Will Trump wirklich nochmal Präsident werden?

Ich will hier mal eine These formulieren, die mir bei einigen der Pressemeldungen über den US Wahlkampf jetzt und in der Vergangenheit in den Sinn gekommen ist:

Will Trump eventuell gar nicht wirklich Präsident werden?

Klingt natürlich erst mal unrealistisch, denn Trump führt ja einen Wahlkampf als republikanischer Kandidat. Außerdem stünden die Chancen seine laufenden Gerichtsverfahren als amtierender Präsident unbeschadet zu überstehen deutlich besser. Und es gibt in seinem politischen Umfeld und in der republikanischen Partei sicherlich viele Leute, die sich durch seine Präsidentschaft Vorteile wie z.B. einen Karrieresprung erhoffen.

Dennoch gibt es mMn einige Anzeichen, warum es durchaus sein könnte, dass es ihn gar nicht so sehr stören würde, wenn er die Präsidentschaftswahl verlieren könnte:

  1. Als Präsident müsste er wieder sehr viel arbeiten, was er schon während seiner letzten Kandidatur wohl eher nicht so gerne getan hat (Quelle).
  2. Trump sieht sich zwar offenbar gerne im Rampenlicht, aber das hatte er die letzten 4 Jahre ja eigentlich auch ohne Amt und er musste dadurch auch weniger aufpassen, was er so sagt.
  3. Mit JD Vance hat er sich (im Gegensatz zu Mike Pence 2016) keinen besonnener wirkenden, erfahreneren Running Mate ausgesucht, sondern einen ähnlich kontroversen Politiker wie er selbst einer ist.
  4. Trump hatte sich im Wahlkampf auf Joe Biden eingeschossen, ohne offenbar ein Rezept für dessen Rückzug von der Kandidatur im Ärmel zu haben. Von jmd. der sich so ein Wahlkampfteam leisten kann, würde ich da mehr Planung erwarten.
  5. Trumps und sein Team leisten sich immer wieder PR-Desaster, wie z.B. Tailor Swift zu einem Wahl-Aufruf für Harris zu bewegen oder dieser jüngste Wahlauftritt mit einem Vorschlag zu einer „Stunde der Gewalt“, der bei Polizisten vermutlich nicht gut angekommen sein dürfte.
  6. Trump könnte der Meinung sein, mit seinen hoch bezahlten Anwälten und seinem bereits jetzt vorhandenem Einfluss die Prozesse gegen ihn auch ohne Amtsbonus zu überstehen (Quelle)

Wie gesagt, es ist eine durchaus steile These aber es würde mich mal interessieren, wie die Nutzer hier im Forum das so sehen.

Alle genannten Punkte zeigen für mich eher auf, wie wenig Ahnung der Herr hat und wie groß sein Ego ist.
Ich bezweifel, dass er nicht Präsident werden will. Das passt meines Erachtens nicht zu ihm.
Er will aber nicht Präsident werden um Politik zu gestalten, sondern er will Präsident werden, weil er gewinnen will.
Für ihn ist das ein Wettkampf und er möchte als Sieger hervorgehen.
Vorbereitung dazu ist nervig. Einen gut ausgearbeiteten Plan für den eintretenden Fall zu präsentieren sowieso. Warum auch? Die Leute, die Ihn wählen, interessieren sich ebensowenig für Politik.
Sie wählen Ihn wegen seines amerikanischen Charakters (dem Bild des freien Kämpfers, des lonesome Cowboys).

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Genau, wie schon bei der ersten Kandidatur.
Das Ziel ist der Gewinn der Wahlen. Dafür wird mit harten Bandagen gekämpft.
Dass er gewonnen hat, war überhaupt nicht vorgesehen. Und es war ihm auch gar nicht recht, dass der errungene Sieg ihn nun dazu zwingt, Sachen zu machen, zu denen er eigentlich überhaupt keine Lust hat.
Daher hat er auch, ausser bei den Wahlen für den Supreme court, die ihm in den Schoss fielen. (Ich hoffe zumindest, sie fielen ihm in den Schoss und er hat nicht nachgeholfen. ) keinerlei Erfolge vorzuweisen.

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Ja, zugegebenermaßen lässt sich gegen das Argument angesichts von Trumps offensichtlichem Ego nicht wirklich etwas sagen.

Wenn ich dich also richtig verstehe, will er wegen seines Ego zwar die Wahl als solche Gewinnen, aber wirklich Lust auf die Sacharbeit hat er nicht.

Da bliebe die Frage, was schlimmer wäre als Präsident: Ein unmotivierter Trump oder ein ambitionierter Trump?

