Was passiert, wenn die Offensive der Ukraine ein Erfolg wird?

Ich denke, einerseits hat sowohl Putin als auch der Westen die Schlagkraft der russischen Armee überschätzt. Russland ist nicht die UDSSR. Auch der Angstfaktor ('uh, die grosse russische Armee kommt, wir sind verloren") hat nicht gegriffen, zudem war die Zustimmung der ukrainischen Bevölkerung zu einem Abschluss an Russland sichtlich geringer als möglichweise von Putin erwartet.
Nun steht Putin plötzlich etwas mit dem Rücken zur Wand, da sein Blitzkrieg als mil. SPEZIALOPERATION nicht funktioniert hat.
Andererseits verfügt Russland immer noch über enormes Potential, wenn auch durch die westlichen Sanktionen beschränkt.
Wenn die Ukraine jetzt in den Gegenoffensiven erfolgreich sein sollte, hängt es wohl davon ab, wann Putin in seiner Vorstellung Russland angegriffen sieht. Wenn er Krim und Donbass als russisches Gebiet ansieht, ist der Einsatz von Atomwaffen zumindest nicht völlig abwegig, wenn es mit konventionellen mitteln nicht funktioniert.

Dazu am Rande: Ukraine-News: Russlands Soldaten plündern Zivilisten – weil Putin-Militärapparat versagt

Ich glaube, für die Argumentation ist es egal, ob Putin irrational agiert oder rational in einer irren Realität.

Das ist mal ein wirklich gutes Argument, was gegen den automaren Erstschlag mit strategischen Waffen durch Putin spricht! Gegen den Einsatz taktischer Atomwaffen in der Ukraine spricht das leider nicht.

Da gegen ist in dieser Argumentation sehr schön hergeleitet, warum die Sorge vor einem atomaren Erstschlag - egal ob taktisch oder strategisch - unser Handeln nicht leiten darf.

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„Irrational“ ohne weitere Spezifikation ist für mich gleichbedeutend mit „erratisch“, also unvorhersehbar und keiner konstanten Logik folgend, denn das ist die ungünstigste Form des irrationalen Handelns, und die muss ich im Zweifel annehmen, wenn jemand von „Irrationalität“ spricht. „rational in einer von unserer abweichenden Realität“ (ich habe „irr“ hier mal präzisiert, vermutlich meintest du es so) ist kein erratisches Handeln, sondern folgt einer konstanten Logik, die nur von unserem Standpunkt betrachtet zunächst irrational oder sogar erratisch wirkt, weil sie nicht dieselbe Logik ist, nach der du und ich handeln. Der Unterschied ist aber: während ich bei ersterem, also dem erratischen, Akteur keinerlei Chance habe, sein Handeln zu antizipieren, gibt es bei letzterem Akteur diese Möglichkeit, wenn es gelingt, sich in die verzerrte Realität des Akteurs hineinzudenken bzw. herauszufinden, an welchen Stellen diese Realität von unserer abweicht und an welchen Stellen sie gleich ist.

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Die Diskussion ging ja hauptsächlich nicht darum, ob es mehr oder weniger unwahrscheinlich ist, dass Putin eine Atombombe abwerfen lässt. Sondern, ob er es überhaupt tun würde.

Und zum Thema Vertrauen der Untergebenen: Klar kann das Putin nicht egal sein, aber ich halte es für extrem schwer abschätzbar, wann er das Vertrauen verlieren würde. Als der Krieg begonnen hatte, hieß es schon „Jetzt hat Putin das Vertrauen seiner Leute verloren“ und danach kam immer wieder so eine Aussage und bis heute scheint er große Unterstützung zu haben und sehr fest im Sattel zu sitzen.

Ein anderes Beispiel wäre Trump bei dem es schon bevor er überhaupt im Amt war hieß, er hätte die Unterstützung seiner eigenen Partei verloren und danach hieß es dann quasi jeden Monat, jetzt ist er aber wirklich zu weit gegangen, diesmal hat er nun wirklich die Unterstützung seiner Leute verloren. Und selbst jetzt, nachdem er nicht mehr im Amt ist und seine Anhänger das Kapitol gestürmt haben, stellen sich die Republikaner noch schützend vor ihn.

