WLAN und DSA

Hi zusammen,

ich habe die Debatte zur Haftung der WLAN-Anbieter verfolgt und verstehe sie offen gesagt auch nach Eurer Erläuterung nicht: WLAN-Anbieter fallen unmittelbar unter das Haftungsprivileg des Art. 4 Abs. 1 DSA (vgl. Erwägungsgrund 28).

Das Problem war nur, dass nach der Definition des DSA lediglich entgeltliche Dienste umfasst sind (vgl. Art. 3 lit. a) DSA).

Daher hat der deutsche Gesetzgeber eine Gleichstellung auch für unentgeltliche Anbieter in § 8 Abs. 2 DDG-E ergänzt.

Nach meinem Verständnis sollten damit sämtliche WLANs umfasst sein - oder wo seht Ihr hier die Lücke?

Von netzpolitik.org

So überführt der Gesetzentwurf die jeweiligen Regelungen aus dem Telemediengesetz, lässt aber einen entscheidenden Satz außen vor: Dieser schreibt fest, dass reine Diensteanbieter für rechtswidrige Handlungen ihrer Nutzer:innen nicht verantwortlich sind und sie nicht auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden können.

Aber die Juristen sind sich nicht wirklich einig, ob das ein Problem ist, da der DSA Act ja eine EU Verordnung ist und deswegen ohne extra rechtliche Umsetzung der Länder sofort gilt. Und darin tatsächlich in Art 4:

Reine Durchleitung; „…Bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, haftet der Diensteanbieter nicht für die übermittelten oder abgerufenen Informationen, sofern er
a) die Übermittlung nicht veranlasst,
b) den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählt und
c) die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert.

Weswegen man das wohl tatsächlich im deutschen Telemediengesetz weglassen kann. Dass man dann auch jede Menge Anderes weglassen könnte bzw einfach 1:1 den DSA abschreiben könnte leuchtet mir aber nicht ein.

Wie wird das denn in anderen Ländern gehandhabt, wo es schon immer freie WLANs gab? Ist dort die Rechtsfigur der Störerhaftung nicht bekannt oder haben die auch spezielle Regelungen zur Haftungsfreistellung?

Richtig, das würde man denken. Aber ein identischer Text war ja schon Bestandteil der E-Commerce Richtlinie, die im Telemediengesetz in deutsches Recht umgesetzt wurde. Dieser Haftungsausschluss hinderte aber die Rechtsprechung in Deutschland nicht, gleichwohl Unterlassungsansprüche zuzulassen, die wiederum Anknüpfungspunkt der sog. Störerhaftung sind. Deswegen wurde wie beschrieben nach langer Debatte ins TMG der berühmte Satz eingefügt, den wir in der Lage vorgelesen haben und der endlich klargestellt hat, dass der europarechtliche Haftungsausschluss selbstverständlich auch für Unterlassungsansprüche gilt.

Wenn nun aber in der deutschen Umsetzung im DDG genau dieser Satz wieder fehlen sollte, dann tritt im Grunde wieder die Rechtslage vor 2017 ein: Es gäbe dann zwar eine europarechtliche Regelung mit dem Text des heutigen Art. 4 Abs. 1 DSA, aber keine Regelung, weder auf europäischer Ebene noch im deutschen Recht, die deutlich macht, dass dieser Haftungsausschluss natürlich auch Unterlassungsansprüche ausschließt. Damit würde für die deutsche Rechtsprechung wieder eine Hintertür geöffnet, um Unterlassungsansprüche ungeachtet der Haftungsfreistellung des Art. 4 DSA zuzulassen.

Ja, das klingt absurd, weil es offensichtlich nicht die Vorstellung des europäischen Gesetzgebers war. Aber dabei darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass bis 2017 die Rechtsprechung auch schon gegen den erklärten Sinn und Zweck der E-Commerce Richtlinie und den Wortlaut des heutigen Art. 4 DSA entschieden hat. Deutsche Amtsgerichte neigen offenbar dazu, bis hart an die Grenze der Rechtsbeugung der Urheberrechtsindustrie Unterlassungsansprüche zuzuschreiben. Deswegen haben wir uns in der Lage für eine 100 % wasserdichte Regelung im DDG ausgesprochen, einfach weil wir in Deutschland bis 2017 schon einmal erlebt haben, dass nur eine solche Regelung auch wirklich vor Abmahnungen schützt.

Aber jetzt steht es ja nochmal ausdrücklich so in den Erwägungsgründen und kommt auch in der amtlichen Begründung des DDG zu § 8 Abs. 2 (S. 67) eindeutig zum Ausdruck - WLANs sollen der Privilegierung des Art. 4 DSA unterliegen. Da habe ich offen mehr Vertrauen in die deutschen Gerichte - über eine solche Auslegungshilfe setzt sich doch keiner hinweg.
Eine andere Auslegung würde jedenfalls die nächste Instanz nicht überstehen.

Mich wundert nur, dass das Ministerium auf Eure Anfrage hin so rumeiert, aber vielleicht sind die Pressesprecher hier nicht richtig abgeholt gewesen?

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