Wo verschwindet das Geld für die Bundeswehr

Hallo,
Die aktuelle Lage liefert zwar schon eine gute Einordnung zum Thema mehr Geld für die Bundeswehr, aber mir fehlt da trotzdem noch die schlüssige Begründung warum mehr Geld reinstecken Probleme löst:
Ihr erläutert ja auch das die Verteidigungsausgaben ca. auf dem Niveau von Ländern wie GB sind? Da reicht mir die Begründung naja sind halt alte Geräte und viel Bürokratie bei der Ausschreibung etc nicht aus Zumal man Ende letzter Woche Berichte las, dass es der Bundeswehr an warmer Kleidung fehlt:

Was geht denn da bitte schief? Ich erinnere mich grob an die Berateraffäre bei von der Leyen und dass ihre Dienstkommunikation aus der Zeit leider, leider weg ist. Man findet allerdings auf die schnelle keine aktuelleren Berichte von diese Probleme fortbestehen? Ist Lobbyismus Mal wieder das Problem? Da würde ich mir mehr Tiefe wünschen.

U.a. deswegen finde ich es problematisch wie überall (ich würde die Lage da nicht ausnehmen) relativ verständnisvoll auf die Mehrausgaben reagiert wird. Dieses Geld wird am jetzigen Krieg nichts ändern klar, muss aber an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Lindner durfte direkt wieder stolz verkünden, dass Sozialausgaben jetzt eben hinten anstehen und Steuererhöhungen kein Thema sind.
Wenn die CDU außerdem mit stehenden Ovationen auf Olaf Scholz Rede antwortet, frage ich mich, warum hier nicht mehr Druck gemacht wird, dass die Schuldenbremse fallen muss?

Alles in allem finde ich es erschreckend, wie hier deutlich wird, dass fehlendes Geld für Sozialausgaben, ÖPNV, Coronaschutz (zB Luftfilter) nicht das Problem war, sondern fehlender Wille.
Dann doch lieber Geld in eine Truppe stecken, deren rechtsextreme Verstrickungen nicht wirklich aufgeklärt sind "Neigungsgruppe G.": Reservisten und ihr rechtsextremes Netzwerk | tagesschau.de
und die scheinbar ein Fass ohne Boden ist?

Hier habt Lobbyarbeit kurz erwähnt und auch an anderer Stelle darauf verwiesen, dass der Fokus wieder mehr auf multilateralen Abrüstungsverträgen etc. liegen muss. Dazu könnte ich mir mehr Recherchen gut vorstellen.

4 „Gefällt mir“

Zu diesem speziellen Aspekt mal ein Gedanke. Ich war selbst beim Bund und damals gab es die Möglichkeit auch Unterwäsche vom Bund zu bekommen. Von dieser Möglichkeit hat quasi niemand Gebrauch gemacht sondern sich lieber seine eigenen bequemen Sachen mitgebracht. Auch sonst wäre man froh gewesen, hätte man andere Teile der Uniform durch selbst gekaufte, bequemere Sachen Tauschen dürfen, war aber verboten.

Ich halte diesen Punkt daher für überbewertet. Man sollte eher überlegen, ob man den Soldaten einen Zuschuss gibt, wenn sie für kältere Regionen warme Unterwäsche brauchen.

Die meisten anderen Punkte, die dieser Tage bemängelt werden, kenne ich aber auch schon aus meiner Wehrdienst Zeit, also mangelnde Ersatzteile für Ausrüstung, generell zu wenig Ausrüstung, schlechte Organisation (wir mussten damals betteln, das wir unsere Bettwäsche nach 2 Wochen mal waschen lassen durften und neue bekamen).

1 „Gefällt mir“

Hierzu kann ich als Talk-Gast empfehlen: Sven Weizenegger, Leiter des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr

Ich habe auch viel mit Ausschreibungsverfahren zu tun und zwar auch mit sehr spezialisierten. Der Grundgedanke der Ausschreibungen ist aus meiner Sicht definitv sinnvoll, da nicht mehr derjenige mit dem größten Präsentkorb den Zuschlag erhält, sondern tatsächlich ein Wettbewerb ermöglicht werden soll.
Im Baubereich gibt es standardisierte Verfahren. Bei sehr speziellen Ausschreibungen dagegen nicht. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Beschreibung der zu erbringenden Leistung. Das ist nicht trivial, da die Leistung entweder genau beschrieben werden muss und zwar so dass beide Seiten verstehen, was gemeint ist, i. d. R. quantifiziert. Alternativ kann man funktional ausschreiben und dabei das Ziel beschreiben, das erreicht werden soll.

