Wahlkampf der Grünen unterirdisch? konkrete Fehlersuche

Es gibt hier ja schon 2 andere Threads, die das Thema behandeln. Der eine ist allerdings eher zu einer Diskussion um die Rolle der Medien im Wahlkampf geworden; während der andere schon vor der letzten Lage entstanden ist.

Da ich auch konkret auf Aussagen der letzten Lage eingehen möchte, hab ich ein neues Thema erstellt. Ich weiß, die Lage ist schon ´ne Woche her, denke das Thema ist trotzdem noch relevant genug.


Eindeutige These der Lage war, dass der Wahlkampf der Grünen selbstverschuldet unterirdisch läuft; im Gegensatz vor allem zur Union, die Wahlkampf verstanden hat. Gestützt wird die These vor allem durch den Prozentverlust im aktuellen Politbarometer.

Im Vergleich zu Ende März ist die Zustimmung zu den Grünen und Baerbock aber relativ konstant. Auch die Union ist mit 28%, doch keineswegs auf einem Allzeithoch.

Wenn man die These trotzdem annimmt, stellt sich schnell die Frage was die Grünen denn anders machen sollten. Die Antworten, die in der Lage dazu angedeutet wurden, waren mir leider zu unkonkret und teilweise verstörend. Überspitzt gesagt, ist bei mir das Fazit angekommen: Der Durchschnittswähler hat keine Ahnung von Politik, also versuch gar nicht dem zu erklären, was du konkret vor hast.

In dem oben schon erwähnten Thread wird diskutiert, ob das Umfagentief nicht viel mehr durch Fehlverhalten der Medien zustande kommt. Selbst in diesem Fall könnte man aber die Frage stellen, ob die Grünen dieses Fehlverhalten nicht vorhersehen konnten und entgegen wirken.


Konkrete Punkte aus der Lage:

  • Erstes Beispiel für den CDU-Wahlkampf ist ausgerechnet die acab-Aussage von Maaßen. Ist mir ein Rätsel, wie ihr das als guten Wahlkampf seht. Kann mir nicht einen Grünen Wähler vorstellen, der deshalb nun anders wählt und die allermeisten CDU-Wähler werden bei der Aussage auch keinen Beifall geklatscht haben

  • Punkt für die Union geht auch an das nicht vorhandene Wahlprogramm. Hier wären natürlich Umfragen interessant, wie wichtig dem Wähler ein festes Programm ist. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich auch mancher CDU-Wähler unwohl fühlt eine Partei ohne festes Programm zu wählen und der Union so Stimmen flöten gehen.

    Ohnehin lässt sich da keine Lehre für den Wahlkampf ziehen. Für die Union mag ein inhaltsloser Wahlkampf noch funktionieren. Wie ihr schon sagt, kann sich jeder, aufgrund 16 Jahren Regierung, ungefähr vorstellen, wie 4 weitere Jahre aussehen.

    Für die Grünen wäre kein oder ein schwammiges Wahlprogramm fatal. Für viele Menschen sind die Grünen immer noch eine „Verbotspartei“ und auch der Kampf gegen den Klimawandel wird mit viel Verzicht und sozialer Ungerechtigkeit verbunden. Diese Vorurteile und Sorgen kann man nur mit einem Wahlprogramm mit konkreten Plänen bekämpfen.

    Wenn den Grünen jemand vorwirft Fleisch oder ähnliches zu verbieten, müssen die doch auf ihr Programm zeigen können und sagen: „Nein, guck her, das haben wir nicht vor“. Klar erreicht und überzeugt das auch nicht jeden, sehe aber nicht wie diese Vorurteile sonst bekämpft werden können.

    Beispiele aus der Lage sind die Schlagzeilen rund ums „Kurzstrecken Flugverbot“ und die „16-Cent Prognose“


    1. Die Debatte um die „16-Cent Prognose“ lässt mich tatsächlich rätseln. Niemand, der die Talkshow bei Maybrit Illner geguckt hat, konnte jawohl erahnen, dass daraus diese Schlagzeilen entstehen.

