Waffenlieferung an Ukraine - pro und contra

Hey ich bin schon einmal sehr dankbar was meine Frage für eine Diskussion angeregt hat und habe natürlich alles mitgelesen und mir die Verlinkungen angesehen. Vielen Dank dafür

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Die Bedingungen für Verhandlungen stellt allerdings nicht der Westen, sondern Ukraine und Russland. Abgesehen davon bin ich der festen Überzeugung, dass die Ukraine definitiv zu Verhandlungen bereit wäre, sollten sich die russischen Truppen aus der gesamten Ukraine zurückziehen. Russland wird das aber absolut nicht einsehen, da ein Rückzug in diesem Ausmaß einer Niederlage gleich käme.

Das ist einer der Hauptschwachpuntke von Team Vorsicht: Wie soll denn diese Änderung der militärischen Lage durch die Ukraine herbeigeführt werden, wenn ihr Waffenlieferungen durch den Westen verweigert werden?

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Das würde ich nicht so sehen. Die Ukraine ist für ihr Überleben auf die Unterstützung des Westens angewiesen. Wenn sie Verhandlungen zu Bedingungen aufnimmt, die dem Westen nicht passen, kann dieser seine Unterstützung zurückziehen, wodurch sich die Verhandlungsposition der Ukraine schlagartig verschlechtert. Je länger dieser Krieg dauert, desto mehr sind wir in der Lage, die Ukraine zu einer Fortsetzung des Krieges gegen ihren Willen zu zwingen.

Das ist zwar richtig, ändert aber doch nichts daran, dass die Ukraine der handelnde Akteur ist.

Das müsstest Du glaube ich erklären. Zunächst Mal führt die Ukraine diesen Krieg zwar in dem Sinne gegen ihren Willen, dass er ihr von Russland aufgezwungen wurde, aber aus freien Stücken in dem Sinne, dass sie sich verteidigen möchte.

Und in der Zukunft wird es kaum der Westen sein, der die Ukraine zu irgendwas zwingen kann. Russland zwingt die Ukraine dazu, sich zu verteidigen. Die Ukraine kann entscheiden ihren Widerstand aufzugeben, aber um das zu verhindern kann (oder würde) der Westen sie kaum mit etwas bedrohen, das schlimmer als eine russische Besatzung wäre.

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Ich sehe einen Unterschied zwischen dem eigenständigen Verhandeln mit Russland durch den Westen und der von dir geschilderten Einflussmöglichkeit auf die Ukraine. Was @Beatolemaios vorgeschlagen hat, wäre ja ein Festlegen der Verhandlungskriterien über die Ukraine hinweg. Das wäre ein ziemlicher Affront, vor allem da der Westen ja bis dato immer die Souveränität der Ukraine betont hat.
Der von dir dargestellte Einfluss des Westens über die Ukraine ist da in meiner Wahrnehmung etwas subtiler. Er ist selbstverständlich da und beeinflusst maßgeblich das Handeln der Ukraine, aber er überlässt der Ukraine am Ende doch (noch) die Entscheidung.

Was erwartest Du da an Erklärung? Das Offensichtliche?
Die Ukraine grenzt auf der einen Seite an Russland und seine Verbündeten und auf der anderen Seite an die NATO/EU. Die Häfen sind - außer für Lebensmittelexporte - blockiert. Waren, von denen weder Russland noch die NATO/EU wünschen, dass sie in’s Land kommen, kommen damit nicht in’s Land.
In der aktuellen Lage ist die Ukraine nicht in der Lage, die an der Front verbrauchten Materialien (Munition, Waffen, Treibstoff, Menschen, …) aus eigener Kraft im benötigten Umfang zu ersetzen. Sie ist also auf Importe angewiesen. Importe kommen zur Zeit ausschließlich aus dem Westen. Verärgert die Ukraine die NATO/EU, läuft sie Gefahr, dass diese Importe versiegen und sie ihre Verluste nicht mehr in ausreichendem Maße ersetzen kann. Russland hat diese Probleme auch, aber in wesentlich geringerem Umfang.
Aktuelles Beispiel (Quelle: Tagesschau, heute, 20:00 Uhr): China hat heute angeboten, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Sofort haben sich (unter anderem) deutsche Politiker zu Wort gemeldet, und verkündet, dass sie sehr von der Ukraine enttäuscht wären, sollte sie dieses Angebot annehmen. Selbst wenn man China nur die besten Absichten unterstellt und es keinen Grund für die Annahme gäbe, dass es eine eigene Agenda verfolgt, dürfte diese Initiative damit erledigt sein.

