Warum nicht schon Lockerungen nach Erstimpfung?

Hallo zusammen,

Mir stellt sich in der aktuellen Debatte um Lockerungen für Geimpfte folgende Frage: Wenn man schon Lockerungen für Geimpfte vorsieht, warum dann nicht schon nach der ersten Impfung? Für mich würde das durchaus Sinne ergeben.

Hier ein Beispiel: Bei BioNTech-Pfizer liegt der Schutz vor Ansteckung nach einer neuen Studie 14 Tage nach der ersten Impfung bei 80% und 14 Tage nach der zweiten bei 90%. Sind jetzt 90% Schutz genug um Lockerungen zu begründen, aber 80% nicht? Dann dürfte es für Menschen die mit AZ geimpft sind gar keine Lockerungen geben, denn da liegt der Schutz auch nach der zweite Impfung wahrscheinlich unter 80%.. Ähnlich sieht es bei Johnson&Johnson aus, wo der volle Impfschutz sogar unter dem einer Einmalimpfung mit AZ liegen könnte. Wie viel Prozent sind genug um Lockerungen für Geimpfte zu rechtfertigen?

Gleichzeitig stellt sich mir die Frage wie sich der Schutz mit der Zeit verändernt. Drosten hat in seiner letzten Folge sehr klar gemacht, dass er davon ausgeht, dass Geimpfte auch nach vollständiger Impfung ihren Schutz langsam verlieren werden. Wie schnell und wie stark dieser Verlust ist, ist noch nicht ganz klar, aber er hat auch gesagt dass es hier eher um Monate geht als um Jahre. Das heißt, dass jemand der im Juli das erste mal geimpft wird, im August durchaus einen besseren Schutz haben könnte, als jemand der schon Im Februar die zweite Impfung bekommen hat. Wie lange nach der Impfung sind Geimpfte von den Einschränkungen wieder betroffen?

Für mich zeigen diese Beispiele eigentlich in erster Linie, dass in der Diskussion um Lockerungen für Geimpfte viel zu stark vereinfacht wird. Es gibt keinen 100% Impfschutz. Alle Ergebnisse die wir bis jetzt zur Wirksamkeit von Impfstoffen haben sind mit Vorsicht zu genießen, denn hier wird immer 2-3 Wochen nach der Impfungen gemessen, also dann wenn der Schutz gerade am größten ist. Wie sich der Schutz mit der Zeit verhält wissen wir noch nicht wirklich. Statt jetzt für Geimpfte zu lockern, sollten wir unsere Energie darauf konzentrieren die Inzidenz mäglichst stark zu drücken und möglichst vielen Menschen zu Impfen. Dann können wir wohlmöglich sehr bald auch für alle lockern.

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In Österreich ist ja genau das geplant (https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/oesterreich-nach-corona-erstimpfung-bald-wieder-vieles-moeglich,SWNDWrU).
Letztlich ist das natürlich eine politische Entscheidung. Dazu hätte das aber auch eine Impfstrategie gehört, die ähnlich wie in UK vor allem auf Erstimpfungen setzt (vgl. dazu auch Kekulés Podcast Donnerstag und heute). Die Zahl der bis heute erfolgten Erst- und Zweitimpfungen umgerechnet in Erstimpfungen ergibt gut 34 Millionen - plus der Reserven, die wegen schon geplanter Zweitimpfungen zurückgehalten werden. Damit kommt man locker auf 50% der Bevölkerung, die heute schon eine erste Impfung hätten haben können. Das hätte m. E. folgende positive Effekte:

  1. Weniger Schwerkranke/Tote: sehr viel schnellere Entlastung des Gesundheitssystems durch eine stark sinkende Zahl schwerer Erkrankungen nach Erstimpfung selbst bei gleich bleibender Zahl an Infektionen.
  2. Niedrigere Inzidenzen: sehr viel höherer epidemiologischer Effekt der Impfungen durch signifikantes Sinken der Infektionswahrscheinlichkeit schon nach der Erstimpfung
  3. Lockerungen für viele: sehr viel mehr Menschen, die direkt (über Ausmahmen bei Erstimpfung) und indirekt (aufgrund niedrigerer Inzidenzen) von Öffnungen profitieren können.
    es gibt noch weitere Gründe, bei denen ich mir allerdings nicht ganz sicher bin, ob sie stimmen:
  4. weniger Chaos in den Impfzentren und weniger Streit (und Neid) um Priorisierungen, da bei der gleichen (knappen) Menge an Impfstoff mehr Menschen geimpft werden können. Alles mit der Aussicht auf ausreichend verfügbaren Impfstoff einige Monate später.
  5. Besserer Impfschutz, weil neuere Studien nachelegen, dass der Effekt einer Zweitimpfung mit größerem Abstand höher ist.
    Angesichts dessen verstehe ich wirklich nicht, warum eine solche Strategie (one shot for all) nicht mal ernsthaft diskutiert wurde. Kann man natürlich jetzt immer noch machen, aber das schließt Lockerungen für Impfungen m. E. nicht aus.
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