Bei solchen Leuten ist es glaub ich extrem schwer abschätzbar, wann wirklich der Zeitpunkt ist, an dem sie Ihre Unterstützung verlieren.

Und nochmal zurück zum Ukrainekrieg. Wenn die Ukraine offen Ziele auf russischem Boden angreift, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Putin eine taktische Atomwaffe verwendet, um zu zeigen, bis hierhin und nicht weiter. Und sowas würden die Russen dann evtl. auch unterstützen. Da könnte es ja vielleicht sogar kritischer für Putin werden, wenn er keine Atomwaffe einsetzt.

Alles in allem halte ich es aber in der aktuellen Lage auch eher unwahrscheinlich, dass Putin eine Atomwaffe einsetzt

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Der Titel dieses Forums ist ja „Was passiert, wenn die Offensive der Ukraine ein Erfolg wird?“. Der ukrainische Präsident hat ja schon viele Offensiven angekündigt, daher weiß ich nicht genau welche hier gemeint ist.

Ich glaube nicht, dass die Ukraine innerhalb der nächsten Jahre signifikante Teile der durch Russland eroberten Gebiete zurückerobern kann. Ein berühmter Mann hat einmal gesagt: „In einem Krieg kommt irgendwann der Punkt wo man nicht mehr fragt warum er begonnen wurde, sondern nur wie man das Blutvergießen beenden kann“:

Ich hoffe dass die Ukraine und Russland möglichst schnell zu einem Frieden kommen, damit das Blutvergießen beendet wird und die einfachen Menschen wieder eine Perspektive haben die besser als Krieg ist. Falls jetzt jemand fragt, wie dieser Frieden aus meiner Sicht aussehen kann? Russland bekommt Donzek/Luhansk Republik + Krim + Mariupol. Russland stimmt zu dass die Ukraine in die EU (nicht in die Nato) aufgenommen wird und wir als EU zeigen den Russen jeden Tag wie gut es sich als Ukrainer in der EU leben lässt. Gegebenenfalls müssen die Russen noch ein paar Gebiete erobern, damit sie diese beim Friedensvertrag zurückgeben können, aber das sollte ja kein Problem sein. Meiner Meinung nach ist die ukrainische Armee ohnehin meistens auf dem Rückzug, was man gerade aktuell an den Zwangs-Evakuierungen im Donbass beobachten kann.

Mich bitte jetzt nicht steinigen. Ich verstehe all diejenigen die Freiheit/Demokratie über das Leben stellen. Da ich jedoch nicht davon ausgehe, dass die Ukraine überhaupt gewinnen kann, stelle ich das Leben über die Freiheit (des besetzten Teils).

Übrigens, falls jemand eine vernünftige regelmäßige militärische Analyse z.B. auf Youtube kennt, wäre ich sehr dankbar für den Link. Ich kenne nur Military Summary, die Entwicklungen stimmen meistens obwohl ein bisschen Bias in der Berichterstattung zu erkennen ist (kommt aus Belarus).

Auch hier die Bitte - mehr oder weniger subtile Beleidigungen einfach unterlassen. Wer dazu nicht fähig ist, einfach nicht antworten.

Allen ein schönen Sonntag und einen guten Start in die Woche

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Es gibt viele Stimmen, die sagen, dass genau das der Hauptgrund für den Konflikt ist. Die russische Führung will nicht, das vor ihren Toren eine erfolgreiche Demokratie entsteht, die am Ende auf Russland übertragbar wäre.
Das halte ich für durchaus realistisch, insbesondere, weil der Donbass-Konflikt der letzten 8 Jahre ja genau die Wirkung hatte, das die EU keine Länder aufnimmt, die ungelöste Konflikte auf ihrem Territorium haben.