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Mal zum Pro & Contra zurück…

Pro bedeutet doch, wir unterstützen die Ukraine mit militärisch notwendigem Material, um sich gegen den aggressiven Angriff eines materiell überlegenen Russlands zu wehren.
Moralisch und auch politisch aus unserem westlichen Verständnis her absolut nachvollziehbar.
Nur: was ist das langfristige Ziel dieser Unterstützung? Ich denke, das ist uns im Westen noch nicht wirklich klar. Russland soll verlieren, die Ukraine gewinnen. Was heisst das im Detail? Russland zieht sich auf die Grenzen von 2014 zurück? Ist das aus russischer Sicht realistisch? Für Putin eine wirkliche Option? Oder setzt er lieber auf Zeit und Masse und somit auf die militärische Lösung?

Contra wäre, wir stellen gemäss Wagenknecht und Schwarzer im Extremfall jegliche militärische Unterstützung der Ukraine ein. Wir wären dann aus unserer (!) Sicht keine Kriegspartei mehr. Bringt uns und vor allem die Ukraine einem Frieden irgendwie näher? Erwarten wir von Putin dann pazifistische Einsicht? Warum sollte dann Russland nicht erst recht die militärische Maximallösung suchen und die Ukraine völlig besiegen, mit allen Konsequenzen?
Sagen wir im Westen dann: " Ja schade um die Ukraine, aber jetzt ist ja Frieden, können wir ja wieder billig Rohstoffe aus Russland kaufen, alles wieder gut."? Wäre das auch für Pazifisten nicht sehr zynisch?

Also mir fehlt trotz allem noch ein Ziel, das irgendwie auch Russland langfristig berücksichtigt, sonst endet es wie mit Deutschland nach dem 1. Weltkrieg in einer noch grösseren Katastrophe.

Das ist der Kern der Diskussion, die glaube ich oft zu sehr um Waffenlieferungen und zu wenig um die übergeordneten Ziele kreist.
Eine Zieldefinition, die ich schon öfter u.a. von Carlo Masala gehört ist die folgende: Die Ukraine soll in die Lage versetzt werden, sich so erfolgreich zu verteidigen, dass eine Verhandlungslösung überhaupt erst realistisch wird. Russland wird nur zu ergebnisoffenen Verhandlungen (in welcher konkreten Form auch immer) bereit sein, wenn es sich militärisch keine besseren Chancen ausrechnet. Deshalb muss sich die Ukraine für eine Verhandlungslösung militärisch wehren können.
Was dann die Ergebnisse der Verhandlung sein sollen, ist aber auch bei dieser Zielsetzung noch offen.

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Jonathan Powell, u. a. ehemaliger britischer Chefverhandler in Nordirland, hat in einem wie ich finde lesenswerten Artikel zusammengetragen, was konkret Gegenstand von Verhandlungen sein könnte und was Bedingungen hierfür sein müssten. Drei Punkte scheinen mir dabei besonders wichtig zu sein: a) Ziel von Verhandlungen dürfe nicht nur ein Waffenstillstand sein (wie Minsk I/II), sondern eine möglichst langfristige Beilegung des Konflikts. b) momentan sind die notwendigen Voraussetzungen für solche Verhandlungen nicht gegeben c) die Ukraine sollte sich dennoch jetzt schon gut auf Verhandlungen vorbereiten, um nicht wie in Minsk 2015 mehr oder weniger über den Tisch gezogen zu werden. Powell hält es für möglich, dass Putin irgendwann einen unbefristeten einseitigen Waffenstillstand verkündet und damit international Druck auf die Ukraine ausüben könnte („jetzt müsst ihr aber verhandeln!“) und das die Ukraine überrumpeln könnte. Muss nicht alles so stimmen, aber ich finde der Text hat deutlich mehr Substanz als vieles, was ich in der letzten Zeit zum Thema Verhandlungen gehört und gelesen habe.

https://www.prospectmagazine.co.uk/essays/ukraine-fight-war-russia-plan-peace

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Bitte auch hier weiter…