Was tun gegen "Schwurbler" in der Justiz?

Hallo,
ich bin begeisterter Hörer der Lage und bin froh, dass Corona noch immer sehr sachlich und umfassend diksutiert wird.

Zu meinem Themenvorschlag: auffällig ist, dass zuletzt immer wieder Gerichte (OVG Lüneburg, VGH Mannheim usw.) Entscheidungen getroffen haben, die - vorsichtig ausgedrückt - infektionsschutzrechtlich fragwürdig sind. Da wurde, obwohl die Zahlen aktuell in die Höhe schießen und die Krankenhäuser sich füllen, infektionsschutztechnisch sinnvolle Maßnahmen wie 2G im Einzelhandel, 2G an Universitäten usw. kurzerhand gekippt. Verfolgt man die aktuellen Geschehenisse stellt man zudem fest, dass damit zu rechnen ist, dass weitere Maßnahmen als rechtswidrig fallen werden.

Meine Frage ist: wie kann damit umgegangen werden? Gibt es hier überhaupt eine Handhabe? Denn wenn Gerichte nun anfangen mit einem gewissen Trend, der sich langsam aber sicher in der Bevölkerung breitmacht, mitzuschwimmen, dann ist Tür und Tor für eine weitere Katastrophe geöffnet. Es scheint, als seien einige Richterinnen inzwischen näher an den Schwurblern dran, als viele für möglich gehalten haben. Und das ist in einer solchen Ausnahmesituation wie aktuell sehr sehr bedenklich. Beim OVG Lüneburg hat man einen weiteren Senat geschaffen und die Zuständigkeit für Corona-Verfahren an diesen neuen übertragen. So konnte man die „verquere“ Rechtsauffassung der bisher zuständigen Richterinnen etwas in Schach halten.
Ist das ggf. eine Möglichkeit, in Zukunft verantwortungsbewusste Rechtssprechung abzusichern? Gibt es gg. dienstrechtliche Möglichkeiten, solche Richter*innen zu versetzen o.ä., die meinen, fahrlässigerweise Lockerungen zu beschließen, die angesicht der bedrohlichen Lage abzulenen sind?

Denn wenn die Politik schon keinen Lockdown beschließen will, die Ampel mir nichts dir nichts die Rechtsgrundlage dazu abschafft und sich auch sonst viele Politiker*innen in den viel besprochenen Öffnungsorgien ergehen, brauchen wir zuminest starke Gerichte, die Infektionsschutz absichern (meine Meinung).

Danke & VG

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Hallo,

Aus BaWü kann ich dir, falls es interessiert, vielleicht die Urteile des VGH etwas näher erläutern. Diese wurden nicht unmittelbar am Infektionsschutz bemessen, sondern sozusagen formaljuristisch begründet. Die BaWü Corona-VO ist ein wenig besonders. Sie sieht einen Stufenplan vor mit vier Stufen, die nicht von der Neuinfektionsinzidenz, sondern allein von der Hospitalisierungsrate und der absoluten Zahl belegter ITS-Betten abhängig sind.

Anfang/Mitte Januar waren wir hier unten in der obersten Stufe, der „Alarmstufe II“. Dann sanken aber die besagten Werte, so dass eigentlich die „Alarmstufe I“ gegolten hätte. Diese sieht deutlich weniger Massnahmen vor. Daher wollte die Regierung das Abrutschen in die niedrigere Stufe vermeiden und hat deswegen in einer Nacht- und Nebelaktion die Alarmstufe II mit einem neuen Satz in der Verordnung bis zum Februar"eingefroren".

Allein das hat der VGH bemängelt. Die Regierung hat sich schlicht nicht an ihre eigenen Regeln gehalten sondern ist faktisch wieder zur Neuinfektionsinzidenz als Faktor zurückgekehrt. Das aber ist vom grundlegenden Gesetz, §28a IfSG nicht vorgesehen.

