Ich glaube solche Aussagen sind ein Grund, warum es so viel Wissenschaftsskepsis gibt. Ob Entkopplung von Wachstum und Ressourcen tatsächlich unmöglich ist, ist mindestens umstritten. Schon allein weil man sich das Szenario “Entkopplung” so definieren kann wie man lustig ist. Davon zu sprechen, dass es wissenschaftlich “widerlegt” ist, dass diese Entkopplung möglich ist, halte ich daher für absolut irreführend. Es wird höchste Zeit, dass das Thema mal nüchtern in der Lage aufgearbeitet wird.
Edit:
Ich habe das an anderer Stelle auch schon angemerkt, aber hier nochmal als Illustration dafür, welche Institutionen durchaus davon sprechen, dass z.B. Wirtschaftswachstum von CO2 Emissionen entkoppelt werden kann: das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung:
Es stört mich erheblich, wie hier der Begriff „Wissenschaft“ verwendet wird. Ich würde fast von einem Missbrauch sprechen.
Dass etwas bislang nicht erreicht wurde, ist kein Beleg für dessen Unmöglichkeit. Ebenso wenig stellt das Fehlen eines Belegs für die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch eine wissenschaftliche Widerlegung dieser Möglichkeit dar.
Gravitationswellen konnten fast ein Jahrhundert lang nicht nachgewiesen werden und dennoch galt ihre Existenz als wissenschaftlich fundiert und sehr wahrscheinlich.
Es gilt wie immer in der Wissenschaft der Leitsatz
Absence of evidence is not evidence of absence. (Paul Sagan et. al.)
Entgegen deiner Behauptung gibt es durchaus Beispiele für eine teilweise Entkopplung, die bereits gelungen ist. Das spricht eher dafür, dass auch eine vollständige Entkopplung möglich sein könnte und es spricht wenig bis nichts für die behauptete Unmöglichkeit.
Bitte bleibt bei wissenschaftlichen Argumenten korrekt und biegt die Prinzipien nicht nach Belieben zurecht.
Die Frage steht doch dann, ganz praktisch gesehen, im Raum, warum weder Wirtschaft noch CSDU (nicht einmal die FDP), ein Interesse haben, Politik in diese Richtung zu lenken, sondern objektiv auf Wachstum über alles setzen, sehenden Auges wissend, dass das nicht mehr lange gut gehen wird.
Ich glaube das liegt in unserem politischen System und seiner Verbandelung mit der Wirtschaft. Es zählen stets die nächsten Wahlen und Quartalsabschlüsse. Das Versäumnis der deutschen Politik, langfristig zu denken und zu planen zeigt sich die letzten 50 Jahre ja so ziemlich über alle Themen hinweg.
Erstens ist überhaupt nicht klar, dass Wirtschaftswachstum sich nicht von Ressourcenverbrauch entkoppeln ließe. Es gibt sicher Forscher, die diese Ansicht vertreten, aber es dürfte noch immer eher eine Minderheit sein.
Zweitens, wenn stimmt dass Wirtschaftswachstum nicht von Ressourcenverbrauch und Emissionen entkoppelt werden kann (was wie gesagt eine völlig offene Frage ist), dann würde das eine enorme Verteilungsdiskussion aufwerfen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine namhafte PolitikerIn sich das antun will. Das wäre zwar bitter, ist aber bei der Rente auch schon seit 40 Jahren zu beobachten.
Das ist der Punkt, wo es für mich abstrus wird.
Der Großteil der deutschen Unternehmen ist in Eigenbesitz. Die sollten langfristig denken, tun sie aber nicht. Sie nehmen mit, was kurzfristig an Gewinnen noch möglich ist. Das lässt mich mehr an der Zukunft verzweifeln als es Politik je könnte.
Ich glaube das ist nur scheinbar ein Widerspruch, ich könnte mir vorstellen das es nur sehr wenige große Unternehmen (Aktiengesellschaften) sind, die der Politik so den Stempel aufdrücken, nicht Familien-geführte Mittelständler.
Ich glaube, du hast mich an dieser Stelle missverstanden. Ich habe nirgendwo behauptet, dass eine Entkopplung unmöglich sei. Mein Punkt war, dass es bisher keinem Land gelungen ist, eine dauerhafte, absolute und globale Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch zu erreichen – und dass selbst wenn dies theoretisch möglich wäre, es zu langsam passieren würde, um die eskalierende Klimakrise und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen rechtzeitig zu stoppen.
