Welche Erwartungen haben wir an unsere Politiker:innen?

In den aktuellen Diskussionen werden die hohen Erwartungen wieder recht deutlich.

Tatsache ist, das diese Aufgabe ja bewusst und freiwillig wahrgenommen wird, zudem die finanzielle Entlohnung nicht so schlecht ist.

Was erwarten wir als Bürger:innen dafür?

Offenbar eine Person ohne Privatleben, die rund um die Uhr für den Politikerjob da ist, fachlich in jedem Thema bewandert ist keine Fehler macht, immer die richtigen Lösungen parat hat, weder Stress noch menschliche Schwächen kennt.

Aufgrund der aktuellen, eigentlich ständigen Kritik an amtierenden Mandatsträgern haben wir diesen Typus Politiker noch nicht gefunden?

Wo sind diese Idealtypen? In der freien Wirtschaft, im Studium, oder wollen die guten Leute diesen Job gar nicht machen?

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Ich weiß nicht. Ich interessiere mich für Geschichte, und aus den vielen Texten die ich gelesen habe, ist mir dieser eine römische Kaiser im Gedächtnis hängen geblieben, der über so gut wie kein einziges Talent verfügte: Er war ein furchtbarer Heerführer, hatte keinerlei Ahnungen von Finanzen oder Wirtschaft, verstand nichts von Außenpolitik, Landwirtschaft oder irgend einem Handwerk. Das Einzige was er konnte war: Gut delegieren. Er erkannte einen fähigen General, wenn er vor ihn trat, wusste wer mit Finanzen und Wirtschaft umgehen konnte, etc. Und das ist eigentlich, was ich von einem guten Politiker erwarte - nicht dass er selbst Ahnung von seinem Fachgebiet hat, sondern dass er Leute findet, die Ahnung haben und Probleme lösen können. Und denen dann die Aufgaben überträgt.

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Also ich würde mit Habeck nicht tauschen wollen. Kurz nach der Wahl wäre das noch anders gewesen: Klare Vision, mein Ministerium nach so vielen Jahren einen „grünen Drive“ zu geben. Das ist ein ehrenwertes Ziel. Aber jetzt verstrickt in mehrfachen Krisen mit Zielkonflikten kann man nur verlieren. Ich glaube, das macht auch ihm keinen Spaß mehr. Umsomehr meine Bewunderung, dass er weiter macht.

Wo aber meine Erwartungen enttäuscht wurden, ist das Verkehrsministerium. Nach gefühlt 100 Jahren in CSU-Hand und in jeder Legislatur mit affigeren Vollpfosten besetzt, hatte ich die Erwartung, dass es jetzt besser wird. Ich bin einfach nur traurig. „Bürger-initiiertes, konstruktives Misstrauensvotum für Minister“ das wärs. Ich hätte zwei Stück auf meiner Liste, einen hab ich schon genannt, die andere dürft ihr raten.

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Meine Ausgangsfrage war wohl nicht gut formuliert, es soll nicht so sehr um einzelne Politiker:innen gehen, sondern eher allgemein um Erwartungen an diese Menschen.

Zwei Aspekte:

  1. Eignung und Qualifikation. Aktuell hat man bei einer Wahl einen Spitzenkandidaten:in, die Ministerposten werden nach der Wahl parteiintern vergeben. Oft eher nach den Verdiensten in der Partei. Wäre es für die Bürger vor der Wahl transparenter, die Kandidaten für Ministerposten schon zu kennen, samt Lebenslauf, um besser einschätzen zu können welches Paket man da wählt? Es also nicht nur an einer Person festzumachen?

  2. Gestehen wir unseren Politiker:innen noch zu Menschen zu sein, mit Fehlern und Schwächen, mit Familie und Bedürfnissen? Wollen wegen des Drucks auf Politiker die weiteren guten Leute gar nicht in die Politik?

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Ich glaube diese „Superhelden“ gibt es nicht. Nirdgendwo. Aber irgendwie wird das immer indirekt gefordert.

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Sehe beide Punkte etwas anders:

  1. Ich meine das gab es schon mal, dass die Mannschaft im Wahlkampf vorgestellt wurde . Das geht halt nicht wenn es auf eine Koalition hinausläuft
  2. glaube nicht, dass die Menschen diese Anforderungen haben. Da wäre Seehofer niemals so lange im Amt geblieben bzw wäre nie in eins gekommen. Aus meiner Sicht ist es der Stil der Politiker dem Kollegen mit allen Mitteln zu schaden, und die Medien greifen das dankbar auf

Guter Punkt.

