Schutz gebracht hat. Es wäre also auch aus dieser Hinsicht dringend, über Schutzmaßnahmen nachzudenken.
Nur ein Beispiel: Als die KBV zusammen mit Streeck und Schmidt-Chanasit Anfang November mehr Schutz für Risikogruppen forderten und skeptisch waren, ob der „Wellenbrecher“-Lockdown viel bringt, wurden sie dafür (u. a. in der Lage) gebasht. Einige Monate und Zig Tausende Tote später (vor allem Ältere) sind sich alle in der Kritik am „laschen Lockdown“ einig und auf einmal gibt es (zumindest für einige) kostenlose FFP2-Masken und sehr viel leichteren Zugang zu Schnelltests. Hätte man beides schon spätestens im Sommer haben können.

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Nochmal, das sind alles Dinge, die ich nicht geschrieben habe. Sie bauen schon wieder Strohmann auf.

Zum einen hat der Lockdown in Australien nicht nur wenige Wochen, sondern drei Monate gedauert. Und die Einschränkungen dauern noch an, Grenzschließungen betreffen auch Australier. Auch kommt es immer wieder zu kompletten Abriegelungen einer Region. Auf Europa übertragen, wir müssten uns darauf einstellen, das vom einen Tag auf den anderen der Großraum Frankfurt militärisch abgeriegelt wird. Und Einreisen selbst aus Nachbarländern für wenigstens ein Jahr mehr oder weniger komplett verbieten. Wie ich oben geschrieben habe, man kann das fordern, aber nicht mit dem Argument, es ginge dann schnell oder wäre fast ohne Einschränkungen.

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Ich würde gerne einmal zurückkommen zur Titelthema. Leider muss ich gestehen, dass mich die Lagen der letzten Wochen doch das ein oder andere Mal zum Wundern, später Verzweifeln, bald Wut gebracht haben. Das Narrativ ist hier verkürzt „wir müssen jetzt mal mit richtig harten Maßnahmen runter auf 10, besser 0, und danach regelt ZeroCovid den Rest“. Für das erstgenannte Ziel sehe auch ich relativ wenig Alternativen. Jetzt sofort Lockerungen zu starten, zB ab unter 50, das erscheint auch mir, als wolle man denselben Fehler noch einmal machen. Gleichzeitig stört mich ein wenig der Unterton, dass wir jetzt gerade so larifari-Lockdownmäßig dahinschaukeln, und so richtig dolle Maßnahmen jetzt doch mal angebracht seien. Ehrlich gesagt, das mag meine persönliche Wahrnehmung sein, wüsste ich jedoch nicht, wie viel härtere Maßnahmen jetzt gerade gehen sollten.

Schulen sind dicht, (ja die Friseure nerven mich auch, aber davon mal abgesehen), bis auf den essentiellen Einzelhandel ist in meiner Region alles dicht, ich verlasse das Haus nur noch für Spaziergänge und zum Supermarkt, ich sehe kaum noch andere Menschen… Ich weiß nicht, was ich persönlich tun könnte, um die Pandemie weiter einzudämmen.

Und genau da komme ich zum zweiten Teil des Narrativs: ZeroCovid regelt, wenn wir bei 0 sind.
Ich würde mich wirklich freuen, wenn das hier oder besser in der Lage mal konkretisiert wird, wie das gehen soll. Ich verstehe es nicht.
In dünner besiedelten Gemeinden, geschenkt. Das Dorffest findet wieder statt, und wenn da keiner von außen die Infektion einschleppt, Paradies. Und wenn doch, naja dann ist für zwei Wochen das Dorf zu, bis alle wieder auskuriert sind, und weiter gehts.
Aber nehmen wir: Berlin. Da ist bei 0 wieder Party? ALLES erlaubt? Wie früher? Und wenns dann einen lokalen Ausbruch gibt, was dann? Dann ist in Kreuzberg weiter Party, aber Friedrichshain ist dicht? Und an der „Grenze“, in den U-Bahnen, an den Straßen, stehen lustige blaue Männer mit Maschinengewehren und kontrollieren, ob ich da raus darf? Ich denke, ihr versteht, was ich meine. Wie bitte, ich würde es so gerne verstehen, soll dieses Konzept funktionieren?
Wenn wir auf 0 sind, wie bitte bleiben wir denn da konkret? Wie soll das weitergehen?

