Warum sind nicht alle in den gleichen staatlichen Sozialsystemen?

Hallo zusammen, wie in der letzten Lage erwähnt, werden wir die nächsten Jahrzehnte mit steigenden Belastungen des Sozialsystems konfrontiert werden, bei zeitgleich wenige Beitragszahlern.
Jetzt hat die Ampel angekündigt einen Topf von 10 Mrd. Euro auflegen zu wollen, um die Renten in Zukunft auch mit Kapital zu decken. 10. Mrd hört sich viel an ist aber ein ziemlicher Witz, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr 100 Mrd aus Steuermitteln in die Rentenkasse bezuschusst werden. An die 10 Mrd. müsste man noch mal mindestens zwei Nullen dran machen. 1000 Mrd. die die Bundesrepublik zu quasi 0 leihen kann und z.B. in Infrastrukturprogramme für nachhaltige Wirtschaft mit 4-6% investiert, könnten einen richtigen Beitrag leisten.
Zurück zum eigentlichen Gedanken: Es wurde schon mehrfach erwähnt, dass Unternehmer häufig nicht in die gesetzliche Sozialversicherung einzahlen. Das stimmt und ist dämlich.
Was ich jedoch gar nicht verstehe, ist, dass die meisten Staatsangestellten (Beamte), Juristen, Ärzte etc ebenfalls außerhalb der gesetzlichen Systeme sind. Wie kann man das begründen?

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Na weil die staatlichen Systeme ggü. ihren privatwirtschaftlichen Counterparts deutlich weniger leisten (können) und die genannten Gruppen aufgrund ihrer tendenziell hohen Einkommen lieber gute Leistungen erhalten.
Dazu fleißiger Lobbyismus bei den entsprechenden Parteien und ein gewisses Eigeninteresse der Parlamentarier.

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Eigentlich sollte die Renten- (RV) und die Krankenversicherung (KV) eine solidarische Versicherung sein. Leider wurde es dann aber zu einem Solidarsystem für die, die sich nicht frei kaufen können.

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Mit der Entstehungsgeschichte.
Beamte waren quasi Leibeigene des Staates.
Sie waren ihm mit Leib und Geist verpflichtet, im Gegenzug war der Staat in der Fürsorgepflicht - was die bedingungslose Abhängigkeit gar nicht mehr so unangenehm machte.

Die Sozialversicherung sollte das auch für den Rest der Bevölkerung zugänglich machen.
Das System des Staates war da außen vor, da das sich ja bewährt hatte.
Das ist meines Wissens ungefähr 150 Jahre her. Da hätte man das natürlich angleichen können, aber wie Martino sagt: Dann hätte man selbst auf Vorteile verzichten müssen.

Mittlerweile kann man auch als Beamter in die gesetzliche Krankenkasse wechseln.
Leider ist die Arbeitgeberbeteiligung so gestaltet, dass das für den Beamten teurer wird bei Verzicht der Vorzüge einer privaten Krankenkasse.

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Naja, bei Beamt*innen ist die Begründung immerhin noch, dass der Staat und nicht die Solidargemeinschaft für sie zu sorgen hat, weil sie sich im Gegenzug dem Staat verpflichten, und zwar in höherem Maße, als dass eben beispielsweise Angestellte im öffentlichen Dienst tun. Dadurch werden ja auch einige Bürgerrecht eingeschränkt, beispielsweise bestimmte politische Äußerungen, Streikverbot etc. Daher gibt es dann eben die Beihilfe, die einen Teil der Gesundheitskosten trägt und die Pension statt der Rente, weswegen eben nicht in die GKV und in die Sozial- und Pflegekassen eingezahlt wird.

Nur um das klarzustellen: Ich gebe hier nur die Begründung wieder, so wie ich sie verstehe. Sinnvoll finde ich das trotzdem nicht, aber in der Tendenz noch etwas nachvollziehbarer als bei der Möglichkeit, sich der Solidargemeinschaft zu entziehen, einfach weil man genug verdient oder selbständig ist…

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Eine Begründung könnte sein: weil es sehr viel Kosten würde.
Es gibt in Hamburg für den Wechsel der Beamten in die GKV das „Hamburg Modell“. Ich habe hier dazu folgendes gefunden (bezogen auf Baden-Württemberg):
„Jedes Jahr würden drei Millionen Euro Mehrausgaben zusätzlich dazu kommen – 43,8 Millionen wären es im Jahr 2030, 126 Millionen Euro im Jahr 2060, heißt es. Die Mehrausgaben ergäben sich durch die monatlichen GKV-Beiträge, wohingegen die Beihilfe nur im Krankheitsfall einspringt. Erst ab Eintritt in den Ruhestand ergebe sich eine Ersparnis, weil dann die krankheitsbedingten Beihilfe-Ausgaben höher sind als die für den hälftigen GKV-Beitrag.“
Wenn man es ganz überspitzt ausdrücken will: für den Staat entstehen erst einmal höhere Kosten und wenn die Beamten erst mal alt sind, dann kann man die höheren Kosten schön auf die Sozialsysteme abwälzen.