Das ist keine „Behauptung“, sondern eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes, u. a. aus dem Bericht
Parrique et al. (2019): Decoupling Debunked – Evidence and arguments against green growth as a sole strategy for sustainability,
herausgegeben vom European Environmental Bureau (EEB) in Zusammenarbeit mit dem ZOE Institute for Future-Fit Economies, dem Stockholm Resilience Centre, der MODUL University Vienna und dem CERDI (Université Clermont Auvergne).
Die wichtigsten Ergebnisse daraus:
Es gibt keine empirischen Belege für eine Entkopplung in dem Maß, das nötig wäre, um ökologische Kipppunkte zu vermeiden.
Weder beim Material-, Energie-, Wasser- noch beim Flächenverbrauch oder bei Treibhausgasen wurde eine absolute, dauerhafte und globale Entkopplung nachgewiesen.
Wo „Erfolge“ vermeldet werden, handelt es sich fast immer um relative Entkopplung oder kurzzeitige Effekte, die durch Wirtschaftskrisen oder Outsourcing erklärt werden können.
Parrique et al. zeigen deutlich, dass vermeintliche Fortschritte im globalen Norden oft nur dadurch entstehen, dass Ressourcenverbrauch und Emissionen in den globalen Süden ausgelagert werden.
Die Autor*innen identifizieren sieben strukturelle Gründe, warum eine ausreichend starke Entkopplung unwahrscheinlich ist – u. a. steigende Energieaufwände bei Ressourcengewinnung, Rebound-Effekte, begrenzte Recyclingpotenziale, problematische technologische Verlagerungen und die materielle Basis der Dienstleistungsökonomie.
Selbst dort, wo absolute Entkopplung punktuell vorkommt, liegt das Ausmaß weit unter dem, was laut IPCC zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C nötig wäre (jährliche CO₂-Reduktion von mindestens 5 %).
Mit anderen Worten:
„Absence of evidence“ ist hier kein methodisches Problem, sondern die Evidenz existiert – und sie spricht gegen die Vorstellung, dass Entkopplung in relevantem Maß stattfindet oder realistisch erreichbar ist.
Die Studie zieht deshalb eine klare Schlussfolgerung:
Reine Effizienzstrategien reichen nicht aus. Es braucht eine Politik der Suffizienz – also die gezielte Reduktion von Produktion und Konsum in reichen Ländern –, wenn wir innerhalb der planetaren Grenzen bleiben wollen.
Wenn man sich also auf Wissenschaft beruft, sollte man auch akzeptieren, was die aktuelle Forschung tatsächlich zeigt:
Nicht, dass Entkopplung unmöglich ist – sondern dass sie bisher nicht nachweisbar und wahrscheinlich nicht schnell genug erreichbar ist, um die drohenden ökologischen Kipppunkte zu verhindern.
Lies dir bitte das Kommentar richtig durch .. Zunächst hab ich an keiner Stelle behautet Entkopplung sei nicht möglich, ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es bisher kein Land geschafft hat eine Absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Emissionen und Ressourcenverbrauch zu erreichen. Darauf folgend habe ich den Fakt, der by the way im ersten Absatz der von dir eingebrachten Quelle auch genannt wird, nämlich das die Entkopplungsfortschritte (wenn sie überhaupt langfristig haltbar sind im aktuellen Wirtschaftssystem) zu langsam stattfinden um Katastrophen zu verhindern. Lies dir gerne mal folgenden Bericht durch : Parrique et al. (2019): Decoupling Debunked – Evidence and arguments against green growth as a sole strategy for sustainability,
herausgegeben vom European Environmental Bureau (EEB) in Zusammenarbeit mit dem ZOE Institute for Future-Fit Economies, dem Stockholm Resilience Centre, der MODUL University Vienna und dem CERDI (Université Clermont Auvergne).
Die Denkweise “grünes Wachstum” bzw. Entkopplung sei die Lösung der Klimakatstrophe bzw. des Wachstumsproblems unserer planetarer Grenzen. Ergo die Denkweise wir könnten weiter so wirtschaften wir müssten halt nur Entkoppeln.