Aber zurück zum Thema:
Ich halte es tatsächlich am wahrscheinlichsten, dass Russland genau so lange weitermachen wird, bis die Ukraine tatsächlich anfängt, nennenswert Gebiete zurück zu erobern.

Dann werden die Russen einen Waffenstillstand vorschlagen.

Wie schon gesagt, ich glaube die russische Führung will vor allem verhindern, dass die Ukraine eine wirtschaftlich einigermaßen erfolgreiche Demokratie wird, da das ihr eigenes System bedrohen könnte. Daher muss Russland irgendwie sicherstellen, dass die Ukraine nicht in die EU kommt und wie sie das schaffen wollen, da habe ich momentan auch keine richtig gute Theorie.

Was die hoch-gesteckten Ziele angeht, die wird Moskau schnell umdeuten und gut. Ist ja nicht so, dass die Russen vom Kreml Ehrlichkeit oder Zuverlässigkeit erwarten, weil sie die russ. Führung sonst bei den nächsten Wahlen abstrafen würden.

Viele „Beobachter“ sind davon ausgegangen, dass Russland die Ukraine innerhalb von wenigen Tagen besiegen wird. Ist nicht passiert.

Tatsächlich finde ich es überraschend, dass es nach fast einem halben Jahr Krieg immer noch Personen gibt, die immer noch der Meinung sind, dass sich die Ukraine aufgrund der vermeintlichen Aussichtslosigkeit ihrer Verteidigung doch besser ergeben solle. Was auch im deinem Beitrag dazu führt, dass ein großer Teil der Ukraine unter russischer Besatzung bleiben würde. Das kann aber kein akzeptabler Ausgang des Krieges sein.

Dazu müssten nach heutigem Stand beide Seiten akzeptieren, dass sie verloren haben. Die Ukraine einen beträchtlichen Teil ihres Staatsgebiets und Russland den Anspruch, die (Rest-)Ukraine politisch und kulturell zu dominieren.

Kann sein, dass es darauf eines Tages hinausläuft. Aber wenn man nach historischen Beispielen für solch einen „Erschöpfungsfrieden“ sucht, dann landet man bei Kriegen, die erheblich länger andauerten als dieser. Der Koreakrieg hielt 3 Jahre an, der Iran-Irak-Krieg sogar 8 Jahre. Das waren jeweils Konflikte, die letztlich in einem Patt endeten. Aber bis beide Seiten dies als Ergebnis akzeptieren konnten, dauerte es.

Hier die Karte von Anfang April: Soar | Discover your Earth

Und Ende Juli: https://soar.earth/maps/13015?pos=48.58396564303463%2C31.127628994999974%2C7

Wenn man nicht weiß, wo genau man hinschauen muss, könnte man sie auf den ersten Blick sogar verwechseln.

Was aus Sicht der Ukraine etwas Hoffnung macht, ist der Umstand, dass das russische Militär mit jedem weiteren Kriegstag deutlich mehr Material einbüßt, als es regenerieren kann. Wir haben nun durch Photos und Bilder über 5000 verlorene russische Fahrzeuge dokumentiert. Davon allein 900 Kampfpanzer. Die ukrainischen Streitkräfte haben natürlich auch Verluste, aber - zumindest als Potential - steht hinter ihnen ein nahezu unerschöpfliche Nachschubquelle in Form des Westens. Solange diese Unterstützung anhält und gleichzeitig die ukrainische Bevölkerung ausreichend kampfbereit bleibt, könnte dieser Krieg bis zum Abschuss des letzten noch fahrbereiten russischen Panzers weiterlaufen.

Schau dir mal diesen Kanal an: https://www.youtube.com/channel/UCP2QApi8G2TKc8NZmeDWSUg

Erschien mir bisher sehr sachlich und in der Rückschau auch meistens korrekt in der Bewertung der aktuellen Lage. Allerdings haben wir es nicht (mehr) mit einem Bewegungskrieg zu tun, in denen beide Seiten sich in Ausgangslage für eine Entscheidungsschlacht bringen wollen. Daher passiert an den Fronten von Tag zu Tag und von Woche zu Woche sehr wenig. Außer dass sich die Verluste an Mensch und Material weiter auftürmen.

