Wiederaufleben der Lage Live

Guten Morgen, Philip und Ulf,

wie ich höre, lebt die Lage Live wieder auf bzw. vielmehr feiert sie wohl ein Revival oder einen Relaunch.
Ich stelle mir nun die Frage, wie Ihr das aus der Perspektive der „Klimabewegtheit“ begründet bzw. rechtfertigt. Offensichtlich ist eine Lage Live ja klimaschädlicher als die normale Lage. Meiner Meinung nach stellt sich hier wieder einmal genau die Frage, ob man immer von „der Politik“, „der Industrie“ und sonstigen Kategorien, zu denen man (sich) selbst möglichst nicht zählt, verlangen kann, etwas zu tun bzw. zu lassen oder eben selbst aktiv werden bzw. Aktivitäten genau unterlassen muß. Die Abwägung, was noch angemessen ist und was nicht, ist offensichtlich schwer, daher würde mich Eure konkrete Abwägung besonders interessieren.

Außerdem bin ich enttäuscht darüber, daß die Lage Live nicht einmal mehr zur sprachlichen Abwechslung eine Veranstaltung sein darf, sonderrn ausschließlich ein Event sein muß. Absagen kann man sie auch nicht, sie wird höchstens gecancelt (oder doch mit „ed“ am Ende?). Um dabeisein zu dürfen, benötigt man Tickets, die man wiederum im Shop kaufen kann. Eintrittskarten im Laden, Geschäft oder Netz zu kaufen, ist dagegen unmöglich.
Das „Ticket“ ist ein Wort, das mir besonders übel aufstößt, denn es hat gleich (mindestens) drei deutsche Wörter ersetzt: Fahrkarte, Eintrittskarte und Strafzettel. Das führt einerseits dazu, daß man sein Hirn einschalten muß, um die Bedeutung aus dem Zusammenhang zu entnehmen, was wegen der geistigen Anregung häufig zu passiver Konsumenten natürlich positiv zu bewerten ist, andererseits aber zu Gebilden wie Ulfs Teilsatz:

Da ist mir der Veranstaltungsort, Verzeihung: die Location, dann auch schon wurscht!

Gruß und schönen Sonntag

Peter

Und so ein Beitrag von einem “Forums“-“User“ in einem “Thread“…

Offensichtlich ist eine Lage Live ja klimaschädlicher als die normale Lage.

Ich habe keine Ahnung, ob das überhaupt stimmt. Das hängt wahrscheinlich davon ab, wie die Leute anreisen und was sie an dem entsprechenden Abend sonst machen würden. Aber weil wir normalerweise in großen Städten auftreten, wo man gut mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen kann, gehe ich davon aus, dass unser Fußabdruck sehr überschaubar ist. Wenn auch nur ein Teil der Menschen sonst Netflix gucken würde, dann tragen wir sogar dazu bei, dass Emissionen eingespart werden.

Deine sprachpolizeilichen Anmerkungen finde ich ehrlich gesagt vor allem langweilig. Sprache ist etwas Lebendiges, sie entwickelt sich, die Gewohnheiten wandeln sich, und Menschen übernehmen aus den verschiedensten Gründen Wörter aus anderen Sprachen. Das ist seit Jahrtausenden so, man bedenke die lateinischen und germanischen Einflüsse, die man in der heutigen englischen Sprache sehen kann. Oder noch deutlicher im heutigen Französisch, des weit überwiegend lateinischen Ursprungs ist. Darüber kann man sich natürlich aufregen, wenn man sonst wenig zu tun hat, aber ich denke, das ist ähnlich sinnvoll wie Diskussionen über die Fließrichtung des Rheins.

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Spannendes Wort, kannte ich tatsächlich noch nicht. 1 min. google-Suche ergibt, dass es sich wohl um einen Framing-Ausdruck der „Klimawandel-Leugner“ bzw. der „Nach-mir-die-Sinnflut-Fraktion“ handelt. Danke daher erst mal für diese Erweiterung meines Wortschatzes. :slight_smile:

So wie ich das sehe, „verlangen“ Phillip und UIf ja in erster Linie von der Regierung, dass sie rechtliche Regelung für mehr Klimaschutz auf den Weg bringt, an die sich dann alle halten müssen.