Soweit so gut. Die Grenzen dieses Vorgehens merkt man schnell, wenn man versucht dies konkret umzusetzen. Versucht einfach Mal dies umzusetzen für die Ausstattung der Bundeswehr mit Gewehren. Oder eine Leistungsbeschreibung für die Moderation des Lage Forums.
Bei so komplexen Leistungen, ist ein wesentlicher Punkt für eine erfolgreiche Durchführung, das der Auftragnehmer die Leistung auch erbringen will. Denn letztendlich kann man es nicht so genug beschreiben, dass da keine Löcher mehr da sind, die ein findiger, gewinnorientierter Auftragnehmer ausnutzt und damit das Verfahren in die Länge zieht.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Gegenseite deutlich mehr Ressourcen in das einbringen von Nachträgen steckt, als die Bundeswehr in die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen. Ist aber nur eine Vermutung.

1 „Gefällt mir“

Das sehe ich ähnlich. Wieso wird denn in Deutschland altes Gerät teuer gepflegt, während es in Frankreich/GB scheinbar „günstig“ ersetzt wurde? Wieso hat Frankreich denn weniger/bessere Bürokratie in seiner Armee?

Volle Zustimmung. Aber auch hier: Wieso kriegen andere Länder es für das gleiche Budget besser hin, Auftragnehmer zu finden, die die Leistung erbringen wollen?

1 „Gefällt mir“

An der Stelle frage ich mich aber warum sowas wie Gewehre ausgeschrieben werden müssen.

Es gibt ja verschiedene Modelle auf dem Weltmarkt, da bestellt man sich halt ein paar bei den Lieferanten und prüft dann welches davon die eigenen Vorstellungen am besten erfüllt.

Dann liegt die Entwicklung immernoch bei den Herstellern aber man kann auf großartige Vorstellungsbeschreibung verzichten.

Oder muss die BW unbedingt ein ganz eigenes nirgendwo anders verwendetes Sturmgewehr haben?

Und so ist es denke ich mal bei vielen Ausrüstungsgegenständen.
Sicher nicht bei allem aber man könnte sicherlich einiges vermeiden.

Das sehe ich auch so. Ich denke, ehe man 100 Mrd. versenkt, sollte man dringend die Verwaltung und Beschaffung der Bundeswehr sehr kritisch hinterfragen. Da fehlt es in großen Teilen schlicht an ausgebildetem Personal. Wieso sonst haben andere Länder mit ähnlichem Etat weniger Probleme? Wenn ich mir dann noch die Debatten jetzt um die 100 Mrd. ansehe mit den Forderungen der Union, hoffe ich inständig, dass die Eintragung ins Grundgesetz scheitert. Es kommt auch schon eine Menge Gegenwind von Politikern und anderen Personen des öffentlichen Lebens.

Das Problem beim neuen Gewehr ist aber nicht allein bei der Bundeswehr. Es streiten dabei 2 Firmen (Haenel und Heckler&Koch) um diesen Auftrag aber auch um Patente:
Neues Sturmgewehr für die Bundeswehr: Nächste Runde vor Gericht im März 2022 - augengeradeaus.net

Das man aus der Beschaffung des Standard-Gewehres so eine große Nummer macht, verstehe ich auch nicht. Selbst wenn man bei einer Truppe, sagen wir mal den Falschschirmjägern, feststellt, dass das Standardgewehr für diese Soldaten z.B. zu sperrig ist, dann schafft man dort halt ein anderes Gewehr an.
An ein neues Gewehr gewöhnt sich ein Soldat mMn sehr schnell. Die Munition ist auch standardisiert, da gibt es also auch wenig Probleme.

Weil die Geräte dann eben unter der Hand an den Hersteller gehen, der den Entscheidern am liebsten sind oder die noch ein paar Boni für den Auftrag vom Hersteller bekommen oder oder oder. Der Korruption wäre Tür und Tor geöffnet.

1 „Gefällt mir“

Also denen die sie anwenden sollen.

Wie denn?

Du bestellst 50Stk von jedem genehmen Hersteller und dann gibt’s Feld-Tests.
Das was die besten Testergebnisse bringt wird gekauft.