Hallo Guenter,

vielen Dank für Deine Rückmeldung, den Link zur Militär-Analyse und Deine Sichtweise.

Der amerikanische Akzent bei Deinem Link klingt nach einer Stimme des Westens, aber ggf. eine gute Ergänzung zu meiner Quelle aus Belarus. Wobei ich sagen muss, dass die Quelle aus Belarus auch sehr oft die westliche Schlachtkarte mit der russischen Schlachtkarte vergleicht. Es gab aber auch schon Fälle wo russische Gebietsgewinne zuerst auf der westlichen Karte gezeigt wurden, bevor sie bei den Russen erschienen sind. Welche Karte auch immer man nimmt, ich denke es gibt ein besseren Einblick als die inhaltsfreien Artikel vieler Mainstream-Medien.

Hoffen wir gemeinsam dass das Grauen bald vorbei ist und dass das Leid auf ALLEN Seiten endlich aufhört.

Hallo Matder,

die genaue Motivation der Russen kennen wir beide nicht im Detail, wahrscheinlich gibt es auf der russischen Seite auch keine einheitliche Motivation.

Prof. Mearsheimer von der Uni Chicago hat relativ genau dargelegt, dass aus seiner Sicht das Thema „möglicher Natobeitritt der Ukraine“ die Hauptmotivation gewesen ist. Er hat hierzu diverse Reden aus den vergangenen Jahren analysiert.

Wie gesagt, GLAUBEN ist NICHT WISSEN - ich weiß es auch nicht.

Naja, Überraschungen gibt es immer wieder. Die Amerikaner hatten am Freitag auch noch geglaubt dass die Taliban 3 Wochen bis Kabul brauchen, das Wochenende verging und am Montag hatten die Taliban den Flughafen Kabul „umstellt“. So viel zu den sogenannten „Beobachtern/innen“, manchmal auch im Gewand von „Experten/innen“ unterwegs.

Ich freue mich sehr dass ich hier etwas überraschen konnte, man lernt doch immer wieder dazu. Es gibt noch sehr viel schlauere Menschen als mich, die ganz ähnlicher Meinung sind. Dennoch können wir natürlich falsch liegen. Daher wäre ich sehr dankbar für Analysen/Fakten die belegen dass sich die Ukraine in aussichtsreicher und nicht in aussichtsloser Position befindet. Vielen Dank im Voraus.

Nun, ich denke, die Kriegsparteien werden weder Dich noch mich fragen, wie sie es denn halten sollen, und das ist auch in Ordnung so. Wir können doch nicht aus unserer Perspektive sagen, was für die Ukrainer und Russen das beste wäre.

Klar können wir Gedanken ins Spiel werfen, was aus unserer Sicht nicht vergessen werden sollte, aber ein konkretes Modell für einen Friedensschluss zu entwerfen halte ich für anmaßend.

Mir fehlt jedenfalls in Deinem Ansatz der Blick auf die langfristigen Folgen. Leid, das vermieden werden soll, entsteht ja nicht nur durch die unmittelbaren Kriegseinwirkungen, sondern auch z.B. durch die anschließende Besetzung einer Region durch ein diktatorisches Regime oder durch die vom Erfolgsbeispiel ausgelösten späteren Konflikte. Sollte der Eindruck entstehen, dass der Überfall Russlands auf die Ukraine sich irgendwie gelohnt hat (oder zumindest haben könnte, wenn man es nur ein bisschen besser angestellt hätte), kann es als Einladung an Russland oder China aufgefasst werden, andere „Spezialoperationen“ mit Moldawien, Georgien oder Taiwan anzufangen. Das ist es, wovor ich am meisten Angst habe.

Und trotzdem kann ich mir doch nicht erlauben, meinen Wunsch, Russland möge in keiner Weise Erfolg haben, in irgendeine Forderung oder auch nur einen Vorschlag an die Ukraine umzumünzen.