Stimmt, ich habe auch keine Patentlösung. Was mich nur so furchtbar stört ist das Narrativ, der stumpfe Glaube „ZeroCovid regelt“. Ich würde mir ein wenig mehr Demut wünschen, davor, dass wir alle nicht wissen, wie es weitergeht, was „danach“ passiert.
Ich glaube, auch ZeroCovid wird uns nicht retten. Es wird immer wieder Ausbrüche geben, es wird immer wieder Leute geben, die sich nicht daran halten. Wir sehen gerade, dass die Impfungen uns nicht helfen, zumindest nicht schlussendlich. Wir werden dieses Virus nicht besiegen. Das sind nicht die Pocken. Wir werden damit leben (und sterben) müssen, noch über Jahrzehnte.
Psychologischer Ansatz, ja gern! Mehr Hoffnung, gern! Aber das so viel besprochene „bei ZeroCovid ziehen dann alle an einem Strang und das ist die Rettung“, da mache ich erst mit, wenn mir jemand erklärt, wie die Strategie dann konkret aussieht.

(PS: ich hoffe, man liest meine Verzweiflung raus. Ich schätze eure Arbeit trotzdem sehr, tausend Dank! Und auch vielen Dank für die Möglichkeit, hier meinen Senf loszuwerden! Bussi :blush:)

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Ich habe versucht, mit dir in die Diskussion einzutreten. Aber mein Eindruck ist, dass du schnell ins Allgemeine abdriftest und zu konkreten Problemen nicht schreibst „Das ist kein Problem, weil… [konkreter Lösungsansatz]“ oder auch „Das ist ein Problem, aber in der Güterabwägung für mich weniger wichtig als [anderes Gut].“, was ich mir aber wünschen würde.

Insofern: Ich bin raus.

Zu einem konkreten Ding noch:

Deiner Analyse würde ich voll zustimmen. Ist schon eher widersprüchlich.

Also dann bis bald mal.

Sehr gut zusammengefasst von @kaigallup
Schutz von Risikogruppen bedeutet nicht Isolation dieser. FFP2 Masken und Schnelltests sind das Stichwort. Hier wurde zu schlecht und zu langsam reagiert, diese am Risikogruppen zu verteilen. Klar ist man hinterher immer schlauer, jedoch sollte man den gleichem Fehler nicht zweimal machen. Auch bei NoCovid gibt es ein danach und wir alle haben im Herbst gesehen wie schnell sich die Zahlen auch von einer niedrigem Inzidenz schnell wieder hoch entwickeln können. Ausreichend Schnelltests, Masken etc. vorzuhalten kann hier helfen.
Und noch viel wichtiger eine ehrliche und gute Kommunikation. Wo sind die Kampagnen in allen Medien die Menschem den richtigen Umgang mit Masken, Schnelltests und älteren Angehörigen zeigen. Dagegen sehe und höre ich von vielfach Großeltern die wieder ihre Enkel beaufsichtigen.
@vieuxrenard Ich glaube eher das sind die Schnappsideen der Leute. :slight_smile:

Du bist ja wirklich sehr engagiert und wortreich in deiner Argumentation gegen NoCovid. Und vielleicht hab ich‘s übersehen, aber was für eine Herangehensweise in der Pandemiebekämpfung favorisierst du nochmal?

Zero Covid wird schon deswegen nicht gut funktionieren weil wir komplett von Ländern umgeben sind, die das ander sehen. Deutschland müsste komplett abgeriegelt werden und Landkreise und Städte mit Inzidenz > 10 müssten ebenfalls abgeriegelt werden. Wie soll das gehen? Nah- und Fernverkehr einstellen? Straßensperren?

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Danke für den Link. Ich stimme dem darin von Frau Buyx gesagten auch zu und schätze die Arbeit des Ethikrats.

Nur zwei Hinweise:

  1. Direkt am Anfang des Links (also min 17:30) sagt Herr Augstein genau, was ich auch sage: Wir machen flatten the curve "ohne zu wissen wie lang es dauert und was es eigentlich kostet - und gibt es einen Umkipppunkt? Diese Debatte wurde nicht geführt." Und ich werbe dafür sie zu führen: Welche Kosten, welchen Verzicht sind wir bereit wie lange zu leisten? Zumal nicht klar ist ob und wann das Thema Covid „abgehakt“ sein wird. Wenn der Bus nicht kommt - irgendwann (nur wann?) nimmt man ein Taxi oder läuft. Bei einer Auktion hat man ein eigenes Limit (wo liegt es?) ab dem man nicht mehr mitbietet.

