Wann wird es den digitalen Euro geben? Ist er nötig?

Da die Welt zunehmend digital wird und Bitcoin und Co. die Stimmung in der Wirtschaft aufheizen, steigt die Nachfrage nach einem öffentlichen digitalen Zahlungsmittel – kurz gesagt nach einer digitalen Zentralbankwährung (CDBC), respektive einem digitalen Euro. Auch die Europäische Zentralbank steigt immer mehr in die Diskussionen mit ein.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine digitale Zentralbankwährung würde die Merkmale von Bargeld aufweisen – also globale Akzeptanz, kontrollierte Sicherheit und Anonymität – und gleichzeitig die Möglichkeiten des Bargeld-Bezahlens mit denen einer digitalen Zahlung verbinden. Damit erhöht sich zugleich auch die digitale finanzielle Inklusivität - ein wichtiger Faktor für wirtschaftliches Wachstum, vor allem in Ländern, in denen nicht jeder ein Bankkonto hat.

Wie seht ihr die Einführung des digitalen Euros? Unbedingt nötig? Oder gibt es schon genug Zahlungsmittel auf dem Markt?

Verstehe ich nicht, es gibt diesen doch schon. Oder was ist für Sie ein ausgezahltes Gehalt auf ein Konto und das Bezahlen mit Karte, Handy, Smartwatch, etc? An welcher Stelle brauchen wir noch mehr „digitales“, außer um auch „Crypto“ drauf zu schreiben, was aber nichts anderes ist als das derzeitige system, außer dass mehr Strom bei jedem der Vorgänge verbraucht wird.

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In der Form, wie wir den digitalen Euro benutzten, soll der sich nicht unterscheiden. Es ist aber kein „Bank Geld“ sondern Geld direkt von der EZB. Der E-Euro soll die digitale Form des Bargeltes werden.

Niemand weiß, wie der E-Euro aussehen wird. Aber der E-Euro wird auf gar keinen Fall anonym sein. Wie auch, wenn es digital über die EZB läuft? Diese Möglichkeit einer Überwachung werden sich Staaten auch nie entgehen lassen. Anonyme Bezahlungen gibt es nur mit Bargeld und einigen wenigen Kryptowährungen. Darum versteh ich auch nicht, warum man dieses Geld miteinander vergleicht.

Machen wir uns nichts vor. Ein digitaler Euro wird kommen. In China soll die digitale Währung 2022 live gehen. Die USA plant einen E-Dollar und die EU einen E-Euro.
Meine Meinung: Wenn der E-Euro kommt, wir das Bargeld zeitnah aussterben. In diesem Fall kann die EZB auf jeden beliebigen Euro Strafzinsen belegen. Die EZB wird versuchen Bargeld unattraktiv zu machen.

Das hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Nachteil: Unternehmen, die die EZB nicht „mag“ bekommen dann Strafzinsen. Positiv: Studenten bekommen kostenlosen Kredit.

Anonymes zahlen ist dann nicht mehr möglich. Darum bin ich äußerst kritisch gegenüber einem E-Euro.

Bisher ist das ja eher ein Randphänomen, z.B. in El Salvador, wo Bitcoin seit September offizielle Währung ist:

Oder in Wyoming, wo inzwischen sog. Decentralized Autonomous Organizations auf Basis Blockchain im Gesetz stehen:
https://www.wyoleg.gov/Legislation/2021/SF0038

Der Economist hat auch letztlich darüber geschrieben:

Ich fände das Thema jedenfalls spannend.

Edit: Präzisierung im Detail

Hier noch zum digitalen Yuan:

Hier gibt’s einen recht ausführlichen Artikel einer reputablen Quelle zum Thema, der als Grundlage für das Verständnis dienen kann. Wer sich also für das Thema interessiert, sollte den Artikel vielleicht mal überfliegen.

