Stimmt. Aber: ein System, innerhalb dem es darauf ankommt, alle anderen Beteiligten auszukonkurrieren, kann doch nur für eine begrenzte Zeit funktionieren, weil die Gräben immer weiter werden und die Verlierer des Systems keine andere Wahl haben als das System zu ändern (zu zerstören), auf welche Art auch immer. Reiche können immer leichter immer noch reicher werden, aber sie destabilisieren auf Dauer das System, auf das sie dann doch angewiesen sind, um ihren Reichtum einzusetzen. Wenn die staatliche Infrastruktur und die öffentliche Sicherheit durch Revolten, Sabotage etc. zerbröckelt, wird die materielle Anhäufung wertlos. Der Rückzug in gated communities dürfte auch nur für eine kurze Zeit Sicherheit bringen, denn die Sicherheitsleute sind ja die schlecht bezahlten Leute von draussen. Die werden sich irgendwann überlegen, ob sie nicht besser die Seiten wechseln.
Wenn also alle Staaten der Welt ihre Renten aus Kapitalfonds finanzieren wollen, dann gibt es einfach zu wenig Anlagemöglichkeiten, und die wenigen, die auf das richtige Pferd setzen, nehmen derweil die Verlierer aus. Wie soll das global gehen? Oder, wie ich denke, es läuft diese Methode, die Lindner so toll findet, auf eine neue Art der Kolonialisierung hinaus, nur dass die Idelogie dahinter nicht die „rassische“ Überlegenheit ist, sondern die Überlegenheit der „Tüchtigen“, die vermeintlich nur eine Frage des Wollens ist, und theoretisch unabhängig von Herkunft ist. Aber das ist leider ein Märchen. Die „Erfolgreichen“ legen sich ihren Weg zum Erfolg ganz einfach in der Rückschau zurecht. Sie glauben, er beruhe auf einer Abfolge von richtigen Entscheidungen und Talent und Fleiss. In Wirklichkeit sind sie mehr das Produkt von kontingenten (zufällig zusammentreffenden) Ereignissen, die ausserhalb ihres Zugriffs sind. Talent und Fleiss in der ähnlichen Menge haben mE. eine vielfache Zahl von Menschen investiert, aber sie haben nicht das Dusel dieser zusammentreffenden Ereignisse gehabt. Man betrachte die teilweise skurrilen Rezepte der „Glücklichen“, wie sie in der Rückschau ihren Erfolg erklären, so ungefähr in der Kragenweite von „ich war fleissig und ich esse zu jedem Frühstück eine Möhre“.
Der Kapitalismus, den du meinst, hat nicht für alle Platz. Und das ist sein Problem, an dem er scheitern muss. Es ist nicht der Neid sondern die Ungerechtigkeit, die den Kaptitalismus als Konzept für die Zukunft der Menschheit ungeeignet machen.
Wer natürlich sagt „nach mir die Sintflut“, der kann noch Glück haben für sich.