  2. Was es heißt, wenn das Gesundheitssystem kollabiert. Alles richtig was Frau Buyx sagt. Allerdings: Es ist eine temporäre Überlastung und ja klar, man müsste in dieser Zeit verzichten oder Einschränkungen in Kauf nehmen bzgl. der Gesundheitsversorgung - aktuell verzichten wir auch bzw. haben Einschränkungen - nur eben in anderen Bereichen - und man kann diskutieren, was einem wichtiger ist. Aber was sie sagt ist richtig.

Und zur Sicherheit: Ich persönlich gehe die Einschränkungen mit, da ich persönlich hoffe, dadurch Leben zu retten und auch, so ehrlich muss man sein, weil es mich zwar annervt, ich aber keine materiellen Nöte fürchten muss. Nur a) bin ich nicht überzeugt, dass das ne Langfristlösung ist und b) ist mein Problem, dass mir die Alternativen nicht breit/offen genug diskutiert werden. Meine eigene persönliche Meinung ist dabei zweitrangig, mir geht es um den Diskurs und um ein „common ground“-Ergebnis.

Volle Zustimmung.

In kurz: Unsere „Systeme“ - egal ob jetzt Polizei, Gesundheit, Schengen-Logistik - sind auf das ausgelegt, was uns wichtig ist und wofür wir daher bereit sind zu zahlen. Sie haben Kapazitäts- bzw. Belastungsgrenzen. Manche Belastung halten sie aus, manche nicht.

So gibt es zwei grundsätzliche Alternativen: 1) Kapazitäten ausbauen und ständig vorhalten für den Fall dass - natürlich kostet das, oder 2) den Schadenfall einkalkulieren, weil der nur vergleichsweise selten vorkommt. Am Ende ist es eine völlig rationale und nachvollziehbare Abwägung. Jetzt haben wir mit Corona einen solchen Schadenfall. Der ist bitter, hart, tragisch, ekelhaft… Aber woher der unbedingte Anspruch, dass unsere Systeme den bewältigt bekommen müssen? Den frommen Wunsch verstehe ich, aber der ist doch unlogisch. Darauf sind und waren die Systeme nie ausgelegt und dass dem so ist, haben wir selber so entschieden in einer Kosten/Nutzen-Abwägung. Manche Dinge sind zu groß, gegen alles kann man sich nicht absichern, bzw. wären die Kosten so exorbitant, dass man sich eben dagegen entscheidet/entschieden hat.

Und selbiges beschränkt sich nicht nur auf unsere „Systeme“ sondern auch auf unsere Gesellschaft/Form des Zusammenlebens. Schengen, Globalisierung… Die Art und Weise, wie wir (sehr gut!!) im Herzen Europas in und mit Europa leben ist nicht geeignet für Grenzkontrollen, dafür aber eben sehr gut geeignet für das vernetzte Leben, das wir schätzen (nur seit einem Jahr nicht mehr so führen können/wollen/dürfen). Jetzt Schengen/EU/Zollfreiheit gefähren/überdenken „nur wegen Corona“? Kann man ja machen, am Ende ist es wieder eine Kosten/Nutzen-Abwägung und man muss sich halt klar werden (=> Diskussion), „was wollen wir?“ „wie wollen wir leben?“ Datenschutz übrigens ist dasselbe in grün. Würde bei Corona-Tracing helfen, gäbe es ihn nicht in der Form - aber wollen wir das?

Diese Diskussion müsste man tatsächlich führen, wenn das Gesundheitssystem nicht bedroht wäre. Angenommen wir haben in ein paar Jahren mal eine Pandemie, welche ähnlich ansteckend ist, jedoch leider deutlich schneller zum Tod führt (Die Infizierten stecken ähnlich viele an, versterben aber bereits nach wenigen Tagen und kommen erst gar nicht auf die Intensivstation). In diesem Fall wäre die Diskussion eine andere und wir ständen tatsächlich vor deutlich schwierigeren ethischen Abwägungen. (Hier klammere ich mal LongCovid aus)

Das ist natürlich der entscheidende Punkt. Wenn man sich dazu entschließt, eine Überlastung des Gesundheitssystems in Kauf zu nehmen, ergibt unsere derzeitige Pandemiestrategie keinen Sinn. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass das in einer menschlichen Katastrophe enden würde. Bergamo, Brasilien, NY haben uns das gezeigt. Zumal wäre die „temporäre Überlastung“ eine sehr lange zeitliche Überlastung.