      Mehrmals betont Habeck, dass der CO2 Preis nicht der einzige Hebel der Politik sein darf (wie es Georg Kofler, der im Grunde die FDP vertritt, gern hätte), damit es nicht zu einer extremen Preissteigerung kommt und spricht auch öfter über sozialen Ausgleich.

      Auf die Frage nach einer Benzinpreis Prognose, kann Altmeier keine Antwort liefern. Habeck schafft es aber den Dreisatz anzuwenden und folgert aus 6ct Anstieg aufgrund des derzeitigen CO2 Preis von 25€/t ergeben sich bei CO2 Preis von 55€/t eben ungefähr die 16ct Anstieg.
      Bei stärkeren Anstieg des CO2-Preises, der zwangsläufig in den Konzepten der CDU und FDP benötigt wird um die Klimaziele zu erreichen, wird es einen noch deutlicheren Anstieg des Benzin Preises geben.

      Schlagzeile danach ist trotzdem: „Grünen wollen Benzinpreis um 16ct erhöhen“. Daraufhin wird Baerbock in einem Interview mit der Bild mit der Aussage konfrontiert. Die Antwort ist etwas ungünstig formuliert und der Skandal nimmt seinen Lauf, aber ich denke unabhängig davon war die Schlagzeile der Bild schon geplant.
      Vielleicht wären andere Medien, bei einer besseren Formulierung, nicht so leicht aufgesprungen.

      Hätte Habeck, wie Altmeier auch, eine Prognose verweigern sollen? Ich glaube nicht.
      Eine Veranschaulichung, was ein Anstieg des CO2 Preis für tatsächliche Mehrkosten bedeutet, ist für die Grünen vom Vorteil auch wenn es in dem Fall nach hinten los gegangen ist. Für andere Parteien sollte es nun zumindest schwieriger sein, ein Klimakonzept zu vermitteln in dem der CO2 Preis die Hauptrolle spielt.

      Auch wenn man den Wahlkampf mal außer acht lässt, ist das eine Information, die gesellschaftlich eine wichtige Rolle spielt. Habeck sorgt damit auch für mehr Transparenz und Planbarkeit für Unternehmen und Bürger.

      Die darauf folgende Aussage von Olaf Scholz haltet ihr für guten Wahlkampf, meiner Meinung nach spielt er da mit dem Teufel. Musterbeispiel für Populismus und zumindest beim gebildeten Wähler wird er damit nicht durchkommen und bietet seinerseits riesige Angriffsfläche.

    2. Die Debatte „Kurzstrecken Flugverbot“ hab ich nur am Rande mitbekommen. Vielleicht weiß da wer anderes, wie sich das entwickelt hat und was die Grünen da wirklich hätten anders formulieren müssen um den Medienwirbel zu umgehen.

      In dem Talk mit Maybrit Illner kamen die Kurstreckenflüge z.B. auch zur Sprache, zumindest mir sind danach aber vor allem die Schlagzeilen zur Benzinpreiserhöhung aufgefallen.



  • Zu den Nebeneinkünfte sagt ihr: „die politischen Hausaufgaben müssen vor der Nominierung geklärt sein.“

    Ist ja auch genau so passiert. Die Nebeneinkünfte wurden schon im März nachgemeldet, vermutlich genau weil man da nochmal genauer nachgeprüft hatte.
    Man hätte sich natürlich gleichzeitig auch öffentlich entschuldigen können um einer „Enthüllung“ durch die Presse vorzubeugen.

  • Die Kritik am Lebenslauf hätte man, denk ich, auch ignorieren können. Durch die Änderungen hat man die Kritiker nur bestätigt.

