Hallo RPausD,
Danke für dein konstruktives Feedback. Sie haben mit Ihrem Punkt, dass die Privilegien von Weißen Männern auch auf z.B. Vermögen beruht und dass eine geringeres Einkommen von Frauen auch andere Ursachen hat als eine aktive Unterdrückung, recht.
Aber die Vorteile von uns (damit meine ich mich und andere „weiße Dudes“) ergeben sich auch durch die Nachteile anderer Gruppen, welche wir i.d.R. nicht einmal wahrnehmen.
Wir werden wahrscheinlicher zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, haben bessere Chancen den „Wunschjob“ zu erhalten und damit auch die Möglichkeit uns zu beweisen. Wir haben bessere Chancen den gewünschten Mietvertrag zu erhalten (das wiederum führt ggf. dazu dass wir schneller zur Arbeit kommen oder in einer Gegend zu wohnen mit höherer Lebensqualität).
Wir werden seltener von der Polizei kontrolliert, u.a. weil wir tendenziell in der „besseren“ Gegend wohnen und dies führt wiederum dazu dass die Polizei bei uns seltener Vergehen Feststellt (weil sie in „besseren“ Gegenden seltener Kontrollen durchführt).
Wenn z.B. ein „weißer Dude“ mit ein paar Gramm Marihuana rumläuft wird es für ihn unwahrscheinlicher sein erwischt zu werden als für einen nicht „weißen Dude“. Wenn man als „weißer Dude“ dann doch erwischt wird ist die Chance recht gut das dies als Eigenbedarf angesehen wird. Für einen nicht „weißen Dude“ stehen die Chancen höher das bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird oder das ein Verfahren vom Staatsanwalt nicht eingestellt wird.
Ich will darauf hinaus dass es sehr viele Punkte gibt wo wir im Vorteil sind durch die Nachteile von z.B. POC und einzelne dieser Punkte können sehr langfristige Folgen für die Betroffenen der Benachteiligung haben. Wenn z.B. ein POC welche als Lehrer arbeitet, mit einem Gramm Gras erwischt wird, kann dies dazu führen dass er oder sie ihren Beruf nicht mehr ausüben kann, das führt zu Einkommensverlusten, Stress, Existenzängsten usw. Also einen ganzen Rattenschwanz von Problemen und Nachteilen. Sein Arbeitskollege (ein „weißer Dude“) wird seltener angehalten, wenn doch wird er weniger genau durchsucht und so weiter, also besteht für Ihn eine bessere Chance gar nicht in diese Spirale von Nachteilen hineinzugeraten.
Und diese Mechanismen & Strukturen in unserer Gesellschaft, können dazu führen dass ich gegenüber einen gleich Qualifizierten Mitmenschen welcher aber kein „weißer Dude“ ist so im Vorteil bin, dass ich auch mehr Vermögen aufbauen kann. Das führt z.B. dazu das auch meine Kinder auf die bessere Schule in der „besseren“ Umgebung gehen, die hängen ab mit Kindern aus privilegierten Familien, finden Freunde welche „höhere“ Berufliche Ziele haben wie Mediziner oder Jurist zu werden und dies wird auch meine Kinder anspornen solche gehobenen Berufe Anzustreben. Und schon haben wir Auswirkungen auf die nächste Generation.
(Sorry dass ich es nicht schaffe schneller auf den Punkt zu kommen und immer gleich halbe Romane verfasse.)
Ein Beispiel für diese Strukturellen Benachteiligungen möchte ich noch anbringen.
Mein Beruflicher Werdegang hat mit einer guten Ausbildung in einem sehr kleinen Handwerksbetrieb begonnen, diese Ausbildung ist der Grundstein für meinen Beruflichen Werdegang gewesen Ausbildung führte zum Meister, führte zum Studium (motiviert durch meine „weißen Dude“ Freunde welche alle eine klassische Akademiker Laufbahn gestartet hatten) und das wiederum führte zu meinen heutigen privilegierten (sicher, ordentlich bezahlt und gesellschaftlich geachteten) Job.
Als ich mit der Ausbildung fertig gewesen bin wollte mein Chef wieder ausbilden und wir haben eine einzige Bewerbung erhalten. Der Bewerber hatte einen türkischen Migrationshintergrund. Reaktion vom Chef „Ich bilde doch keinen Türken aus.“. Dieses Verhalten kann nur als rassistisch bezeichnet werden (dies so klar zu benennen fällt mir schwer weil ich den Chef sehr mag und dieser mich immer stark gefördert hat). Tatsache ist aber dieser Junge Mann hatte einfach nicht die gleichen Chancen erhalten wie ich und das hatte nichts mit seinen individuellen Eigenschaften zu tun sondern ausschließlich mit seinem Nachnamen und seiner Herkunft (seine Bewerbung wurde sich nicht einmal durchgelesen).
Ich will darauf hinaus das selbst wenn von uns („weiße Dudes“) als Individuen nie eine Benachteiligung gegenüber marginalisierter Gruppen ausgehen würde (und das sei mal dahingestellt), profitieren wir dennoch von den Strukturen und Mechanismen welche andere benachteiligen. Wir kriegen das häufig nicht einmal mit.
Lange Rede aber ich hoffe mit Sinn. Ich bin überzeugt davon dass „wir“ häufig (heißt nicht gleich ständig) unsere Privilegien erhalten aufgrund der Benachteiligung anderer, dies heißt aber nicht dass wir für unseren Individuellen Erfolg nicht auch mit Verantwortlich sind (durch Ehrgeiz, Fleiß usw.) nur ergeben sich für „uns“ Vorteile durch die Nachteile anderer.
Ich sehe es als unsere Aufgabe dies Anzuerkennen, erst dann sind wir bereit an die Stellschrauben zu gehen um die Gesellschaft fairer zu machen. Schlussendlich bin ich davon überzeugt dass dies für alle (auch für uns „weiße Dudes“) Vorteile bringen würde.
LG & nochmal sorry für den Roman