Zwei weitere Gedanken:

  • Oft heisst es, der/die Minister:in habe keine Ahnung vom jeweiligen Amt. Müssen Politiker in Ihrer Funktion Fachleute sein? Also muss ein Verteidigungsminster:in Soldat:in gewesen sein, ein Agrarminister Landwirt oder ein Gesundheitsminister Mediziner, um fachlich geeignet zu sein? Oder ist das aktuelle Prinzip eines Politprofis, der die politischen Spielregeln kennt, sich in ein Thema einarbeitet, besser? Weil man dann ggf neutraler und weniger direkt betroffen ist?

Zu Leo Worms Punkt 2: Die Rolle einer Opposition. Sollte es nicht Aufgabe aller Parteien sein, konstruktiv am Wohl des Landes mitzuarbeiten? Das eine Opposition durchaus Kritik üben darf an der Regierungsarbeit, aber konstruktiv und sachlich? Wenger „unter die Gürtellinie“ oder sehr persönlich, wie es sich oft zeigt? Und die Medien ebenfalls weniger dieses „Politiker-Bashing“ forcieren, wie es sich oft aktuell darstellt, sondern ebenfalls sachlich Fakten aufarbeitet und verschiedene Positionen darstellt?

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Gegenfrage: Muss Dietmar Hopp Software-Entwickler sein? Muss Elon Musk Elektroingenieur sein oder sich mit Fahrzeugbau auskennen?
Klar mag es helfen ein gewisses Verständnis der Materie zu haben bzw sich zu erarbeiten, aber für das rein Fachliche haben die Leiter soclehr Organisation eher andere Talente.

Die Aufgabe der Opposition ist zunächst einmal nicht, konstruktiv die Regierung zu unterstützen. Sie ist dafür da einen Gegenpol zu bilden und andere politische Meinungen der Bevölkerung im Parlament zu repräsentieren (die ihrer Wähler).
Sicher wäre es hier und da wünschenswert, wenn nicht nur Kritik geäussert wird sondern auch an anderer Weg aufgezeigt wird, nur ist dies eben oft auch gar nicht im Interesse der Opposition, denn sie wollen ja noch Ideen in der Tasche haben wenn sie gewählt werden sollten.

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Ich sage es mal so: sie sollten in der Lage sein inhaltlich zu führen. D.h. sie müssen verstehen was ihnen Fachleute erklären und sollten uns ihre Entscheidung erklären und ggfs. verteidigen können. Wie ein Absolvent nicht direkt Professor werden kann sollte auch ein Politiker mal außerhalb der Politik gearbeitet haben.
Usw
Bin gespannt auf weitere Meinungen

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Ich denke gute Politiker sollten folgende Eigenschaften haben:

  1. Sie müssen keine Experten sein, aber sie müssen in der Lage sein zu erkennen wer die richtigen Experten sind und deren Einschätzungen verstehen und richtig einordnen können.
  2. Sie müssen in der Lage sein zu kommunizieren und die Leute von Meinungen überzeugen zu können.
  3. Sie müssen in der Lage sein zu erkennen was die Bevölkerung will. Dazu reicht es nicht nur Umfragen zu lesen, sondern diese auch in einen größeren Kontext zu setzen.
  4. Sie müssen gut Verhandeln können und ihre Ziele erreichen können.
  5. Sie sollten konsistent in ihrer Meinung sein und nicht wie eine Fahne im Wind argieren, auf der anderen Seite sollten sie nicht zu ideologisch verkrampft sein.
  6. Sie dürfen nicht korrupt sein.
  7. Sie sollten in Krisen das Land vor ihr Privatleben stellen können, wenn die Krise ihr politisches Amt betrifft.

Letztlich wählen wir aber Parteien und keine Politiker und ein Politiker kann noch so gut sein, wenn das eigene Weltbild nicht mit dem des Politikers übereinstimmt, würde man ihn trotzdem in den meisten Fällen nicht wählen. Ich halte z.B. Lindner für einen guten Politiker, gerade was das Thema Kommunikation angeht, würde aber trotzdem die FDP nicht wählen.

Kommunikation ist ein gutes Stichwort.

Als Politiker/in muss ich meine Ansichten, Vorhaben und Ziele auch verständlich und relativ regelmässig kommunizieren können, um die Bevölkerung minehmen zu können.

Zum Aspekt Erfahrung, also das Politiker auch mal im Berufsleben gestanden haben sollten, um zumindest ansatzweise die Sorgen und Nöte der Bürger:innen verstehen zu können: fände ich wertvoll, weil solche Erfahrungswerte aus eigenem Erleben wichtig sind.
Nach dem Abi direkt in die Politik und ein Alibistudium nebenbei finde ich etwas dünn

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Sehr interessante Diskussion. Großes Lob dafür.

Aus meiner Sicht müssen Minister zunächst einmal gute Manager im Sinne eines Organisators sein.
D.h. ab Ebene der Staatssekretäre muss jedoch Fachkompetenz vorliegen.

