Wie viel Geld braucht es eigentlich, um uns vom russischen Gas frei zu kaufen?

Hallo,

Meine Frage steht im Zusammenhang mit der Diskussion über die wirtschaftlichen Folgen eines Wegfalls des russischen Gases. Ich verstehe, auch aus der letzten Lage, dass eine Abschätzung der Kaskadeneffekte schwierig ist.

Ich meine aber auch verstanden zu haben, dass das Problem nicht ist, dass es nicht genügend LNG gäbe um den Wegfall auszugleichen sondern, dass der Preis hierfür enorm hoch wäre.

Angesichts der Bilder aus Bucha scheint es mir moralisch immer schwieriger, weiter russisches Gas zu beziehen. Werden wir nicht zu Mittätern aus Bequemlichkeit?

Wie viel Geld wäre notwendig um der Regierung die notwendige Sicherheit zu geben? Ein paar Milliarden? Vielleicht bedarf es einfach einer groß angelegten „Kickstarter“ Kampagne mit genügend großen Unterstützern um ein ausreichendes Kissen aufzubauen?

Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben.

Ich denke, das Geld ist weniger das Problem, sondern die Infrastruktur. Das russische Gas kommt ja aktuell aus Pipelines direkt aus Russland, und die können wir nicht einfach so ersetzen – auch weil wir nicht ausreichend Terminals für Flüssiggas (LNG) an der Küste haben, wo Lieferungen aus anderen Staaten per Tanker ankommen könnten.

Insofern kann man jetzt nur so schnell wie möglich die entsprechende Infrastruktur schaffen. Das wurde leider verschlafen, weil viele Politiker:innen die Warnungen aus den USA und von Sicherheitsexpert:innen nicht wahrhaben wollten und die Abhängigkeit von russischem Gas toleriert haben. Mit diesen Konsequenzen müssen wir jetzt leben. Das ist die brutale Realität der internationalen Politik.

Noch so eine fundamentale Erkenntnis des Ukrainekriegs für den Westen ist es, dass es tatsächlich Probleme gibt, die sich nicht allein mit Geld lösen lassen.

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Es ist den handelnden Akteuren vollkommen egal wieviel Geld irgendwer zahlen muss. Hauptsache, es ist viel und es geht durch die richtigen Hände (nicht russische). Den Rest regeln die Märkte. Du wirst dann schon sehen wie teuer das wird. Auch die göttlichen Märkte wissen das nicht vorher.

Das klingt irgendwie so, als wärst du dagegen, dass wir wirtschaftlichen Schaden erleiden, um Russlands Kriegsfinanzierung zu reduzieren. Aber vielleicht kommt das bei der textbasierten Kommunikation einfach falsch rüber.

Grundsätzlich ist klar, dass das teuer werden wird. Die Frage ist halt nur, ob die Bevölkerung es mitträgt, oder ob die Bevölkerung dann wie in Frankreich oder Aserbaidschan in Massen auf die Straße geht, wenn das Benzin zu teuer wird. Das ist vermutlich Russlands Kalkulation - nach dem Motto: Wenn die uns sanktionieren, riskieren sie damit ihren inneren Zusammenhalt. Und diesen inneren Zusammenhalt zu zerstören ist seit langen Jahren schon das Ziel russischer Propaganda-Bemühungen (z.B. auch durch Unterstützung von Parteien wie der AfD, aber vor allem natürlich durch Desinformation).

Aber man kann halt kein Preisschild an die menschenverachtenden Kriegsverbrechen kleben, die in diesem Angriffskrieg geschehen sind. Man kann halt nicht sagen: „Da sind Zehntausende Menschen völlig sinnlos gestorben und Millionen wurden in die Flucht getrieben. Das zu bekämpfen ist uns 30 Milliarden wert, aber nicht 50 Milliarden!“. Das funktioniert halt nicht.

Daher auch der „Whatever the cost“-Ansatz, der von vielen gefordert wird. Denn das ist moralisch das einzig richtige. Auch wenn es weh tut. Auch wenn es zu Protesten auf unseren Straßen führt.

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Dieser Ansatz wird von einigen gefordert, aber es sieht im Moment nicht danach aus, dass er auch von der Ampel ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Möglicherweise weil die Risiken so wenig absehbar sind.

