Warum sinken die Infektionszahlen in Deutschland so langsam?

Ich wollte mal eine Diskussion starten zur Frage warum in Deutschland die Zahlen so langsam sinken im internationalen Vergleich, zB. Irland, UK, Portugal, Spanien aktuell und Frankreich im November.
Alle im Winter von steilen Anstiegen der Kurven haben es nach der Einfühung eines shutdowns eine ebenso rasante Fallzahlsenkung erreicht.
Was machen wir falsch oder die anderen richtig, und was können wir vielleicht ändern?

Ich werfe mal folgende Punkte in die Diskussion:
-sind wir durch den zähen, aber ähnlich belastenden Lockdown light von November bis Weihnachten inzwischen zunachlässig?
-in Portugal & Irland wurde mit strenger Homeoffice Pflicht und (auch in Spanien) Bewegungsverboten im Land gearbeitet

Vorab: am „Mehr-testen“ liegt es nicht, wir testen im Vergleich inzwischen deutlich weniger als fast alle westeuropäischen Länder!

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Ich hätte jetzt Punkt 2 vermutet, denn die Schulen sind mehr oder weniger aussen vor inzwischen. Da bleibt eigentlich nur noch der Punkt den Quarks auf Twitter neulich gebracht hatte übrig: Zu viele Leute die nicht zu Hause arbeiten obwohl sie es könnten (siehe April/März letzten Jahres).

Bewegungsverbote? Wo bitte soll man sich noch bewegen wenn mehr oder weniger alles was Spaß macht oder „gefährlich“ ist, geschlossen hat und man eh mit Maske rumlaufen soll und muss? Das ist für mich neben der Vernunft Mobilitätshemmer Nummero Eins.

Hauptgrund für den langsamen Abfall ist aus meiner Sicht, dass die Maßnahmen sehr selektiv sind. Im privaten scheinbar sehr streng, bei der Arbeit faktisch nicht bis kaum vorhanden. Außer für die Betriebe die schließen mussten. Theater/Kino ist verboten, Bus/Bahn dagegen erlaubt, trotz vergleichsweise ähnlichem Ansteckungsrisiko. Die privaten Vorgaben - nur 1 fremde Person pro Haushalt - sind auch irgendwie widersprüchlich. Es ist nur eine Person, also superstreng, aber für diese eine Person gibt es keine Beschränkung wie viele Haushalte sie in welcher Zeit besuchen darf.

Damit sind die Maßnahmen an sich für manche sehr streng, aber für viele bzw. in vielen Bereichen so locker, dass ein schneller Abfall nicht möglich ist. Das ist inzwischen auch jedem klar und das hat natürlich auch zur Folge, dass man langfristig plant. Für mich persönlich heißt das z. B., dass wir uns auch 1-3 mal die Woche im Rahmen der Vorgaben mit Bekannten treffen, um die psychische Belastung niedrig zu halten und unserem Kleinkind den Kontakt zu Gleichaltrigen zu ermöglichen. Bei 3 Wochen können wir darauf verzichten, aber wir hatten bereits 4 Monate im ersten Lockdown (und das war nicht gut) und jetzt sind es auch schon wieder 2 und es kommen noch 2-4 weitere.

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Wenn aber die Leute die nicht daheim arbeiten können keinen ÖPNV haben, wie sollen sie in die ARbeit? Nicht jeder hat ein Auto.
ÖPNV streichen ist meiner Ansicht nach unmöglich.

Sehe ich genauso wie Florian.
Der derzeitige schwammige Lockdown wird uns bald schon heftige Kopfschmerzen bereiten. Ursache sind die Mutanten, die sich schon recht heftig in D ausbreiten. Diese wären nur mit einem R-Wert von <0,7 (diese Zahl habe ich jetzt schon mehrfach von wissenschaftlicher Seite gehört, u.a. von Herrn Drosten) im Zaum zu halten, davon sind wir weit entfernt (pendeln um 0,9).
Wir werden also demnächst eine sehr heftige dritte Welle erleben, aber dafür wurde z.B. die Arbeitswelt wie beschrieben geschützt.
Außer natürlich, man nutzt die nächsten Wochen für einen wirklich harten Lockdown, was ich aber bezweifle.
Wir in der Familie haben uns auf jeden Fall ebenfalls damit arrangiert, bis Sommer so weiterwursteln zu müssen.

Die deutschlandweite Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 75/100k. Das ist erfreulich, aber noch weit weg von den angestrebten 50/100k, die zudem der (gemittelte) Grenzwert sind, ab dem die Situation nicht mehr vernünftig kontrolliert werden kann.

Ich verstehe den Frust darüber, dass es so lange dauert (geht mir nicht anders), aber man muss die Situation auch nicht besser zeichnen als sie ist. Beim aktuellen Tempo würde es eben noch 2-3 Wochen dauern, bis die 50/100k erreicht werden. Es gibt auch nur wenige Bundesländer, die deutlich näher an den 50/100k sind als der Durchschnitt.