Der VGH hat aus meiner Sicht zurecht die spontane Aussetzung des Stufenplans allein wegen der Neuinfektionsinzidenz als rechtswidrig eingeordnet. Aussagen zur generellen Verhältnismäßigkeit von 2G hat das Gericht nicht getroffen. Sie müssen nur stets primär von der Hospitalisierungsrate bzw. der ITS-Belegung abhängig sein. So kann man §28a IfSG durchaus lesen.

Also keine Panik, zumindest in Mannheim hat man mitnichten „geschwurbelt“.

Solche Maßnahmen sind der Tod des Einzelhandels! Dieser kämpft um sein Überleben gegen die Onlinewelt.
Ob die 2G Maßnahme im Einzelhandel irgendwie sinnvoll sind im Sinne des Infektionsschutzes ist so weit ich weiß nicht belegt.

Echt? Wo ist denn der Beleg, dass die Leute ohne 2G bei vierstelligen Inzidenzen den Einzelhandel stürmen würden? Die Einzelhandelsverbände vergleichen immer schön mit der Vor-Corona-Zeit und schieben dann ihre Umsatzverluste allein auf die Maßnahmen. Das halte ich für ziemlich unredlich.

Ich hab jedenfalls überhaupt kein Problem, am Eingang vom Elektronikmarkt oder Schuhgeschäft kurz mein Telefon vorzuzeigen, aber in einen Laden dem alles scheißegal ist, da würde ich nicht unbedingt einkaufen wollen.

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Weil nie jemand richtig nachgeschaut hat, bzw. es schwer nachvollziehbar ist, ob sich jemand seine Corona-Infektion in den letzten Tagen gerade beim einkaufen geholt hat.
Tatsächlich sind 80% der Infektionsorte unbekannt.

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Naja, 80% waren’s damals, bei niedrig zweistelligen Inzidenzen, als die Gesundheitsämter zumindest noch versucht haben, die einfach nachvollziehbaren Kontakte (Haushalt, Arbeitsplatz, private Treffen) zu verfolgen. Mittlerweile dürften eher so 99% der Infektionsorte unbekannt sein.^^

@der_Matti und @otzenpunk es ist nicht bewiesen ob die 2G Maßnahmen etwas bringen. Deshalb plädiere ich im Zweifel für den Angeklagten bzw. für den Händler.
Wir haben die Pandemie jetzt 2 Jahre und es macht sich immer noch niemand die Mühe die Maßnahmen mit validen Zahlen und Studien zu belegen.
Da wir uns in diesem Frühjahr trotz aller Vorsicht und Boostern doch alle anstecken werden finde ich 2G im Handel übertrieben. Vor allem da das Risiko im Supermarkt ebenso hoch ist wie im Einzelhandel. Mit welcher Begründung wird hier eigentlich differenziert? Doch sicher nicht mit dem Infektionsrisiko, was seitens einer Pandemie die einzige legitime Begründung wäre.

Nein. Wenn’s alleine um den Anteil des jeweiligen Ortes an der Verbreitung ginge, hätten bspw. Schulen seit 2 Jahren beinahe durchgängig geschlossen, von den Sommermonaten vielleicht abgesehen.

Die Argumentation ist: Wir müssen irgendwo das Expositionsrisiko senken, um R unter 1 zu halten, und da es bestimmte Orte gibt, die „wir“ aus Gründen möglichst nicht antasten wollen, wie z.B. die Schulen, oder auch die Möglichkeit selbst für den bräsigsten Schwurbler, sich etwas zu essen zu besorgen. Deswegen werden dann woanders vielleicht umso härtere Schnitte notwendig, um das auszugleichen.

Kann man natürlich kritisieren. Dieses Mantra „Kinder brauchen unbedingt uneingeschränkten Präsenzunterricht, sonst gehen sie vor die Hunde“ ist imho ziemlicher Quatsch – jedenfalls hab ich bis dato noch niemanden sagen hören, dass Ferien Kinder psychisch belasten. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn Ungeimpfte sich ihre Lebensmittel und Klopapier im Internet bestellen oder irgendwelche geimpften Freunde bitten müssten, ihnen etwas mitzubringen. Aber das ist halt die Logik, die seitens der Politik dahinter steckt.