Daher frage ich mich, ob es nicht Dinge gibt die die Zivilgesellschaft unternehmen kann, um es den Entscheidern einfacher zu machen. Zum Beispiel: „Wir haben hier eine unterschriebene Bereitschaftserklärung von X Personen um im Fall eines Wegfalls des russischen Gases eine Gesamtsumme von Y € zur Verfügung zu stellen für Haushalte die hiervon besonders schwer getroffen sind.“

Am besten wäre vermutlich ein „wir schaffen das“ von der Industrie.

Ich bin kein Politiker, aber für mich hat die US-Forderung nach „baut endlich LNG-Terminals“ auch echt danach geklungen, „Kauft ineffizientes teures Fracking-Gas von uns statt es billig durch eine Pipeline vom Russen zu beziehen“… Also eine Sache, die man sich lieber sparen sollte. Hinterher ist man immer schlauer.

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Ich glaube, den meisten Menschen wäre schon klar zu machen, dass man eine Zeit lang in einer nicht ganz so warmen Wohnung ganz gut leben kann, verglichen damit, dass anderswo einfach ein Loch in die Fassade gebombt wird.

Beruhigender wäre ein Wort der Industrie, aber ich glaube, die wissen das selber nicht. Die größten Gasverbraucher sind die großen Chemie-Komplexe. Und die haben seit der Inbetriebnahme vor Jahrzehnten immer einen konstanten Energiezufluss gehabt. Ich glaube dass niemand weiß, was passiert, wenn man das ganze Werk abkühlen lässt. Ob die Anlagen je wieder angefahren werden können und dann Qualität wie vorher liefern… Da wird Dir keiner ne Garantie geben. Wäre aber echt schlecht, wenn da Prozesse einfach kaputt sind.

Einfacher ist da das Beispiel einer Glashütte: Wenn der Ofen aus und dann das Glas einmal fest ist, dann ist er kaputt. Nix mit wieder anfahren, wenn der Gashahn wieder aufgemacht wird.

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Naja, also nix anderes waren ja Kriegsanleihen, die zu Zeiten von Kriegen gerne von Staaten ausgegeben wurden, um den Krieg zu finanzieren. Auch da wurde letztlich an die wohlhabenden Bürger appelliert, ihr Geld zum (im Falle des dritten Reiches vorgeblichen) Wohl der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Wir reden also quasi über „Wirtschaftskriegsanleihen“, möglicherweise gar ohne Rückzahlung. Das Problem an der Sache ist: Deutschland ist zu Reich dafür. Daher: Die wohlhabenden Menschen, die das nötige Kapital hätten, um die Ärmsten zu unterstützen, würden sagen: „Also unsere Spenden sind doch nun wirklich nicht nötig, wir zahlen doch schon so viele Steuern…“ und tatsächlich müsste man ihnen insoweit Recht geben, dass der Staat auch ohne Spenden seitens der wohlhabenden Bürger problemlos in der Lage ist, die Härten durch teurere Energie für die Bürger aufzufangen, im Zweifel über eine Neuverschuldung.

Also klar würde ich mir wünschen, dass es im Rahmen dieser Krise zu einer „freiwilligen Umverteilung von Oben nach Unten“ kommen würde, aber irgendwie bin ich zu pessimistisch, um zu glauben, dass die wohlhabenden Bürger da mitspielen würden.

Der andere Punkt ist halt immer der Kritikpunkt, wenn eine reiche Person für eine Vermögenssteuer eintritt und asoziale Reiche dann sagen: „Spende doch dein Vermögen, hält dich doch keine von ab. Aber lass mir mein Geld!“. Das Problem ist hier: Eine freiwillige Abgabe führt dazu, dass die „sozialen Reichen“ ärmer werden (und weil Geld Einfluss ist, damit auch Einfluss verlieren), während die „asozialen Reichen“ reich bleiben. Die langfristigen Implikationen sind, dass die Wirtschaft noch mehr als ohnehin schon von „asozialen Reichen“ bestimmt wird (z.B. über Investitionsentscheidungen). Das ist nicht wirklich wünschenswert.