Aber selbstverständlich will Donald Trump Präsident werden, wie könnte er denn sonst Steuern für Reiche und Unternehmen senken oder seine Strafverfolgung sonst autokratisch formvollendet vereiteln!

Er muss doch gar nicht arbeiten wenn er Präsident ist. Da gibt es doch genügend motivierte Menschen die rund um Projekt 2025 eine Policy Agenda erdacht haben. Donald Trump muss sich nur inszenieren, ein bisschen Medienzirkus machen und kann Golf spielen gehen. Keiner kann ihn zum arbeiten zwingen, das kann der Apparat dann machen.

Ja ist aber ein himmelweiter Unterschied, ob die ganzen „libs“ sich nur vor einer zweiten Amtszeit von dir gruseln, oder du tatsächlich die Macht inne hast. Außerdem würde er ja nach eigenen Aussagen nicht nochmal antreten, damit wäre die politische Bedrohung durch ihn bei einer Wahlniederlage wohl vorbei und dann würde auch die Aufmerksamkeit sinken. Nur das Weiße Haus garantiert ihm 4 Jahre weitern hype!

Ja das ist wohl so. Das war ja aber auch aus dem Moment der Stärke (Attentat überlebt) und aus innerparteilichen Gründen (absolutes Festlegen auf die Linie Trump) so. Also da würde ich jetzt nichts hinsichtlich seiner Motivation ableiten wollen. Zumal fast alle Kandidaten für den VP (Marco Rubio, Tim Scott, etc.) auch keine Tim Walz sind. In Trumps GOP gibt es halt kaum noch Kandidaten die nen „normalen“ VP abgeben könnten.

Auch richtig, aber schlechtes Management sagt auch nichts über die Motivation aus Präsident zu werden. Ich meine die Demokraten haben ja auch nicht an nen Wechsel geglaubt, bis er stattfand und waren kaum vorbereitet.

Ja und trotzdem ist er wohl die Wahrscheinlichkeit eines Münzwurfs von der amerikanischen Präsidentschaft entfernt. Er spricht mit diesen Aktionen ja auch immer eine gewisse Klientel an. Schadet es ihm wirklich auf Taylor Swift draufzuhauen, nachdem sie Harris unterstützt hat? Alle die ihm das Übel nehmen hätten ihn ja vermutlich sowieso nicht gewählt. Es wäre für Trump halt nicht on brand gewesen da zu sagen „I respect her decision“. Ich meine er tritt ja auch hier nur den News Cycle weiter und produziert einfach jeden Tag ne Schlagzeile, die es Harris schwerer macht, mit ihren Nachrichten durchzudringen. Viele unentschlossene Wähler sagen sie wüssten noch zu wenig über Harris (wie auch immer nach 4 Jahren als VP und dem Medienspektakel der letzten Wochen), sodass jede Minute in der Trump die Nachrichten dominiert für Harris ne verlorene ist. Und das mit der „Purge“ ist ja auch vor allem wieder so ein signaling an die Menschen die der Meinung sind, es müsse sich jetzt mal was ändern. Das transportiert ja vor allem auch wieder nen vibe.

Vielleicht, aber warum auf die Milch hoffen, wenn du die Kuh auch gewinnen kannst.

Tl,dr:
Donald Trump mag es wenn Menschen zu ihm kommen, um seinen Ring zu küssen. Und wenn er Präsident wäre, boy, würden dann viele Menschen zu ihm kommen müssen, um seinen Ring zu küssen! Und keiner könnte ihn einen Verlierer nennen! Also idk, ich schätze die steile These hier, aber ich denke man kann untern Strich sagen, dass Trump definitv Präsident werden will. (Wenn auch nicht aus klassischen Motiven wie als Präsident dem Land zu dienen oder zu arbeiten. Aber ich denke es greift def. zu kurz hier nur persönliche Vorteile für ihn aufzurechen - seine ganze Identität ist da mittlerweile drum aufgebaut.)

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Und dabei hast Du noch die ganzen laufenden Gerichtsverfahren beiseite gelassen, denen er entgehen könnte mit der weiteren Präsidentschaft.

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Ich stimme @MaBre zu. Keiner der sechs Punkte ist ein klares Indiz dafür, dass Trump seine Kandidatur nicht ernst nimmt. Und selbst wenn es solchen Indizien gäbe, sprächen sein Narzissmus und seine Angst vor Strafvervolgung immer noch dagegen.

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Das Erstaunliche hierbei ist doch, dass es trotzdem ein Kopf an Kopf-Rennen ist!