Daraus:

Die EZB möchte über den digitalen Euro und seine modernen Zahlungsfunktionalitäten die Digitalisierung der Wirtschaft fördern (EZB, 2020, 9). Dieses Ziel ist nicht ganz uneigennützig. Denn die EZB sieht die Gefahr, dass attraktive Zahlungsformen an den europäischen Zentralbanken vorbei entwickelt werden (EZB, 2020, 10).
Das Eurosystem möchte nicht ausgebootet werden, sondern die Zahlungstechnologien kontrollieren […]. Die Bürger:innen Europas sollen moderne Zahlungssysteme „at the technological frontier“ nicht von Dritten nutzen müssen, sondern sich auf eigene stützen können. Dies hat einen Prestigeeffekt: Der Stolz auf Europa soll durch ein modernes Zahlungssystem in Euro gesteigert werden (EZB, 2020, 12). Im Hintergrund wirkt aber vor allem die Angst, von anderen überholt zu werden […]. Aus Nachhaltigkeitssicht soll der digitale Euro ein „grüner“ Euro werden in dem Sinne, dass die Prozeduren energieeffizient sind und den „ecological footprint of euro area payment systems“ reduzieren (EZB, 2020, 15).

Das finde ich relativ überzeugend. Wenn wir uns verdeutlichen, dass es mittlerweile immer mehr digitale Währungen gibt (Facebook wollte ja auch eine starten, hat das aber nach extremen Gegenwind sowohl in Europa als auch den USA aufgegeben…) sehen die Staaten halt die Gefahr, dass wenn sie selbst keine digitalen Währungen mit sämtlichen Vorteilen anbieten, private Anbieter dies tun werden. Die einzige Alternative wäre ein Verbot (was bei der Facebook-Währungs-Idee ja durchaus diskutiert wurde…), aber das Angebot einer eigenen, guten digitalen Währung wäre natürlich sinnvoller.

Der größte Nachteil ist natürlich die Angst, dass die Staaten irgendwann dann das Bargeld vollständig oder nahezu vollständig abschaffen werden - und dass die Staaten zu viel Kontrolle über das Geldsystem haben. Ob man letzteres als Gefahr oder als Segen ansieht hängt natürlich von der eigenen politischen Position ab.

Ein attraktiver digitaler Euro soll verhindern, dass Geldbestände zu anderen Zahlungssystemen abwandern, welche die EZB nicht kontrollieren kann (EZB, 2020, 12).

Auch das ist ein nachvollziehbares Argument der EZB.

Alles in allem bin ich nach erster Sichtung der Pro- und Contra-Argumente zwar kritisch, aber dennoch für die Einführung eines digitalen Euros, schlicht, weil die Bedeutung digitaler Währungen in den letzten Jahren massiv gestiegen ist und wenn Europa hier den Einstieg verschläft, verliert es einen wichtigen Einfluss auf seine eigene Wirtschaft.

Aber wie bei allen großen technischen Neuerungen oder Reformen kommt es natürlich auf die Umsetzung an. Ein digitaler Euro muss ökologisch und sicher sein, darf zugleich aber keine signifikant höheren bürokratischen Hürden haben als Digitalwährungen anderer Staaten, aus der Privatwirtschaft oder aus dem de-zentralen Ansatz (alá Bitcoin). Und mit „sicher“ meine ich durchaus auch die Sicherheit des Bürgers gegenüber dem eigenen Staat bzw. der EU im Hinblick auf Überwachung und den vielzitierten „gläsernen Bürger“. Das sinnvoll umzusetzen wird jedenfalls nicht einfach, es sind einfach eine ganze Menge Kompromisse nötig und die Frage bleibt, welche Zielvorstellungen im Hinblick auf diese Kompromisse letztlich geopfert werden.