Daher wäre ich statt für eine freiwillige Abgabe eher für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und allgemeine Steuererhöhungen von Spitzenverdienern. Außerdem sollte die Privilegierung in den Sozialsystemen (z.B. Bemessungsgrenzen) und die Möglichkeit von Vielverdienern, sich den Sozialsystemen vollständig zu entziehen, abgebaut werden, sodass diese auch die Sozialsysteme direkt stärker finanzieren.

Ja, das war das dominante Narrativ damals und zeigt für mich, dass wir noch lernen müssen, strategisch und geopolitisch zu denken, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

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Extrem sehenswert und sehr zu empfehlen finde ich die Robert Habeck Sendung vom 31.03.22 bei Markus Lanz.

Dort führt er sehr ausführlich, fundiert und voller Schmerz aus, warum er „whatever the cost“ nicht für die richtige Strategie hält.

  • Ein Gas-Embargo würde die zur Verfügung stehende Gasmenge in Deutschland langfristig verringern. Es gibt neben den russischen Pipelines keine Infrastruktur die so große Gasmengen in unser Netz pumpen kann. Es gibt zwar genug LNG Terminals in Europa, aber diese sind nicht mit unserem Netz verbunden. Einige Länder, zum Beispiel Frankreich lehnen auch den Bau solcher Pipelines durch ihr Staatsgebiet ab. Somit sind für uns die Spanischen LNG Häfen unerreichbar.
  • Ein Gas-Embargo führt also dazu, dass wir, bis wir die nötige Infrastruktur in ein paar Jahren an den deutschen Küsten haben auf die Hälfte vom Gas verzichten müssen.
  • Das führt wiederum dazu, dass viele industrielle Verbraucher schließen müssen. Diese produzieren aber mit dem Gas Kunstoffe/Ammoniake/Stähle die dann ganz am Anfang der Lieferkette fehlen. Dünger und Halbzeuge fehlen und viele weitere Güter können nicht produziert werden.
    Das führt dazu, dass wir kein Geld mehr haben, keine Waffen produzieren können und auch der Ukraine nicht mehr helfen können.
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Mein Eindruck ist, dass niemand wirklich abschätzen kann, was passiert, wenn das Gas plötzlich nicht mehr fließt. Eine Weile würden die Speicher den Ausfall abfedern. Trotzdem laufen dann Prozesse los, die einige Überraschungen bringen werden. Hier mal ein paar Ansätze:

  • Gaspreise steigen noch stärker
  • Gaspreis hoch —> Strompreis hoch
  • Heizölpreise explodieren, weil Industriebetriebe versuchen auszuweichen
  • Privathaushalte horten alles brennbare und elektrische Heizungen
  • Heizölpreis hoch —> Dieselpreis hoch
    Wenn Speicher leer laufen sollten:
  • Chemiebetriebe fahren runter
  • Baustoffe wie Zement und Ziegel werden teurer und knapp
  • Glasindustrie bricht zusammen
    -…
    Wie schnell und wo genau sich die Probleme der Hersteller der Grundstoffe auf die weiterverarbeitenden Industrie- und Gewerbebetriebe auswirken, wird versucht mit Hilfe von Modellen abzuschätzen.
    Wie das im echten Leben mit zum Teil irrational handelnden Akteuren ausgeht, müssen wir hoffentlich nicht erleben!
    Ich muss dabei immer an das Buch Blackout denken. Da sind ähnliche Abläufe sehr gut dargestellt, die ich gern nur im Roman lese.

Hat nun jemand einen Betrag genannt oder gefunden?

Wieviel Geld kostet es, um aus vier Äpfeln fünf zu machen? Nun? Ach, geht nicht? Ja genau!

Europa bezieht aus Russland ca. 2000 TWh Erdgas pro Jahr. Der Weltmarkt für Flüssiggas hat dagegen ein Volumen von gerade einmal 5000 TWh. Und davon gehen bereits jetzt so ca. 1000 TWh nach Europa. Der Großteil des Rests geht nach China, Japan, Südkorea und Taiwan - die werden kaum alles dicht machen wollen, weil Europa nun plötzlich 60% des Weltmarkts für sich beansprucht. Und Geld haben die genausoviel wie wir.

Die Kosten des fehlenden Gases sind also nicht finanzieller, sondern materieller Natur. Es werden Dinge, die gebraucht werden, nicht produziert werden können. Und Menschen werden keine warmen Wohnungen und kein warmes Wasser haben.