Die Sammlung der „Zeit“ finde ich sehr übersichtlich gemacht, vor allem was die Swing States angeht (und beim gradiosen amerikanischen Wahlsystem geht es ja um nichts anderes als diese):

Trump holt seit dem TV-Duell in den Swing States eher auf, als dass er an Zustimmung verlieren würde.
Wie auch immer das wieder möglich ist :face_with_raised_eyebrow:

Besonders wenn man sich die Verlässlichkeit der Umfragen zur Wahl 2020 in den Swing States weiter unten auf der Seite anguckt, sehe ich Trump sogar gerade klar im Vorteil:

Trump war bei der 2020er Wahl in den Swing States im Schnitt 3-4% besser, als die Umfragen es vorher prognostiziert haben. Und stand heute, hat Harris in keinem Swing State einen solchen Vorsprung. Im Gegenteil in manchen liegt sie sogar schon laut Umfrage hinter Trump :face_with_diagonal_mouth:

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Tut mir leid, wenn ich hier etwas verschwörungstheoretisch wirke, aber diese Meldung von heute bekräftigt mich in meiner These:

Die Frau hat so viele Affären und Skandale ihres Mannes erduldet und zu ihm gehalten. Und auch seine politische Haltung zu Abtreibungen ist ja nicht neu. Also warum stellt sie sich ausgerechnet jetzt gegen eines seiner zentralen Wahlkampfthemen?

Klar, sie will mit dem Buch sicherlich auch Geld verdienen, aber das hätte sie mMn auch mit anderen kontroversen Themen oder Pseudo-Enthüllungen machen können, da gibt es bei Trump bestimmt genug.

Melania hält nicht „zu ihm“, jedenfalls nicht im Sinne einer aktiven Unterstützung, höchstens in Form einer Abwesenheit von Kritik. Beim Parteitag hatte sie einen kurzen Auftritt, aber ohne etwas zu sagen. Ansonsten findet sie im Wahlkampf praktisch nicht statt. Es gabe eine Rede bei den „Log Cabin Republicans“ (eine LGBTQ-Gruppe innerhalb der Republikanischen Partei; ja sowas gibt’s), aber dafür hat sie 240.000 USD Honorar aus republikanischen Wahlkampfspendengeldern erhalten.

Ich verstehe den Zusammenhang nicht: Warum soll es ein Beleg dafür sein, dass Trump nicht Präsident werden will, wenn seine Frau seine Abtreibungspolitik nicht gut finden? Mal abgesehen davon, dass sein Vize JD Vance genau dieselbe Abtreibungspolitik vertritt.

Das Thema könnte eher generell für die GOP zum Problem werden, siehe

Danke für den Hinweis. Das scheint aber eine sehr neue Entwicklung zu sein, quasi erst jetzt zur Debatte der Vizepräsidenten:

Und ich hatte auch noch im Hinterkopf, dass Vance eigentlich bisher gegen Abtreibungen war, ist ja auch eine weitverbreitete Ansicht in der GOP.

Vielleicht will Trump damit tatsächlich so ein bisschen Einlenken bei der Abtreibungsdebatte andeuten, das könnte schon sein.

Das Buch von Melanie Trump passt da trotzdem nicht rein, weil es ja schon einige Wochen fertig sein müsste, wenn es in einer Woche verkauft werden soll.

Stimmt vermutlich, aber die „Abwesenheit von Kritik“ dürfte vielen seiner Fans vermutlich als Zeichen von Autorität genügen.

Ich glaube nicht, dass sich Vances Position in der Abtreibungsfrage in letzter Zeit stark verändert hat. Er ist ein klarer Abtreibungsgegner - oder zumindest tut er so, um die entsprechenden pressure groups in der GOP zu bedienen. Vor ein paar Wochen hat er ja auch noch ein nationales Abtreibungsverbot gefordert - also das genaue Gegenteil von dem was Harris versprichst. Nun ist Vance auf die Trump-Linie eingeschwenkt, dass es keine nationale Regelung geben soll, sondern alle Staaten das einzeln regeln sollen. Das ist aber aus meiner Sicht lediglich ein taktischer Unterschied. Für die Abtreibungsgegner (Pro Life) war die Aufhebung der fast 50 Jahre alten Entscheidung Roe vs. Wade des Obersten Gerichts die entscheidende Wende. Damit konnten sie in republikanisch dominierten Staaten sehr weitreichende Abtreibungsverbote durchsetzen. Eine nationale Regelung ist ohnehin wenig aussichtsreich - zumindest in demkoratisch dominierten Staaten. Die Demokraten wollen hingegen ein nationales Gesetz, was im Grunde den Status quo antes (also Roe vs. Wade) wiederherstellt. Das ist ein riesiger Unterschied zu der Position von Vance und Trump. Außderdem ist die Debatte extrem polarisiert und selbst 41% der GOP-Wähler(innen vermutlich) sind Pro Choice. All das erläutert der vorhin verlinkte Podcast sehr anschaulich.

