Warum wir die Corona-Pandemie mittelfristig nicht in den Griff kriegen werden...

Hallo Ulf, Hallo Philip,

ich bin ein regelmäßiger Hörer eurer Sendung und dankbar für eure Arbeit. Da ihr in eurer Sendung immer darum bittet, dass euch einprägsame Sachverhalte hier gemeldet werden, möchte euch kurz vom behördlichen Umgang mit meiner SARS-CoV2-Infektion berichten und meine Desillusionierung über das Behördenhandeln zum Ausdruck bringen.

Wir, Ehepaar mit zwei Kindern (2 und 6 Jahre) haben uns auf eigene Kosten über eine befreundete Ärztin am 20.12. einem PCR-Test unterzogen, weil wir sorgenfrei mit meinen Schwiegereltern und meinem Schwager (alle Angehörige der Risikogruppe) Weihnachten feiern wollten. Unser Plan war, Urlaub und Isolierung ab dem 18.12., Test am 20.12., Feiern ab dem 24.12…

Am 22.12. erhielt meine Frau telefonisch von unserer befreundeten Ärztin ein negatives Testergebnis. Am Morgen des 23.12. erhielt ich dann auf dem selben Weg ein positives Ergebnis. Weihnachten fiel daraufhin in der geplanten Form aus und wir haben zu viert mit Videokonferenz gefeiert. Auf eine Isolierung meiner Person innerhalb unseres Haushaltes haben wir nach gründlicher Abwägung aller Faktoren und Folgen Abstand genommen.

Vorab: Weder ich, noch sonst jemand aus meiner Familie, entwickelte irgendwelche Symptome.

Ich habe dann direkt am 23.12. vormittags bei unserem Gesundheitsamt in Duisburg angerufen. Dort bin ich nur zu einer Hotline durchgestellt worden, wo ich nach diversen computergesteuerten Auswahlmöglichkeiten irgendwann einen Menschen zu sprechen bekam. Der sagte mir aber nur, dass er eine Aushilfskraft sei und mir nur allgemeine Informationen geben könne. Alles weitere würde über die Sachbearbeitung des Gesundheitsamtes mitgeteilt werden. Um den Prozess zu beschleunigen könnte ich schonmal eine E-Mail mit meiner Telefonnummer und meinen Kontaktpersonen an ein Funktionspostfach schicken. Das habe ich nach Sammlung meiner Kontaktpersonen und einigen organisatorischen Maßnahmen am 23.12. um 14:48 Uhr gemacht. Ich erhielt eine automatisierte Eingangsbestätigung.

Danach passierte nichts mehr und ich habe auch keine Möglichkeit gehabt, das Gesundheitsamt irgendwie zu kontaktieren. Erst am frühen Nachmittag des 28.12. klingelte der Sonderaußendienst des Ordnungsamtes bei uns. Man möchte mich über meinen positiven Test informieren und mir vorläufig die Quarantäne aussprechen. Acht Tage nach meinem Test, fünf Tage nach dem positiven Befund !!! Darüber erhielt ich auch ein Schriftstück. Aus dem ging nur die Anordnung der Quarantäne für uns vier und das Versprechen hervor, dass das Gesundheitsamt sich bei uns melden wird.

Am 29.12. habe ich mich dann nochmals durch den Computer zur Hotline vorgekämpft, um Informationen über eine „Freitestung“ meiner Kontaktpersonen und die Dauer meiner Quarantäne zu erhalten. Ich erhielt die Info, dass ich bei Symptomlosigkeit mit Ablauf des 30.12. wieder vor die Türe darf. Meine Kontaktpersonen jedoch erst am 04.01… Diese könnten sich ab dem 30.12. aber durch einen Schnelltest beim Testzentrum freitesten lassen. Dazu müsse man eigentlich eine ordnungsgemäße Quarantäne-Anordnung (also nicht dieses vorläufige Schriftstück) mitbringen. Mit Ausweisen, dem positiven Befund und dem vorläufigen Schriftstück würde das aber auch gehen.