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Laut Handelsblatt wird von der Industrie 31% des Erdgases verbraucht - und hiervon 70% für Prozesswärme. Diese Prozesswärme könnte man umstellen auf andere Wärmelieferanten/Strom.
Für den Rohstoff Erdgas - also ca. 30% der Industrie oder 10% des Gesamterdgasverbrauchs Deutschlands - gibt es keine Alternative.
Deutschland fördert etwa 5% seines Gasverbrauches im Inland (Niedersachsen). Also reicht die im Inland geförderte Gasmenge gerade einmal für die Hälfte des Rohstoffverbrauchs Erdgas der Industrie.
Selbst wenn die Wärmeprozesse in Industrie, Fernwärme und Haushalt auf 100% Erneuerbare umgestellt werden, kann Deutschland eine Erdgasautarkie nur erreichen, wenn die Hälfte der Industrie ihre (alternativlose) Erdgas-als-Rohstoff verbrauchende Sparte dichtmacht.

Danke für diese aufschlussreiche Antwort. Warum finde ich diese Prämisse so selten in den Medien?

Holy Moly! Da fällt uns einfach die (verpasste) Energiewende auf die Füsse.

korrekt - aber den Rohstoff Erdgas kann auch die Energiewende nicht ersetzen.
Zumal der Bedarf an Erdgas zur stofflichen Verwendung noch größer wird, wenn russischer und ukrainischer Dünger nicht mehr den Weg nach Deutschland findet und dieser auch hierzulande hergestellt werden muss.
Es gibt keinen autarken Weg, Deutschland mit Erdgas zu versorgen - selbst bei vollzogener Energiewende. Mit Energiewende wäre Deutschland unabhängiger - aber 100% unabhängig vom Erdgas anderer Staaten wird Deutschland nie.

Wenn wir der Ukraine mit allen Mitteln kurzfristig helfen wollen, dann sollten wir Geflüchtete aufnehmen, Waffen liefern und die Technologiesanktionen aufrecht erhalten. Der Importstopp von Gas wäre wohl erst einmal ein großes Symbol, das den Krieg nicht stoppen würden, denn dieser wird ja nicht mit Euros bezahlt.

Sollten wir nun anfangen, den LNG-Weltmarkt leerzukaufen, dann wird Russland auch mittelfristig in diesen einsteigen und Gas nach Indien und China verkaufen. Selbst wenn kein einiger Kubikmeter mehr von Russland nach Europa fließt, werden wir durch unsere Konkurrenz um LNG mit China und Indien dort wieder erstklassige Absatzmarkt für Russland schaffen. Am Ende haben sich die Gas- und Kapitalflüsse einmal im Kreis gedreht. Zugegebenermaßen könnte es ein paar Jahre dauern, bis Pipelines, Terminals und Tanker für Russland bereitstehen, aber Putins Regime scheint eher in Jahrzehnten zu denken und mit einer solchen Perspektive sind ein paar Jahre ohne Exporte auch ohne Gefährdung für das Regime und sein Verhalten überbrückbar.

Statt eines kurzfristigen Energieboykotts gegen Russland bin ich einen mittelfristigen Fundamentalboykott von Erdgas und -öl. Der europäische Teil des Weltmarktes für fossiles Gas und Öl muss innerhalb der kommenden 10 Jahre (besser noch früher) komplett verschwinden und den globalen Markt für Gas und Öl dabei schwer beschädigen. Dazu müssen die entsprechenden Schlüsseltechnologien in Europa zum günstigsten verfügbaren Industriestandard (weiter) entwickelt bzw. ausgebaut werden, so dass sie auch weltweit zur Verfügung stehen:

  • Stromproduktion durch erneuerbare Energien,
  • Herstellung und saisonale Speicherung von grünem (wenn man Frankreich ist und die teuren Dinger schon rumstehen, dann meinetwegen auch gelbem) Wasserstoff,
  • auf Wärmepumpen basierende Gebäudetechnik,
  • Anstrengungen zur energetischen Sanierung,
  • direkte Anwendung grünen Wasserstoffs in der Industrie,
  • Technologien zum Ersatz der stofflichen Anwendung von Methan in der chemischen Industrie, etwa durch Bio-, Deponie- oder Grubengas oder Umstellung der Prozesse auf andere Ausgansstoffe,
  • Verkehrs- und Antriebswende,
  • Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs (insbesondere von Düngemitteln) in der Landwirtschaft, etwa durch naturnähere Bewirtschaftung.