Quelle: Baden-Württemberg rechnet vor: „Hamburger Modell“ kostet Millionen extra

Aus Sachsen Anhalt habe ich hier folgende Aussage:
"Von Kostenneutralität, rechnet das Finanzministerium in Sachsen-Anhalt vor, könnte bei einem Wechsel der Beamten in die GKV keine Rede sein. Alleine für die aktiven Beamten hätte das Land in diesem Fall im Jahr 2016 rund 90 Millionen Euro für GKV-Beiträge aufwenden müssen. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr beliefen sich die tatsächlichen Beihilfeausgaben für aktive Beamte auf 35 Millionen, für Versorgungsempfänger auf 67,1 Millionen Euro, heißt es in der Antwort.

Noch nicht berücksichtigt ist dabei ein weiteres Moment: Die Wahlfreiheit für Beamte könnte eine Wechselbewegung mit einer sich verstärkenden Selektion nach sich ziehen: Denn in die GKV würden zunächst Beamte wechseln, für die es vorteilhaft wäre, sei es aus gesundheitlichen oder familiären Gründen. „Im Ergebnis würden sich die beiden Versicherungssysteme beispielsweise hinsichtlich der Morbidität noch weiter voneinander entfernen“, warnt Ulrich."

Quelle: Beamte in die GKV? Kostenneutral wird das schwerlich

Bei der Pension ist es ähnlich, hier argumentiert der dbb:
„In den Bruttopensionen ist quasi schon eine Betriebsrente enthalten, da die Beamtenversorgung bifunktional ausgestaltet ist. Daher muss der bifunktionalen Beamtenpension die Gesamtrente, also die Summe von gesetzlicher Rente und Betriebsrente, gegenübergestellt werden. Vergleiche sollten zum Beispiel von gleich hohen Bruttogehältern für Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ausgehen“

Quelle: http://www.vrb.de/pdf/downloads/irrtuemer_beamtenversorgung.pdf

Sollte es also einmal dazu kommen das das System verändert wird werden die Beamten in irgendeiner Form eine Betriebsrente erhalten (was letztlich wir Steuerzahler wieder zahlen dürfen). Außerdem wäre es für den Staat eine gute Möglichkeit seine ungedeckten Pensionslasten schön dem gesetzlichen Rentensystem aufzubürden.

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Die Unterscheidung zwischen „Staat“ und „Solidargemeinschaft“ ist aber auch hauchdünn. Woher nimmt der Staat nochmal das Geld, mit dem er für seine Beamten sorgt? Von denen, die mehr Steuern zahlen, als sie Zuzahlung vom Staat kriegen: Der Solidargemeinschaft, und da rechne ich für diesen Punkt die Selbstständigen, Ärzte etc. mal mit ein.

Diese scheinbar hohen Kosten für Beamte in den Sozialsystemen zeigen eigentlich nur, wie viel die Beamten-Pensionen, -Beihilfen etc. de facto wert sind.
Dass Beamte in der GKV den Staat vor hohe Kosten stellen liegt übrigens daran, dass Pensionen de facto Staatsschulden sind, die zukünftige Generationen tragen.

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Ich denke da muss man 2 Situation unterscheiden:

  1. Der Beamte bleibt als Pensionär in der PKV und erhält bis zu 70% Beihilfe (ev. inkl. Ehepartner)
  2. Der Beamte wechselt kurz vor der Pension über eines der Schlupflöcher in die GKV

Im 1. Fall belastet der Pensionär damit tatsächlich die Staatskasse über die Beihilfe. Dazu gibt es eine sehr interessante Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Im 2. Fall passiert das, was du auch beschrieben hast: Während der Beamte (und auch der Staat) während des Berufslebens des Beamten durch die PKV gespart haben, belastet der Beamte durch seinen Wechsel in die GKV im Alter die gesetzlichen Kassen und damit die normalen Einzahler (Angestellte usw.).

In den laufenden Ampelverhandlungen gab es sogar die Meldung, dass dieser unsoziale 2. Fall von den Ampelparteien komplett legalisiert werden soll:

Ein Schlag ins Gesicht aller regulären GKV-Einzahler. Und wir wundern uns, wenn die unteren Einkommensschichten soviel Politikverdrossenheit entwickeln.

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Wenn man den Artikel liest, klingt das aber eher so, dass hier die Parteiprogramme genommen und eigenwillig interpretiert wurden, da ja aus den Koalititionsverhandlungen nichts nach draußen drang.

Da hast du recht, sry da habe ich nicht sorgfälltig gelesen. Der Artikel, und einige andere aus dieser Zeit, beziehen sich wohl auf diesen Ursprungsartikel im business insider. Leider hinter einer paywall, daher kann ich es nicht genau sagen:

Ich habe mich hier unklar ausgedrückt und meinte konkret die entsprechenden Solidarkassen, also Kranken-, Pflege- und Rentenkassen, die eben nicht für die Beamtenversorgung genutzt werden sollen. Aber Dein Punkt ist dennoch richtig und wie gesagt war auch nicht daran gelegen, das System zu verteidigen.

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