Oder wolltest du mit deinem Post anregen, dass die Bundesregierung klarere Regeln für eine CO2-freundliche Freizeit-Gestaltung macht? Das kann man natürlich gerne diskutieren, wenn du da Vorschläge hast.

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So wichtig die Klimafrage ist, muss man doch sagen, dass das nicht der einzige gesellschaftlich relevante Megathema ist. Ich behaupte, dass eine offene und demokratische Gesellschaft genauso wichtig ist (auch um die Klimafrage überhaupt anpacken zu können). Um so eine Gesellschaft und Öffentlichkeit zu schaffen, müssen Räume des Austauschs vorhanden sein, in denen Menschen aufeinander treffen, ins Gespräch kommen und sich vielleicht sogar engagieren. Ich sehe die Lage live als einen solchen Raum und finde, man kann Ulf und Philipp gar nicht genug dafür danken, sich so engagiert für unsere Gesellschaft einzusetzen.

Beachtet man nun noch Ulfs Einwand zur Fragwürdigkeit der These, überwiegen hier deutlich die positiven Seiten. Ehrlich gesagt kommt mir das wie eine Nebelkerze vor, genauso wie Kritik an Wissenschaftlern oder - noch schlimmer - Greta Thunberg., wenn sie zu Klimakonferenzen fliegen (in Maßen natürlich).

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Dann möchte ich aber Geldbörse, Windauge und Riecherker wieder haben :blush:

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Servus, Olaf.K,

ja, wenn man einer mißliebigen Meinung ihr höchstens sehr im Ansatz entsprechende Forderungen zuschreibt, um sie lächerlich zu machen und dabei am besten noch in eine rechte Ecke zu schieben, dann ist das natürlich auch ein Diskussionsstil.
Ich hoffe stark, daß wenigstens die Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen meiner Kinder noch der Meinung sind, daß man spätestens im schriftlichen Ausdruck lieber an nun wirklich noch nicht ganz leblose Begriffe wie die Eintritts- oder die Fahrkarte denkt, bevor man „in jedem Ticket ein Ticket … enthalten“ sein läßt.

Mich würde dann noch interessieren, wie man heute in nördlicheren Gefilden als meiner sprachlichen Heimat zur „Geldbörse“ sagen muß, um nicht zum verrosteten Eisen zu zählen? In meiner Sprachblase war das zeitlebens der „Geldbeutel“ und das ist er immer noch. (Seltene Fälle halten zugegebenermaßen noch Napoleon die Stange und bleiben beim „Portemonnaie“.)

Einen schönen Abend!

Peter

Hallo, Numeno,

ich meine, die Greta Thunberg ist nicht geflogen, sondern hatte Ärger, weil ihre Alternative Segelschiff durch das Einfliegen der Besatzung effektiv deutlich klimaschädlicher war als es ihr (Einzel-?)Flug gewesen wäre. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob ihre konsequente Flugverweigerung als Zeichen die an dieser Stelle verschlechterte Klimabilanz wert war.

Ich bezweifle den Wert des gesellschaftlichen Diskurses kein bißchen. Vielmehr bin ich immer noch sehr dankbar dafür, mit der möglicherweise besten Jugendsendung aller Zeiten, nämlich „Live aus dem Alabama/Schlachthof“ aufgewachsen zu sein. Da konnte man gesellschaftlichen Diskurs meiner Ansicht nach in ziemlicher Perfektion erleben und außerdem noch interessante Musikgruppen wie „M. Walking on the Water“, „Sacco & Mancetti“ oder „Folksfest“ kennenlernen. Es hat mir aber durchaus genügt, das im Fernsehen zu sehen. Vor Ort im Publikum wäre ich ja eh nicht zu Wort gekommen. Mehr darüber reden konnte ich bei Bedarf auf dem Schulhof. Daß das bei der Lage Live deutlich anders ist, kann ich mir kaum vorstellen, habe aber auch keine Erfahrung.

