Warum ist ein Gaspreisdeckel nicht umsetzbar?

Ich frage mich momentan ständig warum es nicht möglich ist, eine staatlich regulierte Obergrenze für Gas festzulegen?

Denn anstatt immer noch komplexer werdende Szenarien für die Unterstützung der Menschen (und Industrie) zu finden, könnte damit doch das Thema an der Wurzel reguliert werden. Natürlich ist davon auszugehen dass der Staat dann die Gas verkaufenden Konzerne in Deutschland stützen müsste weil ich annehme dass die Gas Preise tatsächlich auf dem Weltmarkt so hoch sind. Aber wäre das nicht wesentlich einfacher? (Und würde das nicht dazu führen dass die Gas Firmen versuchen würden möglichst günstig Gas einzukaufen?)

Das kann man schon machen. Allerdings ergeben sich daraus eine ganze Reihe von Problemen.

Das offensichtlichste davon: was machen wir, wenn es zum staatlich festgelegten Preis X mehr Nachfrage als Angebot gibt?

Staatlich den Preis unter den markträumenden Gleichgewichtspreis zu halten (sofern das überhaupt möglich und finanzierbar ist) führt dazu, dass die Nachfrager sich weniger Mühe machen, Gas zu sparen oder zu substituieren.

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Das machen sie doch schon automatisch aus eigenwirtschaftlichem Interesse. Wozu die Maßnahme nicht führen würde ist, dass Gasproduzenten /Förderer Gas günstiger verkaufen würden, denn die sitzen ja (wie in der Lage erörtert) nicht in Deutschland.

Möglich ist es schon und das hat Spanien z.B. auch bereits gemacht. Gerade habe ich dazu in einer anderen Diskussion hier etwas geschrieben, daher hier einfach mal der Teil auch noch mal:

Gerade Spanien ist ein Beispiel, wieso es nicht sinnvoll ist den Preis auf diese Weise zu deckeln. Die günstigen Preise führen einfach zu einem Anstieg des Verbrauchs, weil das Knappheitssignal nicht mehr sichtbar ist. Bis August waren es im Stromsektor über 83 % mehr Gasverbrauch (España duplicó en julio su dependencia del gas y ya ha aumentado un 83% su consumo para producir electricidad | Economía und hier dazu etwas auf deutsch: Strompreis: Was der iberische Preisdeckel bewirkt - Wirtschaftspolitik - derStandard.de › Wirtschaft). Ist zwar populistisch schön, wenn der Preis nicht zu hoch ist, aber hilft im Zweifel nichts, wenn es dann im Winter mit dem Gas noch knapp werden sollte. Spanien hat dabei im Gegensatz zu uns noch den Vorteil genug LNG-Importkapazitäten (zusammen mit Portugal) zu besitzen, aber komplett durchdacht ist das halt eben nicht an einer kleinen Stelle „kurzfristig“ einzugreifen. (LdN 304: Preise fallen nicht vom Himmel - #20 von BamChiller).

Gas ist aktuell ein wirklich knappes Gut. Ein geringer Preis führt letztlich dazu, dass der Verbrauch ansteigt und wir dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Winter eine Unterversorgung haben werden. Es also in der Theorie schön einfach die Importeure zu subventionieren und dann ist alles gut, aber die Folgen sind beträchtlich.

Moin,

ich würde kurz den Eingriff in die Vertragsfreiheit nennen wollen, welcher immer noch besteht. Jedes Unternehmen welches in der Verwertungskette ist müsste dann alle Verträge kündigen und ein „staatlich“ einheitlicher Vertrag müsste geschlossen werden. Ähnlich zum Buchbindepreis.
Damit können Unternehmen welche Gas anbieten, sich nicht mehr unterscheiden, da Gas anders wie bei Büchern, genormt und genau spezifiziert ist. Es gibt also keinen Differenzierungsunterschied, was bei Büchern immer noch der Fall ist (Inhalt und Autor). Damit würde eine de Facto Verstaatlichung der Gashändler geschehen. Das Widerspricht jedoch den Grundsätzen der EU Verträge.