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Ich schließe mich hier @derFragensteller an, ein E-Euro wird nicht anonym werden. Wenn staatliche Institutionen die Möglichkeit zur Überwachung bekommen können, wollen sie diese auch nutzen. Beispiel: DE-Mail. War ja sowieso ein riesiger Flop, aber immerhin zuerst als verschlüsselt und datenschutzfreundlich geplant. Das hat dann der Bundesregierung im Planungsprozess irgendwann doch nicht mehr gefallen, weswegen das Konzept komplett ausgehöhlt wurde und alle möglichen Hintertüren eingebaut wurden.
Die einzige anonyme Zahlungsmöglichkeit mit Echtwährungen bleibt Bargeld.

Anonyme Zahlungsmethoden gibt es außerdem bereits (zB Monero) und auch andere Kritikpunkte von Cryptowährungen werden grundsätzlich angegangen: Kursschwankungen → stable coins, Energieverbrauch → proof of stake. Es gibt viele Möglichkeiten, ich würde da aber nicht ausgerechnet auf die EZB vertrauen.

Naja, die Frage bleibt, wem man eher vertrauen möchte.

Neben überstaatlichen Trägern wie der EZB bleiben halt:

  1. Unternehmen wie Facebook, die damals wie gesagt sehr ausgereifte Pläne für eine eigene digitale Währung hatten, dann aber durch staatliche Intervention gestoppt wurden?

  2. Staaten wie China, die bald ihre digitale Währung starten wollen.

  3. Dezentrale Projekte wie der Bitcoin, die das Problem haben, dass es hier eben zu wenig Kontrolle durch staatliche Akteure gibt.

Die zentralen Fragen sind somit:

  1. Wer soll eine digitale Währung kontrollieren?

  2. Wie viel Kontrolle ist überhaupt erwünscht?

Zu 1) würde ich ganz klar sagen, dass ich die Kontrolle durch einen demokratisch legitimierten und kontrollierten Träger (sei es eine staatliche Bank oder die EZB) deutlich einer Kontrolle durch privatwirtschaftliche Unternehmen oder problematische Staaten (z.B. China) bevorzuge.

Zu 2) sollte klar sein, dass beide Extreme sehr problematisch sind. Zu wenig Kontrolle kann zum einen zu Währungskrisen führen, führt zum anderen aber eben auch dazu, dass man es der organisierten Kriminalität zu leicht macht (Drogen, Waffen, Kinderpornographie, Unterstützung von Terrorismus, Umgehung von Embargos/Sanktionen…). Zu viel Kontrolle und wir sind wieder beim „gläsernen Bürger“, dessen ganzes Leben anhand täglicher Finanztransaktionen beim Bäcker oder der Tankstelle nachvollzogen werden kann.

Kurzum:
Wenn wir uns einig sind, dass es in Zukunft digitale Währungen geben wird und diese eine gewisse Wichtigkeit erreichen, können wir nur das „kleinere Übel“ wählen. Und aus meiner Sicht ist die EZB das kleinere Übel gegenüber Einzelstaaten (wie China) oder Unternehmen (wie Facebook). Einzig die Frage, ob dezentrale Ansätze wie beim Bitcoin oder Krypto-Währungen allgemein vielleicht besser sind, aber wie gesagt: Auch das hat viele Vor- und Nachteile.

Keine Ahnung, wie gut das passt, aber eine digitale Währung ohne Blockchain wäre zum Beispiel GNU Taler

Große Zentralbanken, denen die Bürger vertrauen, und Länder mit funktionierenden Bankenwesen und Zahlungsdienstleistern brauchen eher keine Digitalwährung. Vgl. auch Zahlen per Handy:

Schwellenländer profitieren ggf. - oder wollen vermeiden, ihre Souveränität an bitcoin oder digitale Währungen anderer Staaten zu verlieren.

Naja, ich würde nicht unterschätzen das die Diskussion über den digitalen Euro einen enormen Schub durch die ganzen Libra-ankuendigungen bekommen hat.

Die Sorge vor Souveränitätsverlust ist da auch bei den großen Volkswirtschaften groß.