  • Letzter Punkt ist fehlende Zukunftsvision. Wer sich Interviews der Grünen anschaut, kann schon eine klare Zukunftsvision erkennen und auch das Wahlprogramm ist ja sehr konkret. Guckt sich nur leider nicht jeder an. Dazu kommt, dass es auch um einiges schwieriger ist, eine Zukunftsvision zu vermitteln in der sich tatsächlich etwas ändert, als einfach zu sagen: „Bleibt alles wie es ist“


Was ihr leider auch außer acht gelassen habt, ist dass die Wahl 2021 doch nicht das Endziel der Grünen ist. Mit ihrem ehrlichen Wahlkampf in dem auch unangenehme Themen zur Sprache kommen, beugen sie auch einer Frustration mit der kommenden Klimapolitik vor.


Ich glaube viel von der These, wie schlecht der Wahlkampf der Grünen doch läuft, entstammt der hohen Erwartungen an die Grünen und der Enttäuschung, dass sie diese nicht erreichen.

Man guckt auf die Inhalte der Parteien und denkt sich die Grünen müssten ´ne Partei mit ~40-50% sein, die haben konkrete Lösungen für dringende Probleme.

Dann guckt man auf die Union, ohne Wahlprogramm, mit innerparteilichen Schwierigkeiten, und denkt das kann nur ´ne Randpartei sein mit höchstens 5-10%.

Konfrontiert mit den echten Umfragen, liegt die Vermutung nah, bei den Grünen muss ja ordentlich was falsch laufen. Wenn man dann genauer nach Fehlern sucht, finde ich zumindest eher wenige.


Vielleicht lädt man zu dem Thema auch einen Experten zur Lage ein, der Aussagen dann auch mit Studien oder psychologischen Hintergründen belegen kann. Wie Wahlkampf gemacht wird, und wie sich Wähler für eine Partei entscheiden, ist in einer Demokratie schließlich ein essentielles Thema und wenn die Wirklichkeit tatsächlich so düster ist, dass Populismus die beste Wahlkampfstrategie ist, muss man auch über Gegenmaßnahmen reden. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Pflicht zum Wahlprogramm? Am besten noch mit Kurzfassung, die es jedem ermöglicht sich einen ersten Überblick zu schaffen.

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Leider wird immer klarer, dass das genau so ist:

Die Grünen erklären ihr Programm und erreichen so Gebildete und Interessierte. Damit kommt man nur schwer über 25%.

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Ja du hast leider wohl recht. Man kann immer nur versuchen jedem klar zu machen für was wer wirklich steht. Aber es ist schon traurig, dass wir akzeptieren müssen, dass die besten Lügner und korruptesten Populisten wohl gewinnen werden wieder und dieses Land weiter vor die Hunde geht bis die Rechnung wieder mal richtig weh tut. Irgendwo hab ich schon den Titel Agenda 2030 vor Augen.

Zufällig grade über diesen Artikel gestolpert und ich finde der verdeutlicht nochmal was ich mit Planbarkeit für Unternehmen und Bürger meinte.
Damit wird der Kampf gegen den Klimawandel auch heute schon vorangetrieben, ganz ohne das man die Wahl gewonnen hat.

Im Übrigen so auch nachhaltiger. Wenn klar gemacht wird wohin die Reise geht, entscheidet sich das/der Unternehmen/Bürger von allein für einen Wechsel.
Wer aber nur von positiven Visionen schwärmt und dabei klein redet, was das für Auswirkungen auf z.B. das Benzinauto hat, riskiert einen sehr abrubten Wechsel. Im schlimmsten Fall werden dann Entschädigungszahlungen wie für die Kohlekraftwerke nötig, weil Daimler und Co bis 2024 damit beschäfftigt sind ihre Benzinmotoren zu entwickeln.

Zusätzlicher sehr guter Punkt aus dem anderen Post:

Danke umpalumpa,

vor allen Dingen die letzte Absätze mit Fokus auf „wieviel würde man eigentlich erwarten das Grüne bzw. Union an Stimmen bekommen sollten“, auf Basis der eigenen Sympathie, des eigenen Umfelds und der gefühlten Dringlichkeit der Klimakatastrophe ist glaube ich ein valider Punkt.

Die Wahl wird bei den vor 1970 jähirgen gewonnen, und die haben auf die Themen der Grünen vielleicht einfach im Schnitt einen anderen Blick als wir später geborenen