Bestenfalls könnte man Sonderregeln für „grüne Zonen“ erlassen, die schon länger deutlich unter 50/100k liegen. Da sollte man idealerweise aber auch Nachbarkreise mit berücksichtigen. In Bayern schwappen die Wellen immer schön von Landkreis zu Landkreis (aktuell Raum Hof/Wunsiedel/Tirschenreuth).

Was ich so beobachte ist:

  • wir Menschen lieben Gesellschaft.
  • um die fehlende Geselligkeit zu bekommen wird jedes Schlupfloch genutzt.
  • viele treffen sich heimlich (z.B. auf´m Acker bei Feuer und Bier)
  • jedes Verbot beflügelt die Phantasie dies zu umgehen.

Ich selbst merke wie schwer es mir fällt Distanz zu wahren und nicht jeder ist so standhaft wie ich (bis jetzt).
Ich merke wie der fehlende Kontakt (vielleicht auch Ablenkung) zu unseren Mitmenschen unsere Beziehung zunehmend belastet.

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Ich denke es liegt teils an einem fehlenden Gefährdungsgefühl (viele (ich z.B.) kennen noch immer keinen persönlich der Corona hatte oder eher solche die es einigermaßen überstanden haben) und zunehmend weniger Verständnis für Maßnahmen und verlorene Glaubwürdigkeit der Regierung und teils der Wissenschaft.
Zu oft wurde versprochen, dass nur jetzt dieser Lockdown mal sein muss und dann alles wieder gut wird. So der November „Wellenbrecher“ und der Dezember „Weihnachts-Neujahrlockdown“. Und dann ging es doch wieder und wieder in die Verlängerung. Zu viele Versäumnisse der Regierung werfen die Frage auf warum sich das Individuum so stark einschränken soll, wenn die Regierung nicht ihre Hausaufgaben macht. (Masken, Nachverfolgung, Testung, Aufklärung & Untersuchung wo Ansteckungen passieren, Impfstoffe etc.)

Viele Menschen glauben einfach nicht mehr wirklich an ein Ende des Status-Quo und passen ihr leben darauf an, mit Sozialen Kontakten, Arbeit und Alltag so wie es eben geht. Die Menschheit hat sich schon an ganz andere Gefahren gewöhnt und hat mit diesen gelebt als teil des Lebensrisikos (z.B. Tuberkulose, Grippe, HIV etc. aber auch Überflutung, Stürme, Unfälle, Kriminalität etc.)
Die erste Staffel der Serie Charité zeigt ganz gut mit welchen Gesundheitsrisiken die Menschen damals gelebt haben. Der Mensch arrangiert sich damit.

Ein weiterer Punkt denke ich ist das „Mehr testen“, denn in D wird meiner Meinung nach noch viel zu wenig und zu selektiv getestet. Wie hat China das Virus in den Griff bekommen?
Lockdown und Massentestungen.

Wir betreiben nur Lockdown und dass (zum Glück) nicht so streng wie China.

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Ich denke, es sind letztendlich vor allem 2 Punkte entscheidend.

Durch den nur begrenzt wirkenden Lockdown light im November sind wir nun bald 4! Monate in einer Art lockdown. Das zehrt an den Nerven und an der Disziplin. So lange ist meines Wissens kein anderes europäisches Land im lockdown. Insbesondere in den oben genannten Ländern, in denen die Zahlen rapide sinken, ist man erst seit wenigen Wochen wieder im lockdown, da sind vermutlich einfach noch mehr „psychische Ressourcen“ vorhanden.
Außerdem haben wir im internationalen Vergleich, auch wenn die meisten sich dessen überhaupt nicht bewusst sind, immer noch einen weniger strikten Lockdown. in UK darf man nur noch zu dringenden Anlässen das Haus verlassen (Arzt, Supermarkt etc.), einen Haushalt treffen o.ä. ist nicht darunter, Homeoffice ist auch wo möglich verpflichtend. Ähnlich in Portugal: Homeoffice seit November (!) verpflichtend, dazu Verbot des Verlassens des Landkreises (man stelle sich den Aufschrei in DE vor, den es bereits bei 15km Regel gab). Ich finde Portugal und Spanien ein recht interessantes Beispiel, da diese beiden Länder es bis vor kurzem durch den Winter geschafft haben, ohne alles schließen zu müssen. Gastronomie, Kultur und Freunde treffen war durchgängig möglich bis Mitte Januar. Dafür hat man in dieser Zeit an anderen Stellen geschraubt wie eben dem Homeoffice, Reiseverboten zwischen Regionen (Spanien) und zeitlich begrenzten Ausgangssperren (nachts und am Wochenende ab 13Uhr in Portugal)

Und ja, Portugal ist im Januar in eine massive 2. Welle gerutscht, lag aber wohl eher an lachsen Regeln zu Weihnachten und den engen Verbindungen zum UK (#Mutante) als an den Alltagsregeln. Die Inzidenz ist dort sogar stetig gesunken bis Weihnachten, trotz oder durch die beschriebenen Maßnahmen

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