Der Buchpreis gilt auch nur für identische Bücher. Der Vergleich passt also nicht gerade.

[quote=„BamChiller, post:5, topic:15723“]
Bis August waren es im Stromsektor über 83 % mehr Gasverbrauch
[/quote], gemeint ist Spanien.

Das ist natürlich krass und ein Strickfehler im System.
In DE schaffen wir das aber auch ohne Preisdeckel. Im August hatten wir die höchste Verstromung von Gas. Muss man sich schon fragen warum. Vielleicht ist es doch kein Gerücht, dass bei Uniper Party gefeiert wird.

Die Situation in Deutschland mit der höheren Gasverstromung ist vielschichtig und sicherlich nicht im Sinne des Ziels Gas einzusparen. Der trockene und heiße Sommer z.B. hat dazu geführt, dass Wasserkraft weniger genutzt werden konnte. Dazu die Situation der AKW in Frankreich. Da bleibt dann letztlich leider nicht viel anderes übrig als Gas einzusetzen, um andere Folgen anzuwenden. Dass muss nicht mal ein Blackout, es kann schon das Abschalten von einzelnen Verbrauchern sein. Auch wenn der Verbrauch also in dem Sektor höher war ist er doch insgesamt nicht so stark angestiegen wie in Spanien.

Ehrlich gesagt glaube ich eher, dass die Gaskraftwerke mit billigen Gas betrieben werden um teuren Strom zu produzieren. Für den Merrit Order Effekt genügt ein Kraftwerk welches teures Gas verstromt.
Das ist natürlich Spekulation. Das sonstige teure Gas wird an den Endkunden verkauft

Es gibt kein „billiges“ und „teures“ Erdgas. Es gibt Erdgas. Und das hat (auf dem europäischen Markt) einen Preis, zu dem man es aktuell kaufen bzw. verkaufen kann. Fertig.

Nix mit fertig. Das gilt ja wohl nur für den Börsenpreis.

Klar. Aber selbst wenn du als vorausschauender Gaskraftwerkbetreiber bereits zu Jesu Geburt für 40 Silberlinge den Gasbedarf für die nächsten 5000 Jahre eingekauft hättest, stündest du dennoch heute vor der Wahl dieses Gas entweder in deinem Kraftwerk zu verfeuern und damit X Euro pro MWh (elektrisch) zu bekommen oder aber, dein Kraftwerk stillstehen zu lassen und das Gas stattdessen am Markt zu verkaufen für Y Euro pro MWh (thermisch).

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Schonmal was von Kraftwärmekopplung gehört?

Klar gibt es die, es wird aber vor allem im Winter relevant. Im Sommer ist der Wärmebedarf je eher geringer. Wenn möglich werden Kraftwerksbetreibende ihr Gaskraftwerk dann Stromgeführt fahren, um auf dem Strommarkt möglichst viel Rendite zu erzielen und die ungenutzte Abwärme an die Umwelt abzugeben.

Zur Preisdiskussion. Sicherlich haben eine Kraftwerksbetreibende noch günstigere Lieferverträge. Nur @Guenter hat insofern Recht, dass sie theoretisch auch das Gas auf einem anderen Markt weiterverkaufen können. Wenn das aufgrund langfristiger Verträge der Stromlieferung nicht geht oder eben weil mit KWK auch Wärme produziert werden muss, dann werden die anderweitig entgangenen Gewinne als Opportunitätskosten mit eingepreist. Heißt, die Abnehmenden von Strom zahlen dafür (solange kein langfristig geringer Preis irgendwo feststeht), dass sie den Strom bekommen und eben nicht das Gas direkt an ein anderes Unternehmen verkauft wird, dass damit dann ggf. den nötigen Strom erzeugt.