Angesichts von Ulfs Antwort auf meine Frage nach der Abwägung stelle ich fest, daß es keine gegeben hat. Und die „Wenn wir Lust darauf haben, dann machen wir einfach.“-Einstellung ist meines Erachtens genau das, was wir alle uns angesichts der anstehenden Klimakatastrophe abgewöhnen müssen. Wenn das schon bei den nachdenklicheren und sich der Problematik recht gut bewußten Bevölkerungsteilen nicht funktioniert, wieviel Hoffnung besteht dann noch?

Gruß

Peter

Servus, Matder,

eigentlich habe ich schon vor Tagen geantwortet, aber anscheinend einmal zu wenig geklickt. Mal schauen, ob ich es noch einigermaßen zusammenbringe.

Nein, das wollte ich eigentlich nicht. Nichtsdestotrotz halte ich es für grundsätzlich sinnvoll. Ansätze wie das Verbot des unnützen Hin- und Herfahrens in § 30 der StVO gibt es ja schon. Diese Regelung schränkt die Freizeitgestaltung gar nicht so wahnsinnig geringer Teile der Bevölkerung durchaus ein oder versucht es zumindest.

Insgesamt macht mich fertig, daß wir bei etwa 8 Milliarden Menschen, die diese Erde bevölkern - Mein persönlicher Veranschaulichungsversuch zu dieser unvorstellbaren Anzahl: Das sind mehr als 3 Menschen pro SEKUNDE eines 80jährigen Lebens! -, immer noch gerne der Meinung sind, daß unser individueller Beitrag vernachlässigbar ist.
Deshalb laufen ja Abermillionen Geräte am Arbeitsplatz (und daheim) Nächte, Wochenenden und Urlaube durch; die sind ja im Energiesparbetrieb, das braucht fast keinen Strom.
Eine ehemalige Kollegin hat ihren alljährlichen Urlaub in einer der reichen arabischen Wüstenstädte immer damit gerechtfertigt, daß das Flugzeug ja eh fliegt, das Hotel sowieso in Betrieb ist und die künstiliche Bewässerung auch nicht wegen ihr stattfindet. Genauso haben wohl die 250 anderen Individualisten im Flieger auch argumentiert.
Joe Kaeser spricht sich laut Wikipedia im Bundestagswahlkampf für die Grünen und eine sozial-ökologische Marktwirtschaft aus und zwitschert bald darauf aus der ersten Klasse eines Inlandsflugs.

Ulf und Philip verlangen berechtigterweise, daß gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Trotzdem bin ich der Meinung, daß gerade Menschen wie sie, die es doch auch ohne Gesetze verstanden haben, nicht auf gesetzliche Regelungen warten, sondern eigeninitiativ weit über gesetzliche Anforderungen hinaus tätig werden bzw. untätig bleiben sollten.

Gruß

Peter

Was für ein alberner Thread.

Ansonsten würde ich im Sinne des „schriftlichen Ausdruck[s]“ und der „Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen“ doch dringend empfehlen, noch einmal die orthographischen Normen für die Verwendung von „ß“ und „ss“ nachzulesen. Nicht, dass (sic!) diese peinlichen Rechtschreibfehler noch an die nächste Generation weitergegeben werden.

Im Übrigen bin ich enttäuscht: Wenn man schon der Germanisierung der deutschen Sprache das Wort redet, dann doch bitte konsequent. Was sollen solche welschen Lehnwörter wie „Publikum“ und „Diskurs“ hier noch?

Und dann erst ein furchtbares Wort wie „Fahrkarte“, klanglich und metrisch eine Vollkatastrophe. Was soll das überhaupt für ein Metrum sein? - Daktylus? Eigentlich nicht. - Amphibrachys? Auch nicht so wirklich. Man ist stattdessen geneigt, es wie einen Spondäus mit anschließender Senkung auszusprechen: ein metrischer Unfall. Was soll das?