In anderen Worten fordere ich eine Turbo-Energiewende. Ich glaube ja nicht einmal, dass so etwas wirtschaftlich nachteilig wäre, aber selbst wenn, fände ich es vertretbar, wenn wir einen Bruchteil der wirtschaftlichen Nachteile eines Importstopps von Gas in Kauf nähmen. Denn das ist das einzige Szenario, vor dem die russische Führung wirklich tatsächlich Angst haben sollte.

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Gazprom muss 80% der Gaseinnahmen in Rubel tauschen. Damit tragen wir indirekt mit den Gasimporten bei den Rubel zu stabilisieren. Und natürlich gibt es auch ein paar Güter, die Russland weiter importieren muss. Da sind ein paar Dollar und Euro ebenfalls nützlich.

Danke für die Einschätzung. Hast du eine Quelle dafür, dass die Verfügbarkeit von Flüssiggas auf dem Weltmarkt der limitierende Faktor ist? Ich frage, weil ich aus dem Leopoldina Dokument den Eindruck bekomme, dass die europäische Infrastruktur ein größeres Problem wäre als die Möglichkeit, die Fördermengen kurzfristig zu erhöhen.

Flüssiggas aus verschiedenen Teilen der Welt könnte das russische Erdgas dort ersetzen, wo Gas in der kurzen Frist nicht substituierbar ist. Deutschland verfügt allerdings noch nicht über eigene LNG-Terminals. Deren Aufbau würde vermutlich mindestens 3 Jahre benötigen, wenngleich für drei Standorte Planungen bereits fortgeschritten sind. Zwar könnten Terminals anderer Länder, deren Auslastung in den vergangenen Jahren eher niedrig war, grundsätzlich ohne weiteren zeitlichen Verzug für den Import von LNG nach Deutschland genutzt werden. Doch die Voraussetzungen dafür sind erheblich: Erstens müsste die globale Verfügbarkeit von LNG hinreichend hoch sein – dies dürfte letztlich eine Frage des Preises, langfristiger Lieferverpflichtungen und der internationalen Kooperationsbereitschaft sein. Zweitens müsste die Anbindung der LNG-Terminals an das deutsche Pipelinenetz mit einer ausreichenden Kapazität gewährleistet sein.
Insgesamt haben die in der EU-27 aktuell bestehenden LNG-Terminals (2020) eine Umschlagskapazität von 1715 TWh.9 Das entspricht rein rechnerisch etwa den gegenwärtig aus Russland in die EU importierten 1768 TWh an Erdgas und LNG. Ein Teil dieser vorhandenen Kapazität wird aber bereits jetzt für den Gasimport genutzt. Im Jahr 2020 waren dies 798 TWh.10 Dementsprechend stünden nach einem russischen Lieferstopp, bei dem auch die 156 TWh LNG aus Russland wegfielen, knapp 1100 TWh für Importe aus anderen Weltregionen zur Verfügung. Zudem verfügt die Türkei über weitere LNG Terminals, die helfen könnten, über die existierenden Pipelines Europa zu versorgen.

Es stimmt aber, dass der Text auf die Förderproblematik nicht im Detail eingeht.

Das Argument, dass wir mit Waffenlieferungen eine größere Hilfe sein können als mit einem Gasstopp finde ich nachvollziehbar. Ich kann wirklich schwer einschätzen, welche Maßnahmen unterm Strich zielführender sind.

Habeck argumentiert ja auch ähnlich: Wenn ein Gasstopp zu einer quasi-Deindustrialisierung Deutschlands führt, schaden wir der Ukraine damit vielleicht mehr als Russland.

Andererseits stelle ich mir auch die Frage: Sollte dies wirklich so sein, und Putin kommt zu dem selben Ergebnis, sollte er dann nicht direkt den Hahn zudrehen?

Vielleicht ist abwarten tatsächlich eine bessere Strategie. Ich hoffe, dass wir uns das nicht nur schön reden um die harten Entscheidungen zu vermeiden die moralisch notwendig wären.