Gerade der Strom aus Gaskraftwerken, der über den Spotmarkt verkauft wird verfolgt diese Logik (bei dem anderen sehen wir die Preise nicht so schön transparent). Da greift dann die Kalkulation von @Guenter vollständig und wir sehen die aktuell hohen Preise.

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Um diesen Anteil geht es gerade nicht.
Nochmal zur Ausgangsfrage bzw Hypothese. Warum werden in Zeiten der höchsten Gaspreise besonders viele Gaskraftwerke betrieben? Das wiederspricht jeglicher Logik der angeblichen „Gasmangellage“. Wenn das ausschließlich durch die maroden französischen KKW bedingt ist, dann müsste das auch deutlich adressiert werden. Die eigentlichen Verursacher der ganzen Verwerfungen wären dann nämlich die KKW.

Zu einem Teil liegt es auch daran, dass in Deutschland zum 1.1.2022 Kernkraftwerke stillgelegt wurden. Was die nicht mehr produzieren können, das muss durch Erdgas ausgeglichen werden.

Ist das belegt? Soweit ich weiss hat man zum Ausgleich der KKW wieder Kohlekraftwerke reaktiviert.

Und du meinst, die wären angesichts der Mangelsituation beim Erdgas nicht ebenfalls reaktiviert worden, hätte man die Kernkraftwerke damals nicht abgeschaltet?

Aber wir sollten auch nciht so tun, als sei die Gasverstromung nun massiv angestiegen dieses Jahr. Was halt nicht passiert ist: dass die Nutzung von Erdgas für die Stromerzeugung angesichts eines zehnmal so hohen Preises massiv abnimmt. Auf einem flexiblen Markt würde man das ja erwarten. Aber da in Europa zahlreiche Kohle- und Kernkraftwerke stillgelegt wurden und in Frankreich zudem soviele Kernkraftwerke aufgrund technischer Probleme stillstehen, werden die Gaskraftwerke leider weiterhin gebrauch - egal zu welchem Preis.

Dann verstehe ich die Frage wohl einfach nicht richtig. Ich habe verstanden, dass es darum geht wieso so viel Gas verbraucht wird und wieso ein Gaspreisdeckel da sogar kontraproduktiv ist.

Zum zweiten Teil ist hier schon recht viel gesagt worden. Daher da erst mal nichts weiter zu.

Zu dem ersten Teil waren die AKW nur ein Teil der Erklärung. Wie weiter oben geschrieben sind es auch andere Faktoren, wie z.B. die weniger verfügbare Wasserkraft. Dazu kommt dann noch, dass das Hochfahren der in der Reserve befindlichen Kohlekraftwerke auch nicht von jetzt auf gleich funktioniert. Die Branche hatte sich auf den Ausstieg eingestellt und das Reaktivieren klapp nur in der Theorie super. In der Praxis hat die Logistik da ein paar Lücken bzw. die Versorgung steht nicht von jetzt auf gleich. Das Niedrigwasser dürfte da ebenfalls zu beigetragen haben. Die Kraftwerke haben (weil eigentlich nicht benötigt) keine größeren Mengen Kohle auf Lager und die Versorgung erfolgt üblicherweise per Schiff (die nun nicht mehr mit voller Kapazität liefern konnten). In kurz den Anstieg der Gasnachfrage des Stromsektors nur auf die AKW in Frankreich schieben wird der Komplexität nicht gerecht, auch wenn es ein großer Teil der Problems ist.

Zum angesprochenen AKW-Ausstieg in Deutschland ist zum 1.1.2022 kein Kohlekraftwerk reaktiviert worden. Es sind viel mehr auch, im Rahmen des Kohleausstiegs, drei Braunkohleblöcke vom Netz genommen worden (Kohle- und Atomausstieg: RWE schaltet mehrere Anlagen ab | tagesschau.de). Die Reserveaktivierung kam dann erst später und ist auch noch nicht voll umgesetzt.

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