Ich möchte trotzdem drei Ausnahmen machen: Der Finanzministerin sollte schon Volkswirtschaft als Ausbildung haben, der Justizministerin sollte Volljuristin sein und Außenminister*in sollte Außen- und Sicherheitspolitik oder Völkerrecht studiert haben.

Das größte Problem sehe ich auf der Ebene der Staatssekretäre, da dort auch oft nach Parteizugehörigkeit und Parteiproporz die Stellen besetzt werden.
Ein weiteres Problem liegt aber auch im Parlament, wo, wie wir wissen, mehr als 50% Juristen und Beamte sind. In den Ausschüssen liegt kaum noch Fachkompetenz. Darum müssen sehr viele Anhörungen abgehalten werden, welche dann oft parteilich gefärbt sind.

Persönlich habe ich mal eine Anhörung im NRW Ausschuss für Agrarpolitik miterlebt im Bereich Ölmühlen/ Bio-Diesel vs. Lebensmittel vs. Futtermittel. Soviel Nichtwissen hat mich damals (2011) echt schockiert. Da konnten nicht einmal Sachfragen formuliert werden, die zum Thema passten.
Die anschließende Debatte war eine reine parteipolitische Show, die nichts mit dem Sachthema zu tun hatte. Welche Studien, die damals bei Ausführungen der Ausschussmitglieder zitiert wurden, die mal nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hatten, hat mich ebenfalls schockiert.
Dieses Unwissen, gepaart mit dem Lobbyismus erklärt für mich so manche politische Entscheidung. Und das ist Parteiunabhängig.

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Das würde ich sofort verneinen. Denn die „Bevölkerung“ ist oft kein guter Ratgeber, wenn es um mittelfristige und langfristige Ziele geht und um den sozialen Zusammenhalt. Das sollte uns die Geschichte gelehrt haben.

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Möglicherweise war Ähnliches mit dem Kontext gemeint. Umfragen zeigen auch immer nur die Antworten auf spezielle Fragen. Und es gibt sicher Entscheidungen die gegen populäre Meinungen getroffen werden sollten.

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Würde ich zustimmen. Das Risiko von zum Beispiel Volksentscheiden zu komplexen Themen, deren Zusammenhänge nicht klar sind, hat man beim Brexit gesehen.

Die Fachkompetenz ist ein sehr relevantes Thema. Die Staatssekretäre bzw die Fachleute in den Ausschüssen sollten sxhon vom Fach sein, nicht nach Parteiproporz. Und Interesse am Thema haben

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Gerade hier sehe ich ein Defizit. Warum antworten Politiker oft nur noch Phrasen? Weil wenn man frei formuliert, ev. etwas heraus kommt, woran sich dann andere aufhängen und es zu einem „Skandal“ aufblasen. Und das gilt für alle Seiten, keine Politiker von keiner Partei ist da ausgenommen.

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Ich kann Dir auch sagen warum: Man wird nicht wiedergewählt.

Das ist sicher ein Aspekt. 4jährige Legislaturperiode mit dem primären Ziel der Wiederwahl. Für langfristige Veränderungen und Projekte schwierig.

Ich denke, dass hier eins der Probleme liegt: Diese Anforderungen sind überhaupt nicht simpel zu erfüllen. Wer kann von sich selbst sagen, dass er*sie alles das erfüllt? Wir haben fast übermenschliche Ansprüche an unsere Politiker, hauen ihnen manchmal jeden kleinen Fehler wochenlang in allen Zeitungen um die Ohren und wundern uns dann, warum wir so wenige gute/fähige Leute haben, die sich das antun wollen.

Entschuldige bitte, aber das hört sich so an wie das „Früher war alles besser und die Jugend besser erzogen“. Über beides beschwert sich Platon in seiner Politeia schon vor 2500 Jahren.

Ich finde das Thema sehr gut, @Mike. Vielleicht wäre es auch wert, uns (in einem anderen Thema) zu überlegen, was man tun könnte, dass mehr Menschen, die den Erwartungen besser entsprechen (wenn man der Meinung ist, dass die Politiker es nicht tun), in die Politik/Ämter zu bekommen.

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Es gibt sicher immer Politiker:innen, die ihren Job gut und auch gerne machen.
Leider hat man bei anderen oft den Eindruck, es geht um Machtgelüste und Selbstdarstellung (wie auch früher schon), und das es im Haifischbecken Politik vielfach vorrangig um Beziehungen und Seilschaften geht als um Fachlichkeit und Themenzentrierung. Das hält geeignete Leute sicher auch davon ab, sich zu engagieren, weil sie da wenig Chancen sehen. Kann frustrierend sein.
Daher fände ich für manche Funktionen ein Qualifikationsprofil, zumindest rudimentär, nicht so verkehrt. Wir brauchen ja eher Politker, die Probleme anpacken und lösen, statt nur darüber zu reden, ohne sich festlegen zu wollen.

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