Die Alternativen sind größtenteils damit verbunden, dass man die Überlastung des Gesundheitssystems akzeptiert. Wenn man letzteres nicht möchte, sind geringe Inzidenzzahlen leider nahezu alternativlos. Ich gebe Ihnen aber recht, dass man dieses große Gesamtziel immer wieder thematisieren muss (damit es in den Köpfen bleibt).

Das fasst unsere ausführliche Argumentation weiter oben sehr gut zusammen. Der Punkt ist, dass Australien es schafft, auf einem permanent niedrigem Inzidenzniveau zu bleiben. Das funktioniert nur unter den Einschränkungen, die wir oben beschrieben haben. In Deutschland ist das aus unserer Sicht aus folgenden Punkten in der Praxis extrem schwierig umzusetzen:

  • Regionen nach Inzidenz abzuriegeln wird schnell sehr unübersichtlich. Bereits im Frühjahr 2020, als in Deutschland einzelne Länder Einreisen/Hotelaufenthalte aus anderen Ländern verboten haben, gab es Beschwerden darüber (auch aus der LdN, wenn ich mich richtig erinnere), dass da niemand den Überblick behalten kann. In Australien ist das schon schwierig zu überblicken und hier gibt es nur 7 Bundesstaaten auf dem Festland. Und, klar, kann man das hinkriegen, nur ist es praxistauglich?
  • Die Durchsetzung der Grenzschließungen (extern wie intern) ist nur mit massivem Polizei- bzw. Militäraufgebot zu erreichen. In Australien ist Militärpräsenz in der Öffentlichkeit eher üblich (vielleicht mit den USA zu vergleichen). Da wird es in Deutschland erheblichen Widerstand geben. Wie wird damit umgegangen?
  • Australien ist extrem dünn besiedelt, die Vernetzung relativ gering - Regionen abzuriegeln hat nur einen kleinen Einfluss auf das Leben der Menschen in den Regionen. In Deutschland hätte ein Abriegeln von Regionen eben auch Einfluss auf das Leben in diesen Regionen. Wie sollen Menschen in anderen Regionen arbeiten, oder Betriebe weiterlaufen, die einen erheblichen Anteil an Mitarbeitern aus anderen Regionen haben? Oder andersherum gedacht: Hat es noch eine Inzidenz-reduzierende Wirkung, wenn die Regionen so groß gewählt werden, dass dieser Punkt kein Problem mehr darstellt?
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Du meinst die Leute halten sich nicht aus intrinsischer Motivation von selbst an Reisebeschränkungen?
In den Umfragen sind Leute mehrheitlich für die Beschränkungen und 20% wollen noch mehr damit es schneller vorbei ist.

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Ich bin persönlich ziemlich hin- und hergerissen. Eigentlich habe ich kein Problem mit „radikalen“ Ansätzen, betreffe es die Pandemie oder den Klimawandel. Heute jedoch habe ich einen Artikel in der ZEIT gelesen, dessen Autorin genau dies als das grundlegendes Problem bei Ansätzen wie Zero Covid sieht: Sie nennt es „Fürsorgeradikalismus“. Nach der Autorin können wir Menschen es nicht mehr ertragen, den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert zu sein. Daher rührten die Ansätze wie Zero Covid, die das ihrer Meinung nach viel zu hoch gesteckte Ziel verfolgen, das Virus komplett auszurotten, oder auch die Vorstellung mancher, wir könnten die Folgen des Klimawandels auf ein nicht allzu schlimmes Maß begrenzen. Auch die Geneigtheit, dramatische Herausforderungen wie Corona oder den Klimawandel immer als „Katastrophen“ zu bezeichnen, spiele hier mit rein.
Wie gesagt, ich bin nicht ganz überzeugt davon. Vor allem, weil ich finde, dass die Welt bisweilen utopische Vorstellungen und Ideen braucht, um sich zum Besseren zu verändern. Trotzdem hat mich ihre Denkweise zum Nachdenken gebracht.
Was haltet ihr davon?