Dürfte deutlich billiger werden als wenn irgendein Beamter im Beschaffungsamt sich ausdenkt was das Gewehr alles auf einmal können soll um dann allen genehmen Hersteller eine Neuentwicklung auszuschreiben.

Wie findet der Test statt? Was wird bewertet?
Schuss pro Minute? Zielgenauigkeit? Gewicht? Robustheit gegen Sand/Kälte/Nässe?
Oder vielleicht doch die Farbe, ob da rechts noch ein Nupsi ist („der stört den Soldaten beim Marschieren“) oder sonst irgendein irrelevantes Detail?
Das alles brauchen wir dann bitte auch begründbar und rechtsstaatlich sicher.

Wir reden hier von einem Gewehr. Das kannste ja mal mit einem Hubschrauber machen.

Da wäre ich tatsächlich dabei, dass man viel mehr „von der Stange“ kaufen sollte, als irgendwelche Anforderungen zu definieren, für den alle Lieferanten durch einen neuen Produktentwicklungsprozess mit den entsprechenden Risiken und Problemen müssen.
Einfach mal gucken, was die Amerikaner so kaufen. Ach ne, das sind im Zweifel amerikanische Hersteller.

1 „Gefällt mir“

Das fragst du besser jemanden der das Teil anwendet/anwenden soll.

Das ist ja gerade das grundlegende Problem, dass irgendein Beamter im Beschaffungsamt das alles vorher und Universal festlegen soll.

Vielleicht gibt’s aber auch gar nichts was all die Anforderungen gleichzeitig erfüllen kann, weil sie zwar so schön rechtssicher und alles beschrieben sind, aber völlig Realitätsfremd.

Oder gehst du in einen Laden und versuchst eine Jacke zu bekommen die dich gleichzeitig vor einiger Kälte, extremer Hitze und Regen schützen kann?

Wie du so schön schreibst, einfach was von der Stange kaufen und eben damit leben, dass du bei einem Einsatz am Polarkreis ein anderes Gewehr in der Hand hast als bei einem Einsatz am Äquator.

Muss ja nicht zwingend beim Ami sein, gibt ja noch ein paar mehr Hersteller.

Hat dann auch gleich den Vorteil dass du die diversen Monopolregeln einhalten kannst, wonach nicht zu viel bei nur einem Hersteller eingekauft werden darf.

Dann würde Deutschland bei deutschen Herstellern einkaufen, Frankreich bei französichen, usw. Das ist nicht gewollt, daher gibt es das Ausschreibungsverfahren. Und ich gehe davon aus, dass das auch im EU-Recht vorgeschrieben ist.

Nö warum?

Es gibt Hersteller in Ländern bei denen eingekauft werden darf, also sagen wir der Einfachheit halber bei allen NATO und allen EU Mitgliedern und bei jedem kauft man erstmal 50 Sturmgewehre die dann in’s Testverfahren gehen.

Es geht ja nur darum nicht irgendwelche Fantasien von Beamten erfüllen zu sollen durch dauernde Neuentwicklung, sondern darum die Beschaffung deutlich zu vereinfachen und eben von der Stange zu kaufen.

Klar Hubschrauber sind da was teurer und man sollte vielleicht nicht 50 Probeexemplare kaufen ^^

Es gibt gute Gründe warum es öffentliche Auschreibungen gibt. Die hier aufzuzählen hatte ich bisher als unnötig betrachtet. Es geht darum die Vergabe solche Aufträge (oft gestaffelt nach Auftragsvolumen) so transparent, nicht diskrimierend und rechtsstaatlich korrekt wie möglich zu machen.

Mir ist völlig unklar wieso man diese Prinzipien in dem Fall von Mitärtechnik aufheben sollte. Könnten Sie das erklrären wieso man gerade bei solchen Auftragsvolumen darauf verzichten soll?

2 „Gefällt mir“

Ich verstehe schon die Gründe für die Ausschreibungen.

Aber an gewissen Stellen, (vornehmlich Material) wird es halt auch gerne mal unsinnig.

Beispiel als das Auswärtige Amt in Berlin seinen Erweiterungsbau bekommen hat mussten die automatischen Türen ausgeschrieben werden.
Wegen des Auftragsvolumens und der Monopolvermeidung mussten 2 unterschiedliche Hersteller gefunden werden.

Am Ende mussten dann Wände geändert werden, weil die Maße nicht identisch waren und bei der Brandschutzsteuerung musste auch erst eine Zwischenstation gebaut werden, weil die Steuerungen nicht kompatibel waren.