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Der bisherige Kriegsverlauf und das bislang immer noch viel zu wenig genutzte Potential des Westens zu militärischer Hilfestellung sprechen für mich nicht dafür dass die Situation der Ukraine aussichtslos ist.

Der beste Weg für Frieden wäre im übrigen ein Rückzug Russlands vom ukrainischen Territorium und das Ende seiner Unterstützung für die sogenannten Separatisten.
Und nicht Empfehlungen an die Ukraine zu richten, zu welchen Verlusten an Gebiet und Souveränität sie für einen Frieden bereit zu sein habe.

Nun, das setzt voraus, das die dort lebenden Ukrainer/innen dauerhaft unter russischer Besetzung bzw. Herrschaft leben wollen, mögliche Übergriffe oder Diskriminierungen von durch den Kriegsverlauf nicht wohlgesonnen Russen einbegriffen. Zudem werden die russischen Besatzer ja diejenigen Ukrainer, die nicht unter russischer Herrschaft leben wollen, nicht einfach ausreisen lassen. Ein Land ohne Bevölkerung bzw. ohne ausreichend Arbeitskräfte ist nicht allzuviel wert.
Ein Ukrainer würde uns dann wohl auch fragen, ob wir die ehemalige DDR an Russland abtreten würden, um des Friedens willen. Samt der dortigen Bevölkerung und sämtlicher Sachwerte.
Etwas abstrakter Vergleich, aber aus ukrainischer Sicht durchaus berechtigt.

UN Generalsekretär Guterres sagte dazu heute [1],
„Die Welt sei nur ein Missverständnis oder eine Fehlkalkulation von der nuklearen Vernichtung entfernt“
Was wir nicht tun dürfen ist vom einen Extrem ins andere verfallen. Es ist richtig, dass wir uns von der Angst vor einer nuklearen Eskalation nicht lähmen lassen dürfen. Genauso richtig ist, dass diese Eskalation nicht in Putins Sinne ist. Dennoch halte ich das Ausblenden der nuklearen Gefahr für einen ganz gefährlichen Fehler.

[1]
tagesschau.de: UN-Generalsekretär Guterres: „Größte nukleare Gefahr seit Kaltem Krieg“ | tagesschau.de.
UN-Generalsekretär Guterres: "Größte nukleare Gefahr seit Kaltem Krieg" | tagesschau.de

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In der ganzen Betrachtung fehlt mir die Sichtweise der Menschen die in den besetzten Gebieten Familienangehörige und ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Diese Menschen haben ihre „Heimat“ verloren.

Ich kann jeden Ukrainer verstehen, der seine Heimat verloren hat oder befürchtet diese (demnächst) zu verlieren und deshalb dafür kämpft. Wir hier in unserer komfortablen Position können uns nicht vorstellen wie ein Leben unter so einem Damoklesschwert ist.

Aus dieser Perspektive ist nur die ukrainische Bevölkerung befähigt zu sagen „jetzt ist es gut“. Dann sollten sie unser aller Unterstützung bekommen Frieden zu schaffen.

Absolut wichtiger Punkt den Sie mit den langfristigen Folgen ansprechen, aber Sie werden sehen, dass ich eine andere Perspektive einnehme. Wenn die Russen die Herzen der Menschen nicht erreichen können und die Menschen die Russen als Besatzer und nicht als Befreier wahrnehmen, dann werden auch die Russen die Gebiete nicht nahhaltig halten können. Hoffen wir mal, dass die Russen schlauer sind als wir in Afghanistan und im Irak. Es gibt durchaus Indizien dass die Russen in einigen Gebieten als Befreier wahrgenommen werden könnten und das auch bleiben. Die russische Sprache, die politische Einstellung im Osten (siehe Wahlergebnisse Janukovitsch), die Kirche/Religion und das Einkommen ist in Russland deutlich höher als in der Ukraine. Darüber hinaus ist mir nicht bekannt, dass die Krim jetzt menschenleer ist oder der Schiessbefehl an der Grenze angeordnet werden musste, um die Flüchtlinge aufzuhalten.