Kurz gesagt: Vance vertritt keine liberalere Abtreibungspolitik als Trump. Und das ist auch nichts Neuen. Insofern verstehe ich deine These immer noch nicht.

Um Vance ging es mir doch auch nicht, sondern um Trumps Frau.

Eine nationale Regelung ist allerdings wahrscheinlich gar nicht nötig, wenn die Bundesregierung einfach den Postversand von Abtreibungshilfsmitteln (Medikamenten und technischem Gerät) verbietet. Es ist etwas umstitten ob sie das tatsächlich darf, aber für die Auslegung der gesetzlichen Grundlagen wäre im Zweifel der Supreme Court zuständig, und da sind die „Mehrheitsverhältnisse“ ja bekannt.

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Trump tritt aber mit Vance zusammen an. Wenn Trump tatsächlich nicht Präsident werden will - was ja die These ist - wird es automatisch Vance. Aber wie schon gesagt halte ich diese These eh für eine Luftnummer.

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Mal eine eher technische Frage: Könnte er eigentlich kandidieren und am Ende die Wahl einfach nicht annehmen?
Ansonsten finde ich viel schockierender, dass man sich das ganze Elend, die ganzen Skandale etc. anschaut und bei der Frage „Will eine relvante Gruppe der Wählerschaft den Mann wirklich wählen“ sagen muss „ja“.

Das ist wohl eine Frage der Perspektive: Wenn man davon ausgeht, dass das Wahlverhalten auf einer rationalen Entscheidung nach reiflicher Überlegung und Abwägung unterschiedlicher Argumente basiert, muss eine die Beliebtheit Trumps ja eigentlich am Wesen der Demokratie zweifeln lassen. Wenn man dagegen davon ausgeht, dass es bei einer Wahl ähnlich wie etwa in der Werbung vor allem um Affekte, Emotionen, Wünsche und das jeweilige „Image“ von Kandidaten und Parteien geht, erscheinen die Zustimmungswerte für das Produkt Trump auf einmal sehr viel „normaler“. Nur hilft das leider nichts, wenn man sich - wie ich - eher die erste Variante wünschen würde.

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Also mir erscheint das auch unter der Prämisse nicht normaler. Eher im Gegenteil lässt mich die Vorstellung, dass ein derart offen widerwärtiger, unsozialer, niederträchtiger und unfähiger Charakter wie Trump die Affekte, Emotionen und Wünsche so vieler Menschen zu treffen scheint (seine Abziehbilder in Europa durchaus ähnlich), nicht nur am Wesen der Demokratie, sondern an deren Grundlage, dem Wesen der Menschheit zweifeln. 20-30% geistig-moralisch „vergessen“ zu können war für mich immer Teil einer Normalverteilung von Eigenschaften in der Spezies, aber um 50% erschüttert mich jedes Mal, wenn ich es mir wieder vor Augen führe.

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M. E. bleibst du mit dieser Bewertung immer noch bei dem, was nach objektiven Kriterien vernünftig wäre. Mir geht es ja gerade um eine zweite Perspektive, bei der es überhaupt nicht darum geht, wie Trump als Mensch wirklich ist oder wofür er objektiv steht, sondern was Leute in ihm sehen - wie gut er also als Produkt oder Inszenierung ankommt und was die Menschen glauben wofür er steht (nämlich kurz gesagt: Make America great again). Anders formuliert: Wenn sogar Trump (mit allein negativen Eigenschaften die er nun mal objektiv hat) so erfolgreich sein kann, geht es offenbar um etwas anderes als die Frage, ob jemand ein guter Mensch ist oder vernünftige Politik macht. In diesem Sinne finde ich jemanden vie Vance - der je nach Bedarf den Trump-Gegner, den Trump-Vasall, den skrupellosen „attack dog“ oder den empathischen Bürgermeister von nebenan mimen kann - für noch viel gefährlicher.

Trump wurde ja maximal von 31-32% der Wahlberechtigten gewählt - ist also im Rahmen des „normalen“ Wahnsinns :wink: Außerdem reden wir von einer Menschheit, von der weite Teile Gesetze vom Glauben an irgendwelche Götter ableiten wollen oder finden, dass ein Wirtschaftssystem besonders effizient ist, wenn es auf der immer weiter zunehmenden Ausbeutung menschlicher und natürlicher Ressourcen basiert. Da gibt es bei mir nicht mehr viel zu erschüttern :wink:

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