ZEIT-Artikel über Radikalismus von Thea Dorn

Das kann sein, kenne die Umfragen nicht. Ich denke auch, dass sich die Mehrheit daran hält. Das ist hier auch so. Bloß zielen solche Maßnahmen natürlich auf diejenigen ab, die sich gerade nicht daran halten (würden). Deshalb wären sie vermutlich trozdem notwendig. Oder ist der Anteil in den Umfragen, der gegen Reisebeschränkungen ist, nahe null?

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Gestern bei Lanz hat Frau Dorn dieseThesen auch vertreten. Um es kurz zu machen: Frau Dorn hat nichts von NoCovid verstanden.

Neu und beunruhigend ist, dass spätestens seit der Covid-19-Pandemie der Fürsorgeradikalismus Einzug ins Zentrum der Macht gehalten hat. Zwei der acht Experten, von denen sich die Bundesregierung zuletzt hat beraten lassen, die Virologin Melanie Brinkmann und der Physiker Michael Meyer-Hermann, sind Verfechter einer No-Covid-Strategie, die sich von den Forderungen der aus dem linksaktivistischen Milieu stammenden Zero-Covid-Bewegung im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass sie antikapitalistische Rhetorik meidet.

Aber kann es eine krasse Minderheitsmeinung sein, an die Tatsache zu erinnern, dass es der Menschheit bislang nur ein einziges Mal gelungen ist, ein Virus aus der Welt zu schaffen: im Falle des Pockenvirus? Dass bei sämtlichen anderen Viren jegliche Ausrottungsstrategie an der Realität gescheitert ist? Doch eine ebensolche Strategie fordern Zero Covid und No Covid von der Politik.

Die Unterschiede von Zero-Covid sind massiv! NoCovid will die Inzidenz auf ein niedriges Niveau bringen und dort halten, während ZeroCovid auf Inzidenz 0 abzielt. Das sie das trotz breiter öffentlicher Debatte immer noch nicht verstanden hat und gleichzeitig eine große Bühne in der Zeit und im ZDF ohne Einordnung durch die Wissenschaft bekommt, finde ich grenzwertig.

Die Kompetenz von nicht minder renommierten Experten, die einen deutlich gemäßigteren Kurs in der Pandemie empfehlen, ist hingegen nicht gefragt oder wird als Meinung einer „krassen Minderheit“ (Brinkmann) diffamiert.

Eigentlich ist es nicht Frau Brinkmanns Aufgabe eine solche Einordung vorzunehmen. Jedoch erleben wir derzeit einen absoluten Mangel an Wissenschaftsjournalismus, dessen Aufgabe es sein müsste, eine solche Einordnung vorzunehmen. In der Medienlandschaft erscheinen dann Thesen wie „wir können mit Inzidenzen >100 leben“ gleichberechtigt zu „wir sollten geringe Fallzahlen anstreben“. Wenn aber letzteres von der Forschungscommunity in großer Mehrzahl befürwortet wird (s. https://www.containcovid-pan.eu/), muss das gerade gerückt werden. Siehe Ranga Yogeshwar: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Corona-Hat-der-Journalismus-versagt,zapp12832.html

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Als Ergänzung dazu etwas aus Neuseeland. Wie am Wochenende breit berichtet wurde, geht die Region Auckland (mit immerhin einem Drittel der Bevölkerung des Landes) wieder in einen strikteren Lockdown. Was eher in der englischsprachigen Berichterstattung erwähnt wurde, auch der Rest Neuseelands ist nach wie vor eingeschränkt, auf Level 2 der vierstufigen Skala (Auckland ist jetzt auf Level 3). Das beinhaltet u.a. eine Maskenpflicht, Beschränkungen der Gruppengröße bei Veranstaltungen, und Abstandsregeln (im Detail hier: https://covid19.govt.nz/alert-system/alert-level-2/ ). Also selbst bei 0 ist in Neuseeland nicht alles wie vor Corona, und eine große Hochzeit immer noch nicht drin.

Von den Grenzschließungen sind nach wie vor auch viele Tausend Australier betroffen:

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