Wenn wir Maßnahmen erst ergreifen, wenn bewiesen ist, dass sie wirken, dann gute Nacht Pandemie- und Klimakatastrophen-Bekämpfung!

Ich finde es völlig richtig, wenn die Verantwortlichen erst einmal in Kauf nehmen, evtl. überzureagieren, wenn es einen soliden „Grund zur Vermutung“ gibt, ohne dass es schon Studien gibt.

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Der Staat unterlässt es meist, die Wirksamkeit der erlassenen Maßnahmen zu validieren und die Maßnahmen ggf. anzupassen. Das betrifft nicht nur 2G+ im Einzelhandel oder in Restaurants. Das z.B. betrifft auch

  • das Händewaschen / die Desinfektion (Schmierinfektionen gibt es offenbar gar nicht!),
  • das Einchecken mit der Luca-App (Gesundheitsämter haben die Kontaktnachverfolgung schon lange vor Omikron eingestellt und die Daten der Luca App wurde offenbar kaum genutzt),
    und vieles mehr,
  • die Kontrolle der 2/3G±Nachweise (gescannt wird immer noch sehr wenig und beim Abgleich mit dem Personalausweis wird meistens nur geguckt, ob der mitgeführt wird, nicht ob es sich um die gleiche Person handelt),
  • Impfnachweise (es sind unglaublich viel mehr Impfnachweise unterwegs wie Impfungen. Die Annahme, dass sehr viele Fälschungen unterwegs sind, ist ziemlich naheliegend

Das führt dazu, dass Regierung und Verwaltung immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert und immer mehr auch Nicht-Impfgegner, -skeptiker und -Covidioten das Vertrauen in Regierung und Verwaltung verlieren.

Damit will ich nicht sagen, dass 2G+ im Einzelhandel nichts bringt. Wir wissen es schlicht nicht!

Aus dieser Formulierung höre ich zumindest eine Akzeptanz einer „Durchseuchung“. Ich halte das im Hinblick auf die Pflegenden/Ärzte ebenso wie auf die Vulnerablen für vollkommen unverantwortlich.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Es gibt im Supermarkt kein 2G, weil es sich bei Lebensmittel um Waren des täglichen Bedarfs handelt, von denen niemand ausgeschlossen werden sollte. Dass es in den Supermärkten kein 2G gibt, wäre trotzdem suboptimal, wenn dort Infektionen im nennenswerten Umfang stattfinden (was wir nicht wissen, s.o.) Aber das kann ja schlechterdings ein Grund sein, auch auf 2G im restlichen Einzelhandel zu verzichten!

Genau, hier hätte man tatsächlich eine verlässliche „Kontrollgruppe“, eben Geschäfte des täglichen Bedarfs vs alles andere, was aktuell 2G oder 2G+ machen muss. Ok, man nimmt noch Restaurants, Bars etc aus, da man sich dort doch länger und auf einem Haufen aufhält. Aber z.B. mit dem Schuhladen ist das fast vergleichbar.
Aber, verglichen wird nicht. Zumindest nicht offiziell. Was herauskomt könnte die Bevölkerung verunsichern? Oder weswegen machen wir das nicht?

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Das hat nichts mit unverantwortlich zu tun, das wird die Realität sein wenn ich mir anschaue wer sich in meinem Umfeld zur Zeit alles ansteckt. Das sind durch die Bank vorsichtige Leute. Alle Geboostert, einige Geboostert und genesen und sie haben sich trotzdem angesteckt.

Ich höre Ulf immer wieder sagen dass wenn es um Recht und Gesetz geht gleiches auch gleich behandelt werden muss. Beim Thema Einzelhandel sehe ich aber gleiches ungleich behandelt und die Argumentation für die ungleiche Behandlung ist für mich NICHT schlüssig.