Sie sprechen auch einen wichtigen Punkt mit den potenziell späteren Konflikten an. Das ist ja diese typische Geopolitik die wir seit vielen Jahren praktizieren, nur dass wir immer glauben auf der guten Seite zu stehen. Das glaubt die andere Seite übrigens auch. Stimmt, aber wir sind wirklich die Guten, die richtig Guten. Wussten Sie, dass wir auf unserer „Democracy World Tour“ seit dem 2. Weltkrieg Länder angegriffen haben, die einen signifikanten Anteil der Erdbevölkerung ausmachen. Ich denke dass unser Stern langsam am sinken ist, auch diese „guten Absichten“ kaufen uns nur noch wenige ab. Die Chinesen, Russen und Inder werden immer stärker und verbünden sich mit Teilen Südamerikas, Afrikas und der arabischen Welt. Sie kennen sicherlich die gemeinsame Erklärung die die Russen und Chinesen wenige Tage vor dem Einmarsch in die Ukraine veröffentlicht haben, wo sie in Teilen ihre Vorstellung von der Welt darlegen.

Natürlich werden die Chinesen Taiwan einnehmen, sobald es sinnvoll erscheint. Es sind nur 120km von der Küste nach Taiwan, da haben es die Amerikaner deutlich weiter um ihre Truppen dorthin zu bringen. Aber auch hier müssten die Chinesen erstmal einen Weg finden, die Taiwanesen davon zu überzeugen, dass China die bessere Alternative ist.

Wenn wir schlau sind fangen wir schon mal an Chip-Produktionen in den USA und Europa aufzubauen. Was Russlands Gas für Deutschland ist, sind die Taiwanesischen Chips für die gesamte westliche Industrie. Google: Taiwan is expected to host 44% of global foundry capacity in 2025, rising to a 58% share for advanced chips.

Es würde ja schon reichen, wenn die Chinesen blitzartig einen großen Teil der Chipindustrie in Taiwan bombardieren, dann haben wir ein riesiges Problem. Dagegen ist das Gas und Getreide nur ein laues Lüftchen gewesen.

Sorry, dass ich so viel geschrieben habe. Sicherlich vieles spekulativ, aber wir können ja in 10 Jahren nochmal sprechen und vergleichen.

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Ich stimme Ihnen absolut zu. Wir können uns nur schwer vorstellen welche traumatischen Erlebnisse die Menschen dort erleben, wie Familien zerrissen werden, Mütter ihre toten Kinder zu Grabe tragen, Hass, Wut, Sprachlosigkeit und Trauer herrschen, Menschen ihre gesamte Existenz verlieren.

Genau wie Sie würde mir wirklich wünschen dass die ukrainische Bevölkerung, also der einfache Mann/Frau auf der Strasse, entscheiden kann „Jetzt ist gut“.

Ich bin mir nur nicht so sicher, ob es wirklich die ukrainische Bevölkerung ist die entscheiden darf „jetzt ist gut“. Ukraine ein ähnlich korruptes Land wie Russland (Platz 122 von 180), die Medien weitgehend gleichgeschaltet, die größten Oppositionsparteien verboten? Männern im wehrfähigen Alter ist die Ausreise verboten - die Entscheidung ob Kämpfen oder nicht scheint auf nicht ganz freiwillig zu sein. Darüber hinaus wurde die Kreditwürdigkeit der Ukraine auf Ramsch-Niveau runtergestuft, d.h. sie bekommen kein Geld am normalen Kapitalmarkt sondern hängen am Tropf von Staaten die eigene Interessen verfolgen.

Hoffen wir einfach auf das Beste für die Ukraine und Bereiten uns schon mal auf das Schlechteste vor.

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Diese Perfidie der ukrainischen Regierung, die eigene Bevölkerung nicht endlich abschlachten zu lassen und sich friedlich dem russischen Befreier zu unterwerfen ist wirklich äußerst ärgerlich.

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Mehr als Sarkasmus fällt mir zu den Beiträgen von RausD auch kaum noch ein.