Wenn klar ist, dass wir auf dem jetzigen Pfad auf 2,8 Grad Erwärmung zusteuern, heisst das doch: neu denken! Was ist notwendig, um 8 Mrd. Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen? Was ist demzufolge verzichtbar? Die verzichtbaren Dinge erst einmal öffentlich zu benennen, ist schon eine Mammutaufgabe, die man mit Rücksicht auf überkommene Vorstellungen von einem guten Leben behutsam, aber entschlossen angehen müsste. Der Widerstand wäre gewaltig, die Alternative aber in jedem Fall grausam, vielleicht so: Die Erde bietet nur noch Platz und Ressourcen für ein paar Millionen Menschen, also Krieg und Bürgerkrieg um diese Plätze, vielleicht über Jahrzehnte, bis 7 Mrd. Menschen weniger sind. Da müsste man sich nicht einbilden, bei den wenigen “Glücklichen” zu sein am Ende.
Könnte man sich vor diesem Hintergrund auf die notwendigen, guten Dinge einigen, ist es doch völlig gleich, ob dann so etwas wie Wirtschaftswachstum unter dem Strich herauskäme. Die Verschwendung in den reichen Ländern ist überwältigend. Das Abwerfen dieses Ballastes täte den Seelen selbst derjenigen gut, die zuvor glaubten, ohne den Luxus (Krempel) nicht auskommen zu können.
Und genau darauf bezog sich meine Kritik. Denn dass sich die Klimakatastrophe mit grünem Wachstum aufhalten lässt, ist mitnichten wissenschaftlich widerlegt. Dazu gibt es innerhalb der Wissenschaft diverseste Ansichten. Du kannst dir hier im Forum Studien von renommierten deutschen Forschungsinstituten durchlesen (z.B. Fraunhofer ISE) wie man mit grünem Wachstum auf Netto Null Emissionen kommt.
Dass das derzeitige Tempo nicht ausreicht ist eine völlig andere Sache und hat nichts mit der generellen Machbarkeit zu tun. Vor dem Hintergrund, wie wenig wir in Deutschland bereit sind für Klimaschutz zu investieren, ist es eigentlich beeindruckend, dass die Emissionen innerhalb der letzten ca 30 Jahre um 30% gesunken und das BIP um 50% gestiegen ist [1].
Hier wird nun definitiv Kritik am Wachstum mit Kritik am Kapitalismus vermischt. Kapitalismus ignoriert nicht die Begrenztheit von Ressourcen, sondern ist das bisher effizienteste Mittel diese trotz Knappheit zu allokieren.
Unsere Wirtschaft ist/war gerade so stark, weil sie aufgrund der knappen Ressourcen innovativ werden musste. Wenn man Ressourcen zum Schutz der Umwelt politisch einschränkt, ist es m.M.n. essenziell für die Akzeptanz dieser Politik, dass man der Wirtschaft auch an anderer Stelle erlaubt gewinnbringend um das Problem herum zu innovieren. Wären wir führend bei Solarzellen oder Batterietechnik, hätte man der Bevölkerung auch das Verbrenneraus besser verkaufen zu können. Je schlechter es uns gehen wird, desto weniger wird sich idealistische Politik verkaufen. .. Das sieht man in eigentlich jedem Land mit Rechtsruck.
Durch den Druck insbesondere von Fridays for Future haben die westlichen Staaten ab 2019 zum ersten Mal ernstlich versucht, das seit Jahrzehnten propagierte Programm auch zu realisieren: die Klimakrise abzuwenden, indem man über Preise, Infrastruktur und neue Technologien die Wirtschaft umsteuert, ohne dass die Einzelnen ihren Lebensstil zunächst ändern müssen und ohne dass es zu ernsteren wirtschaftlichen Friktionen kommt. In dem Moment, da diese These getestet wurde, flog alles auf und den Klimabewegten um die Ohren: Technologien allein können die ökologische Krise nicht abwenden, und wo sie einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, müssen sie so schnell eingeführt werden, dass es den Leuten doch als Zumutung erscheint und diese revoltieren, weil das ursprüngliche Versprechen der Unmerklichkeit gebrochen wurde. Klimabewegung: Vorerst gescheitert? | DIE ZEIT
Das fasst es gut zusammen. Egal, ob möglich oder nicht, das Versprechen hat uns unfassbar viel Zeit gekostet. Und ich bleibe dabei: wäre es möglich, würde die Wirtschaft sich in diese Richtung entwickeln. Denn wer das als erstes umsetzen würde, wäre im Hinblick auf die Zukunft im Vorteil.