So sind 3/4 meiner Familie heute zum Testzentrum aufgebrochen. Da erhielt ich plötzlich einen Anruf vom Gesundheitsamt. Zehn Tage nach meinem Test und sieben Tage nach dem positiven Befund !!! Dies hätte nun meinen Fall vorliegen. Die Sachbearbeiterin informierte mich über die Dauer der Quarantäne und die Möglichkeit der Freitestung und fragte Kontaktpersonen ab. Ich wies dann auf den aktuellen Status und meine E-Mail hin. Man entschuldigte sich bei mir, die E-Mail müsse irgendwo untergegangen sein. Und alles hätte daran gelegen, dass von mir keine Telefonnummer mit dem Befund übermittelt worden sei. Ich entgegnete, dass ich meine Telefonnummer eine halbe Stunde nach dem Befund - also noch bevor das Gesundheitsamt informiert worden ist - telefonisch bei der Hotline angegeben habe. Außerdem waren meiner E-Mail vom 23.12. meine Telefonnummer und meine Kontaktpersonen enthalten. Daraufhin entgegnete mir man wörtlich nur: „Entschuldigung. Scheiße gelaufen.“. Im Nachgang erhielt ich von meiner Frau die Information, dass das Gesundheitsamt erst durch sie an meine Telefonnummer gekommen ist und mich angerufen hat. Die Sachbearbeiterin hat jedoch vorgegeben, nichts davon zu wissen, dass meine Familie beim Testzentrum ist. Und tatsächlich musste meine Frau über eine halbe Stunde diskutieren, bis man sie zur „Freitestung“ zugelassen hat. Der Test war im Übrigen glücklicherweise negativ.

Ich bin über das Verhalten des Gesundheitsamtes in Duisburg erschüttert. Wahrscheinlich hat die personelle Besetzung über die Feiertage diese Situation herbeigeführt. Das ist zwar nur eine Mutmaßung, aber dass der Sonderaußendienst des Ordnungsamtes am ersten Werktag nach den Feiertagen bei mir an der Tür klingelt ist sicher kein Zufall. Ich selbst bin Polizeibeamter und mir ist Behördenverhalten in positiver und negativer Ausprägung nicht fremd. Aber dieses Verhalten, Feiertage hin oder her, macht mich fassungslos. Auf meinen Beruf übertragen wäre es eine vergleichbare Situation, wenn ich bei einer Bedrohungslage heimgehen und sagen würde „Tut mir leid, aber meine Großmutter wird nur einmal 90.“ Es gibt in der Kommunalverwaltung (über das Gesundheitsamt hinaus) doch mit Sicherheit ausreichend Beamtinnen und Beamte, um eine Kontaktnachverfolgung über die Feiertage sicherzustellen…

Meine Kontaktpersonen (über meine Familie zum Glück nur zwei weitere) haben ab heute die Möglichkeit der „Freitestung“. Von denen wurde noch nicht eine vom jeweiligen Gesundheitsamt kontaktiert. Hätten wir den Test nicht über eine befreundete Ärztin gemacht, hätten wir erst am 28.12. von der Infektion erfahren. Meine Kontaktpersonen hätten ohne uns bis heute überhaupt nichts erfahren. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was in diesem Fall alles hätte passieren können…

Bis wir im Sommer eine Entspannung durch Umwelteinflüsse erhalten, sehe ich so keine Chance, dass wir die Pandemie irgendwie in den Griff bekommen. Die weiter steigenden Zahlen wundern mich jedenfalls nicht mehr ansatzweise. Mal sehen was in den Tagen nach den Feiertagen so nachgemeldet wird.

Ich hoffe ich konnte mit meiner unschönen Erfahrung einen Beitrag zur Diskussion liefern und euch einen Eindruck vermitteln, wie die Kontaktnachverfolgung hier in Duisburg aktuell (nicht) funktioniert.

Für das anstehende Jahr 2021 wünsche ich euch alles Gute, vor allem viel Gesundheit und macht bitte genauso weiter, wie ihr eure Sendung bisher gestaltet habt.

Herzliche Grüße,
Michael Roll

PS: Was im Übrigen hervorragend funktioniert hat, ist die Corona-App. Aber das nur am Rande…

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Lieber Michael Roll, vielen Dank für den ausführlichen Erfahrungsbericht … das klingt in der Tat gar nicht gut, macht aber denke ich auch ganz gut deutlich, warum die Zahlen unbedingt runter müssen - auch, damit die dann nur noch relativ wenigen Infektionen in den Gesundheitsämtern wirklich sauber bearbeitet werden können.