Wehrloser Sozialstaat

Und jetzt fragen wir uns mal, warum das so ist. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit.

Die Gesellschaft wurde über Jahrzehnte mit dem falschen Bild der Leistungslegende beeinflusst. So sehr, dass die meisten Menschen dies verinnerlicht haben und nicht mehr hinterfragen.
Gleichzeitig beteiligen sich Politiker und Medien zu einem wesentlichen Teil an der Hetze gegen arme, geflüchtete und marginalisierte Menschen oder ignorieren deren Probleme. Ja, auch dieser Thread tut genau das.

Es wurde über eine Art Gesetzeslücke berichtet. Es wird berichtet, dass an dieser gearbeitet wird.
Warum genau ist es also noch notwendig, aus diesem kleinen Problem einen Elefanten zu machen und in den Raum zu raunen, welche Lücken es wohl noch geben könnte?

Es wird gesagt: Damit kann man Stimmung machen. Und man macht gleichzeitig Stimmung.

Das IST Stimmungsmache.

Wo ist denn diese, wenn es um die Diskussion über überbordende Privilegien eines Teils der Bevölkerung, den Machtmissbrauch, die Klientelpolitik geht? Nein, das ist keine Ablenkung. DAS ist die wirkliche Gesetzeslücke.

Wer in der Öffentlichkeit heute gegen Geflüchtete und Arme hetzt (Abschiebung im großen Stil u.ä.) und Pseudoprobleme (Zahnarzt, Rücküberweisungen, Faulheit…) aufbauscht, macht sich mitverantwortlich für das nächste Hanau, den nächsten Walter Lübke, das nächste brennende Flüchtlingsheim. Das muss man einfach so hart sagen.

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Wirklich? Hetzte gegen Arme, Geflüchtete und Marginalisierte durch „zu einem wesentlichen Teil“ der Politiker und Medien?

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Das ist mein Eindruck.

Auch die Union, SPD, FDP und leider teils auch die Grünen lassen sich von der AfD treiben.
Alle rutschen merklich nach rechts, auch wenn sie - anders als die AfD - natürlich nach wie vor zum demokratischen Spektrum gehören.

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Ich glaube wir haben mittlerweile zum Teil sehr kuriose Einschätzungen dazu, was Hetze ist.

Aus meiner Sicht ist es für die Debatte absolut schädlich, wenn wir jede Kritik an maximaler Naivität bspw. im Umgang mit Flüchtlingen oder im Ausbau des Sozialstaats als Hetze abtun. Wie nennen wir denn dann das, was AfD und alle weiter rechts machen? Es muss auch im normalen demokratischen Spektrum erlaubt sein, über eine angemessene Ausgestaltung von Sozialleistungen (Satz für Burgergeld), dessen Digitalisierung (Bezahlkarte), etc. zu debattieren, ohne dass jeder Beitrag für Rationalität als Hetze gegen Arme diffamiert wird :slight_smile:

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Dabei wäre im vorliegenden Fall die Lösung ja ganz einfach.
Wenn Jonathan A. 24 anerkannte Kinder hat, die Mütter mittellos sind und von der Sozialhilfe leben und er für die Kinder Kindergeld bezieht, sollten einfach die Jugendämter mal aktiv werden und den fälligen Unterhalt pfänden.

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Ich habe zwar ein Problem damit wie hier mehrere Sachen in einen Topf geworfen werden, aber zumindest die Hetze gegen Bezieher von demm was lange Hartz IV hieß, ist meiner Ansicht nach seit mindestens 20 Jahren Standard in Boulevardblättern und allem was aus dem Dunstkreis von Springers Gossenpresse kommt. Erinnert sich noch jemand an die Kampagne um „Florida-Rolf“? Das war zwar ein besonders extremes Beispiel, aber der grundlegende Ton ist keine Ausnahme.

Von politischer Seite beteiligen sich die diesen Medien nahe stehenden Parteien, also Rechte wie Union und FDP und noch Rechtere.

Zu der Frage warum Steuerhinterziehung nicht so thematisiert wird? Wie hier auch vor ein paar Monaten angesprochen, konzentriert sich ein Großteil der Medien in der Hand von wenigen Vertretern der Klasse, die massiv durch Steuerhinterziehung profitieren kann (und große Parteispenden verteilen).

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Wenn Jonathan nach deutschem Recht unterhaltspflichtig wäre (weiß ich nicht), dann würde er seinen Verpflichtungen wahrscheinlich nicht nachkommen können und der Staat müsste ggf. für ihn in „Vorleistung“ gehen.

Weiß nicht, ob das für den Staat so vorteilhaft wäre…

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Das muss er eh, da die Mütter ja auch mittellos sind laut Aussage des Artikels. Und bei 22.000€ Kindergeld pro Monat ist er über der Pfändungsgrenze. Was ich nicht verstehe: wieso er das Kindergeld bekommt, wenn die Kinder bei den Müttern leben. Da hat ja die Kontrolle weitreichend versagt.

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Gehe da mit. Hätte eine Daumenregel im Angebot, Whataboutism oder false dichotomy in solchen Fällen zu vermeiden. So wie Du es anwendest, @vieuxrenard, hängt es zu sehr von der standpunktabähngigen Wahrnehmung der Gesamtlage ab: Du empfindest den Hinweis auf Steuerhinterziehung hier nicht als Whataboutism, weil Du recht allgemein findest, dass

Das teilen die Meisten, es entkräftet aber den Whataboutism-Vorwurf nicht.

Der an sich immer berechtigte Einwand der begrenzten Kapazitäten kann unterschiedlich stichhaltig sein. Oft ist er zu abstrakt. Es müssten, um Whataboutism und false dichotomy zu vermeiden mMn daher mindestens Anhaltspunkte dafür geliefert werden, dass die konkreten Problematiken auch um die gleichen Kapazitäten konkurrieren: Inm Beispiel mit Parkplätzen und Tötungsdelikten ist das ja nur bei einer extrem abstrakten Betrachtung so, die selten eine Rolle spielen wird. Praktisch wird das eine vom Ordnungsamt und (selten) den Verwaltungsgerichten, das andere von der KriPo und Strafjustiz durchgesetzt.

Der relevante Abstraktionsgrad ist eine Frage des Einzelfalls: Bei der medialen Thematisierung (zB im Podcast, wir sind ja bei den Themenvorschlägen) lässt sich relativ leicht argumentieren, dass in einem Podcast zum politischen Tagesgeschehen alles mit allem konkurriert.

Im Forum wiederum wird in den Themenvorschlägen ja auch einfach intern in der Community diskutiert. Der Charme liegt darin, dass man auch für nerdige, nischige Themen oft Diskussionspartner:innen findet. Wenn es einen nicht interessiert, lässt man ein Thema eben links liegen.

Hätte der Kanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt, ein solches Thema gesetzt, würde man ihm zurecht falsche Prioritäten vorhalten, bei einem einfachen Forumsmitglied greift das eher nicht.

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Nun die

Das wäre sicherlich möglich. Leider wird es nicht getan. Immer wieder wird in diesen Debatten das Gefühl vermittelt, dass Arme Menschen faul und geflüchtete Menschen Illegal sind. Damit wird eindeutig zu deren Ablehnung aufgestachelt. Und das nennt man nun mal Hetze.

Der Unterschied in Richtung rechts weiter außen ist meines Erachtens vor allem wie sehr die Hetze in Euphemismen verblümt wird.

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Eigentlich könnte man doch auch Vorurteile sagen. Oder Stigmatisierung. Oder Generalverdacht. Das, was auch der Form nach gerade passiert.

Laut Wikipedia: „Abwertend wird damit laut Duden die Gesamtheit unsachlicher, gehässiger, verleumderischer, verunglimpfender Äußerungen oder Handlungen bezeichnet, die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden oder etwas erzeugen.“

Einfach der Präzision halber, den Gesamteindruck teile ich durchaus.

Der Fairness halber: @Margarete hat überhaupt nicht „jede Kritik an maximaler Naivität“ oder „jede[n] Beitrag zur Rationalität“ als Hetze bezeichnet. Sie hat - vielleicht etwas aufbrausend - den Ausgangspost in einen übergeordneten Zusammenhang eingeordnet.

Die Beispiele deinerseits sind auch gerade nicht die, die Margarete in Klammern als Beispiele für Hetze abgeführt hat. Zudem ist es meiner Meinung nach überhaupt nicht treffend, die Bezahlkarte auf Digitalisierung zu reduzieren. Schon die von den Ländern gewünschten Standards und Gesetzesänderungen zeigen, dass die Verwendung der Leistungen beschränkt werden soll (u.a. Beschränkung bzgl Händler- und Warengruppen, PLZ) - s. Liste im Wortlaut bei Netzpolitik.org - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Lebensführung (in der Sache mag man das unterschiedlich bewerten). Zudem haben wir im Bezahlkartenthread ausführlich erörtert, wie sehr der politisch-mediale Diskurs vonseiten der Bezahlkarten-Befürworter:innen, v.a. aus der Union, von der Realität der Karte abweicht und Stimmung gegen Geflüchtete macht und unerfüllbare Erwartungen schürt. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die AfD bald in einigen Kommunen die Exekutive stellen wird, finde ich es unangemessen verharmlosend, das Thema als Digitalisierung abzutun (die übrigens auch Margarete in den Thread an Beispiel Hannover ausdrücklich begrüßt hat!).