Ok also dein Argument ist es geht zwar nicht schnell genug aber es wäre theoretisch machbar ?… Im Endeffekt ändert es aber nichts daran, dass “grünes Wachstum” nicht schnell genug stattfindet und sich das zeitnah ( Mit Trump, XI und Merz an der Macht) auch nicht ändern wird es also nicht alleinig die Lösung für die Klimakatastrophe sein kann und deshalb mit Degrowthmaßnahmen kombiniert werden muss. Das Problem mit den Kipppunkten ist, dass wenn sie einmal überschritten sind man das im nachhinein nicht rückgängig machen kann ergo es schneller gehen muss und dies öffensichtlich nicht mit grünem Wachstum funktioniert. Was ist also dein Argument ?
Also zunächst mal habe ich kritisiert, dass du uns eine hoch umstrittene Theorie als wissenschaftlichen Konsens verkauft hast. Das ändert nichts daran, dass Wachstumskritik an sich gerechtfertigt sein kann.
Als Lösung für die Klimakrise halte ich eine Degrowth Strategie aber für eine völlig unrealistische Option. Aber jetzt im Einzelnen:
nicht nur theoretisch sondern auch praktisch. Wie gesagt: der Weg zur Klimaneutralität auf dem Pfad des grünen Wachstums wurde von zahlreichen renommierten Forschungsinstituten durchgerechnet. Findest du auch hier im Forum schnell Links.
Der Grund dafür, dass es nicht schnell genug stattfindet ist schlicht, dass die weltweiten Ambitionen großer Industrienationen, etwas gegen den Klimawandel zu tun, viel zu gering sind. Das ist doch unter Experten völlig unumstritten. Wenn ich nicht bereit bin, etwas für diesen Wandel zu investieren, dann wird es auch nicht funktionieren - egal welchen Weg ich wähle.
Damit hast du den Lösungsweg “Degrowth” im Prinzip beerdigt. Denn wenn du Xi, Merz und Trump nicht den Willen attestierst, den Klimawandel mit grünem Wachstum zu bekämpfen, dann ist es völlig, aber wirklich völlig illusorisch, dass dieselben Leute (deren Lebensversicherung das Wachstum ist) eine Weltwirtschaft in 20 Jahren auf Degrowth umbauen.
Schön. Aber dein Kommentar wäre nur berechtigt, wenn es mögliche alternative Wege gibt. Aber die gibt es ja offensichtlich nicht. Damit ist jede Kritik nur ein Argument für „weiter so und nach mir die Sintflut“ (litteraly)
Das ist das Verlogene an der ganzen Diskussion. Man widerlegt die Kritiker, damit man sich mit deren Argumenten nicht befassen muss, lässt die nächste COP über sich ergehen und widerlegt die Kritiker nächstes Mal noch entschiedener, weil es ja wieder ein Jahr knapper geworden ist und damit die Wahrscheinlichkeit, dass sich gute Vorschläge umsetzen lassen noch unwahrscheinlicher.
Natürlich gibt es die. Ich sage aber gerne auch noch ein drittes Mal, dass das Fraunhofer ISE, Agora Energiewende, das DIW und Co zum Teil bis ins kleinste Detail technisch und politisch dargelegt haben, wie man - über den Weg des grünen Wachstums - Klimaneutralität innerhalb der nächsten 20 / 25 Jahre erreichen kann. Wenn man sich aber dagegen entscheidet, diesen Weg zu gehen, dann wird man auch nicht am Ziel ankommen.
Solange wir noch gar nicht angefangen haben, eine Lösung umzusetzen, können wir kaum behaupten, dass sie nicht funktioniert. Die Idee, die akute Klimakrise durch den Umbau der Weltwirtschaft auf Degrowth zu lösen, halte ich in etwa so erfolgsversprechend wie zu sagen: die Menschheit zerstört unseren Planeten und wir sehen keinen Weg das zu verhindern - dann müssen wir wohl auf den Mars auswandern.
In Wahrheit steuern wir schon längst auf degrowth zu. Die Preise steigen - auch, weil Förderungen und Produktionen in den Preisen steigen. Die Menschen spüren das im Geldbeutel und machen das, was Menschen in Stresssituationen instinktiv machen: leugnen und vermeiden. Darum erleben wir überall den Aufstieg der Rechten. Die Frage ist nur: versucht man vor die Welle zu kommen oder versucht man, sie irgendwie abzuschwächen. Man versucht letzteres, das ist aber ein sehr risikoreiches Unterfangen - vor allem, wenn man soviel zu verlieren hat, wie ein reicher Staat wie wir.