Was ist eigentlich aus dem E-Rezept geworden?

Seit 01.09.2022 gibt es in Deutschland das E-Rezept. Siehe hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/e-rezept.html

Die Apotheken sind bereits seit dem 1. September 2022 flächendeckend in ganz Deutschland in der Lage, E-Rezepte einzulösen und mit den Krankenkassen abzurechnen.

In weiteren „Schritten“ wurde eine „bundesweit verbindliche Einführung“ angekündigt.

Klingt ja gut.

Eben habe ich 1 1/2 Stunden verloren, weil ich mir vom Facharzt ein Papier-Rezept abholen musste. Per E-Mail habe ich vorher um ein E-Rezept gebeten, bekam aber nur ein „machen wir nicht, sie müssen schon kommen“. Auch mein Hausarzt wusste wohl nichts vom E-Rezept und murmelte etwas von Datenschutz, und ich könne mir ja überlegen, ob ich ihm Briefmarken dalasse.

Aber warum tun die sich die Ärzte das an? Ich frage am Tresen, die Schwester weiß natürlich nichts von meiner E-Mail, muss sie suchen, ich muss ins Wartezimmer, die Schwester geht ins Arztzimmer, die Ärztin muss das Rezept drucken und unterschreiben. Die Ärztin kommt ins Wartezimmer und muss mich suchen, damit sie mir das Rezept in die Hand drücken kann.

In einer Apotheke habe ich heute mal nachgefragt, wie häufig Patienten Medikamente per E-Rezept abholen. Antwort: Ein- bis zweimal pro Woche. Die Apotheker könnten sogar aus dem Kopf die Arztpraxen nennen. Um das einzuordnen: In der Apotheke ist immer viel los. Allein heute waren neben mir acht andere Kunden dort.

Interessant war auch: Der Apotheker war Spanier. In Spanien gibt es das E-Rezept schon seit zehn Jahren. Warum das in Deutschland nicht funktioniert, versteht er nicht.

Ich auch nicht. Aber der Papierfetichismus macht mich mal wieder fassungslos. Wie viel Lebenszeit hier durch verbockte Digitalisierung unnötigerweise vernichtet wird …

Ich könnte mir vorstellen, dass das Theme beim Lagepodcast gut aufgehoben ist. Mir gehen folgende Fragen durch den Kopf: Wird der Erfolg des E-Rezeptes überhaupt vom Gesundheitsministerium verfolgt? Warum klemmt es? Ist die Infrastruktur für die Ärzte zu kompliziert? Aber warum kriegen es die Apotheken hin und die Ärzte nicht? Wie haben die Spanier das hinbekommen?

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Ein ppar Antworten könntest du hier finden.

Ansonsten kann ich berichten/ergänzen: weil das Ausstellen des eRezeptes mindestens viermal so lange dauert, regelhaft an vielen Tagen die TI nicht funktioniert (damit übrigens auch die eAU nicht), es keinen Vorteil für die meisten Patienten bietet, die zu alt und zu krank sind um in die Apotheke zu gehen, kaum ein Patient eine hierfür freigeschaltete KV Karte mit PIN hat, daher immer noch ein DIN A5 Druck (statt A6!) nötig ist und der, das wär ja wirklich praktisch, Versand als eMail an konzeptuellen Fehlern scheitert (es handelt sich bei dem Barcode nicht etwa um einen langen Schlüssel, für den es als Reply von einem zentralen Server, wenn man sich als berechtigt legitimiert hat, der Name des Patienten und der Inhalt des Rezeptes angezeigt werden, sondern man mit etwa Ahnung direkt aus dem Code den Namen und das Medikament extrahieren kann). Und es ist auch unvollständig gedacht, weil Privatrezepte und Rezepte für Physiotherapie und Hilfsmittel weiter ausgedruckt werden müssen, was dazu führt, dass man sowieso weiter Rezepte drucken muss. BTM Rezepte natürlich auch noch.
Die Details, wie umständlich das ganze in einen Workflow in einer Praxis zu integrieren ist, erspare ich jetzt. Und ja, das ganze für ein Handvoll Smartphone Nutzer, die sowieso in die Praxis müssen, weil die KV Karte noch eingelesen werden muss.

Richtig super wäre gewesen: das Rezept ist nur ein Anonymer Schlüssel, der kann dann irgendwie irgendwo hingeschickt werden, nur Apotheker können ihn auflösen. Dann das ganze an Apotheken schicken und die können damit direkt, wie jetzt auch, Immobile und Pflegeheime direkt beliefern (aktuell: Telefon, Fax des Rezeptes, Versand per Post).

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Vielleicht noch mal zum Ziel: Das E-Rezept muss Patienten eine Erleichterung bringen. Der Apotheker sagte mir, dass die Leute in Spanien damit im Großen und Ganzen viel Zeit sparen, vor allem im ländlichen Raum. Wenn ich mir die Zeitaufwände bei mir mit Papierrezepten anschaue, würde mir ein (gut umgesetztes) E-Rezept helfen. Ich kann nicht glauben, dass es E-Rezepte nur einer Randgruppe helfen. Dass es sich so wie es ist, schlecht in die deutsche Gesundheitsbürokratie eingliedert, ist für mich kein Argument gegen ein E-Rezept.

Natürlich muss sich der Aufwand für Ärzte in Grenzen halten und das Konzept aus Sicht des Datenschutzes valide sein. Aber hier würde ich aber eine Abwägung ähnlich beim Covid-Zertifikat in Kauf nehmen.

Konkret würden mich folgende Punkte interessieren:

  • Warum klappt die Umsetzung bei den Apotheken und nicht bei den Ärzten? Wie kann den Ärzten geholfen werden?
  • Wie kann es sein, dass sich der Gematik-Sicherheitsbeauftragte so etwas sagt, wie " IT-Sicherheit ist nicht alles.". Hat der seinen Job noch? Oder relativiert sich dieses Statement, wenn man sich den genauen Kontext anschaut?
  • Warum muss ich überhaupt meine Krankenkassenkarte beim Arzt vorlegen, (um ein Rezept zu bekommen)? Der Arzt hat doch die Mitgliedsnummer, kann/sollte über eine IT-Gesundheitsinfrastruktur automatisch prüfen, ob eine Mitgliedschaft besteht und kann dann abrechnen. Natürlich muss das mit wenigen Klicks gehen. Welches Problem soll durch das Vorlegen der Plastikkarte gelöst werden? Geht es nicht einfacher? Müssen Patienten in an anderen Ländern auch mit Plastikkarten zum Quartal vortanzen? Irgendwie riecht das nach typisch deutschem Absicherungsbürokratiewahnsinn.

Bezüglich deines letzten Punktes wäre folgendes als Begründung denkbar: die Ärzt*innen verdienen bei Kassenpatienten nichts durch das Ausstellen eines Rezeptes. Das allermeiste wird durch die sogenannte Ordinationsziffer abgebildet, die sozusagen „all-incusive“ für das ganze Quartal gilt, egal ob ein Patient einmal für einen gelben Schein kommt oder 5x. Da das nicht ausreicht um eine Praxis wirtschaftlich zu betreiben, werden viele Patienten die Ordinationsziffer auch dann schon abrechnen, wenn gar kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat, sondern auch schon beim Erstellen eines Rezeptes.
Vermute ich :wink: