Wahlrecht in Baden-Württemberg

Liebe Lage,

wie ihr sicher wisst, wird im März 2021 in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Allerdings hat das Wahlrecht in Baden-Württemberg einige Besonderheiten, die in meinen Augen kleine Parteien benachteiligen. Die Chancengleichheit ist nicht gegeben.

In BaWü gibt es ein Einstimmenwahlrecht, das eine Art Kombination aus Erst- in Zweitstimme darstellt. D.h., dass man mit seiner Stimme gleichzeitig den Direktkandidaten in seinem Wahlkreis und dessen Partei wählt. Das hat mehrere Konsequenzen:

  1. Die Stimme für den Direktkandidaten entscheidet auch direkt über die Verteilung der Sitze im Landtag nach Parteien. Das führt zu gewissen Einschränkungen für WählerInnen. Ein Beispiel: man möchte aus dem Heimatwahlkreis den Direktkandidaten der Partei A wählen, im Landtag aber lieber Partei B unterstützen. Normalerweise macht man dann folgendes: Erststimme: Kandidat der Partei A, Zweitstimme: Partei B. Das geht in BaWü aber nicht. Es geht nur beide Stimmen A oder beide B. Noch schwieriger ist es mit unabhängigen Kandidaten. Wählt man einen solchen hat man mit seiner Stimme nahezu keinen Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse im Landtag.

Die „Landesliste“ ergibt sich dann effektiv aus denjenigen Direktkandidaten, die in ihrem Wahlkreis die höchsten Stimmanteile unter ihren Parteigenossen erhalten.

  1. Es gibt keine Landeslisten. Eine Partei kann nur in Wahlkreisen gewählt werden, in denen sie auch einen Direktkandidaten aufgestellt hat. Diese Aufstellung ist allerdings an hohe Hürden geknüpft. Die Schwierigste ist dabei das Sammeln von Unterstützungsunterschriften, 150 pro Wahlkreis. Es gibt in BaWü 70 Wahlkreise. Um als Partei flächendeckend anzutreten braucht man also 10500 Unterstützungsunterschriften. (Für die kommende Wahl wurde die Zahl der geforderten Unterschriften einmalig halbiert.)

Eine Unterschrift ist nur dann gültig, wenn von der Wahlbehörde im Wohnort des Unterschreibenden dessen Wahlberechtigung bestätigt wird. D.h. in ländlichen Wahlkreisen muss man die Unterschriften in vielen Dutzend unterschiedlichen Gemeinden bestätigen lassen. Das ist eine extreme logistische Herausforderung, zumal das bei kleinen Parteien viele ehrenamtlich neben Beruf und Familie machen. (Im Landtag vertretene Parteien gelten als „etabliert“ und müssen keine Unterschriften sammeln.)

Das hat zur Konsequenz, dass es kleinen Parteien nahezu unmöglich ist, flächendeckend anzutreten.

  1. Es gilt auch in BaWü eine 5%-Hürde. Da kleine Parteien es oft nicht schaffen flächendeckend wählbar zu sein (s.o.), wird die 5%-Hürde effektiv zu einer 5+x%-Hürde, je nachdem, in wie vielen Wahlkreisen eine Partei antritt. Sind es die Hälfte, müsste man in den Wahlkreisen 10% holen um in den Landtag einzuziehen.

Fazit: Um als kleine, zur Landtagswahl anzutreten ist ein enormer logistischer Kraftakt nötig und das flächendeckend. Insbesondere neue politische Bewegungen haben zu Beginn aber gar nicht die nötigen Strukturen, besonders auf dem Land. Das ist ein krasser Einschnitt in die politische Chancengleichheit.

Zum Schluss noch ein Disclaimer: Ich bin selbst Mitglied der Partei DIE PARTEI und mache das ganze Prozedere mittlerweile zum 2. Mal durch.

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Ich finde das Thema klingt spannend, ohne mich selbst besonders damit auszukennen. Ist BaWü denn das einzige Land mit diesem Wahlrecht?

Soweit ich weiß gibt es dieses hybride Einstimmenwahlrecht nur in BaWü.

Was die Zulassungshürden angeht ist meines Wissens nach Bayern noch sich restriktiv. Soweit ich weiß müssen dort zum einen sehr viele Unterschriften gesammelt werden und zum anderen auch in jeden Regierungsbezirk einzeln die Zulassungsgrenze erreicht werden. Die Situation in Bayern kenne ich aber nur aus 3. Hand, das ist also mit Vorsicht zu genießen.