Einer der Gründe warum die Baukosten nie die Planung einhalten.

Ähnlich sehe ich es bei der Militär-Technik.

Lass doch einfach die wählen die das Zeug benutzen sollen. Die haben eine ganz andere Sicht und auch Kompromissbereitschaft als das Beschaffungsamt.

Die werden dann aber im besten Fall das Produkt nehmen, was ihnen persönlich am Besten gefällt, im schlechtesten Fall das wofür sie am meisten Schmiergeld bekommen haben (mir ist klar, so trivial ist es nicht, aber ich will die Extreme darstellen). Es braucht eine Kontrollinstanz, zumindest bei solchen Geldsummen, die bei solchen Deals über den Tisch gehen.

1 „Gefällt mir“

Du unterstellst aber dann implizit, dass die Beschaffungsinstanz (wer auch immer das dann ist) die Kaufentscheidung dann allein von Testergebnissen und Anwender*innen-Meinung abhängig macht. Damit blendest du aus, dass es immer auch ein Potenzial für Korruption gibt. Der Hinweis, dass dann aus bestimmten (vielleicht auch politischen…) Gründen auch „einfach so“ die Waffe eines deutschen Herstellers gekauft werden könnte, obwohl es international vielleicht überlegene Waffensysteme zu günstigerem Preis gäbe, ist durchaus berechtigt.
Ich bin völlig deiner Meinung, dass das Beschaffungswesen der Bundeswehr deutlich gestrafft und vereinfacht werden muss - auch der Ansatz im Zweifel eben nicht mehr „one fits all“ beschaffen zu wollen, was dann in überkomplizierten Ausschreibungsverfahren gipfelt, unterstütze ich voll. Ich finde es jedoch nicht sinnvoll davon auszugehen, dass die Beschaffung automatisch optimal laufen würde, wenn die Bundeswehr „einfach so“ einkaufen könnte.

Keine Frage, es ist ja auch nicht so, dass das Beschaffungsamt verschwinden soll.
Es geht ja in erster Linie darum Ausschreibungen zu vereinfachen und halt lieferfähige Systeme zu beschaffen, statt anhand der Wunschliste dauernd Neuentwicklungen auszuschreiben.

Denn mal ehrlich, wenn die BW ein Anforderungsprofil schreibt, was das Gewehr können sollen und dann die vorhandenen Gewehre nach diesem Profil getestet werden, ist das mit der Korruption schon schwierig, da Profil und Testergebnis transparent gemacht werden können.
Und während der Testphase kann man auch festhalten welche Abweichung vom Anforderungsprofil am ehesten akzeptiert werden kann.

Ja und nein. In erster Linie sollte es natürlich so sein, dass die Anwender das letzte Wort haben sollten, aber ich denke es wäre schon ein riesen Fortschritt, wenn sie überhaupt in den Prozess eingebunden werden.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine kostspielige Stilblüten verschwinden würden wenn man den Endanwender mal zu Wort kommen lässt.

Wie denn?
Der Endanwender (BW) soll ein Anforderungsprofil erstellen, was das zu beschaffende Gerät können soll.
Das Beschaffungsamt zieht bei den Lieferanten los und besorgt Testmaterial was nach Herstellerangaben zu besagtem Profil passen könnte.
Die BW testet dann inwieweit dass zum Profil passt und beschließt (und dokumentiert) bei welchen Teilen des Profils man einen Kompromiss eingehen kann.
Mit dem Ergebnis in der Hand wird dann das Beschaffungsamt beauftragt die Lieferung von Menge X zu veranlassen.

Das ist dasselbe Verfahren was wir bei unserem Hauskauf verwendet haben: eine Wunschliste, anhand dieser Wunschliste festlegen wo man einen Kompromiss möglich hält und was zwingend sein muss und dann sind wir auf die Suche gegangen.

Man kann sogar eine Kostensperre einsetzen und sagen: darf nicht mehr als X Euro kosten

Hatten wir ja auch, das Maximum was wir finanzieren konnten.

Wer sagt denn dass die BW „einfach so“ einkaufen können soll?

Ein echt empfehlenswerter und richtig toll geschriebener Text:

Also an den Vergaberichtlinien liegt es definitiv nicht alleine.

Und hier die Zusammenfassung:

2 „Gefällt mir“