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Natürlich ist „Hetze“ ein harter Begriff, aber auf viele Aussagen trifft er zu.
Herr Merz hat sicher gewusst, dass Ukrainer keinen „Sozialtourismus“ begingen, dass Flüchtlinge keine (bevorzugte) Zahnbehandlung bekommen und dass die meisten Migrantenjungen keine „kleinen Paschas“ sind. Trotzdem hat er es gesagt. Warum? Zum Stimmenfang. Das ist Hetze.
Auch Herr Söders Ankündigung, bei der Bezahlkarte mit besonderer Härte vorzugehen, ist Hetze, denn es suggeriert, dass diese Härte erforderlich ist, weil sich die Geflüchteten (pauschal) nicht gesetzeskonform verhalten. Auch Herr Söder glaubt sicher selbst nicht, was er da sagt. Was an seinem ständig wechselnden Kurs der Vergangenheit gut zu erkennen ist.
Herr Scholz weiß ganz genau, dass Abschiebung „im großen Stil“ nicht möglich ist.
Und was Frau Lang dazu bringt, ebenfalls mehr Tempo bei Abschiebungen zu fordern, können wir auch ahnen.

Dieses Spiel mit dem Feuer aus opportunistischen Gründen ist höchstgefährlich.
Und ich weiß wirklich nicht, warum ich dabei in meinen Aussagen lieb und nett und tolerant und verständnisvoll bleiben soll.

Die Demokratie, der Rechtsstaat, die offene, wohlwollende Gesellschaft braucht auch Zähne gegenüber den Kräften, die sie bedrohen. Nicht zu vergessen, dass es viele Menschen gibt, die diese Dynamik der Normalisierung fremdenfeindlicher Aussagen ernsthaft gefährdet. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kann mir ziemlich gut vorstellen, wie sich die Menschen fühlen, die zu den attackierten Gruppen gehören oder einfach nur so aussehen. Ich hätte Angst. Angst um mein Leben und meine Gesundheit. In manchen Kleinstädten im Osten ist die Bedrohungslage sogar schon ausgesprochen deutlich, soweit ich mitbekommen habe. Gerade erst ist das Haus eines Demo-Organisators in Thüringen angezündet worden.

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Jetzt bin ich auch dazu gekommen, den Artikel zu lesen. Deine Zusammenfassung erschließt sich mir nicht. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Art des Missbrauchs vorkommt. Schätzungen aus 2017 sprachen von 150 Millionen Euro Schaden pro Jahr.

Wie viele Hundertmillionen Euro Schaden müssen denn nachweislich pro Jahr entstehen, bevor ein Bericht darüber kein rechtsradikales Narrativ ist? Wer erhebt diese Schäden, wenn niemand über mögliche Missbrauchsfälle reden darf, weil der Verdacht bereits ein rechtsradikales Narrativ bedient?

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Das waren in dem genannten Jahr 0,02% der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands (~ 734695 Millionen €). Quelle: Statistisches Bundesamt

Zum Vergleich:
60 Milliarden € klimaschädliche Subventionen entsprächen 8,17% der Steuereinnahmen 2017.
100 Milliarden € Sondervermögen Bundeswehr entsprächen 13,61% der Steuereinnahmen 2017.

Mit dem „Argument“ kann man auch Berichte oder Nachforschungen zum möglicherweise von Scheuer verursachten Schaden durch die vergeigte Maut abwürgen.

243 Millionen Euro. Nicht einmal 0,04% der gesamten Steuereinnahmen Deutschlands…

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Ist doch längst abgewürgt…

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Aber nicht, weil es sich um ein linksradikales Narrativ handelt, dass das Ansehen des besten Verkehrsministers aller Zeiten beschmutzen will.

Und auch nicht, weil das Ministerium klar missbräuchlich gehandelt hat, immer mit dem Ziel den Staat um diese Summe zu erleichtern, der Schaden aber so niedrig ist, dass es sich nicht lohnt, dagegen was zu machen.

Das Argument hier ist eher, dass man sich schon fragen muss, ob sich die Bekämpfung rechnet. Ein Vorgehen gegen Misbrauch von Sozialleistungen wird ja auch Geld Kosten. Kann man sinnvoll genügend bekämpfen, ohne dabei mehr auszugeben als man an Missbrauch verhindert? Bei 150 Millionen Gesamtvolumen ist der Spielraum nicht sehr groß (und man wird nie 100% des Missbrauchs verhindern können).

Wenn man sich dagegen den Umfang der Steuerhinterziehung anschaut, beläuft sich das nach Schätzungen auf 125 Milliarden, also fast das Tausendfache. Da kann man sehr viel mehr Ressourcen reinstecken und es würde sich immer noch lohnen.

Lohnt es sich für 150.000.000 €, bei (fragwürdigen) Vaterschaftsanerkennungen zusätzliche Nachweise einzuholen?

Es ist kein Entweder/Oder. Ich will sowohl eine Bekämpfung von Steuerhinterziehung als auch eine Bekämpfung von Sozialbetrug.

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