ich tue mich mit meiner Wahlentscheidung für die anstehende Bundestagswahl 2025 sehr schwer. Eine Wahl antidemokratischer oder russlandfreundlicher Parteien kommt für mich nicht in Frage. Jede der demokratischen etablierten Parteien bietet momentan übermäßig viele Argumente, sie nicht zu wählen. Daher beschäftige ich mich mit der Frage, ob es sinnvoll ist, mein Kreuz bei einer Randpartei mit (noch) geringen Aussichten auf das Überschreiten der 5%-Hürde zu setzen, die mich programmatisch und ideologisch aber mehr anspricht. Ich habe dabei vor allem die Sorge, dass ich dadurch ggf. dazu beitrage, dass die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Sperrminorität von AFD / BSW steigt. Andererseits funktioniert Demokratie ja nur, wenn auch neue Strömungen und Parteien den Sprung in den Bundestag schaffen können, indem ich aus Überzeugung mein Kreuz bei diesen setze.
Könntet ihr dieses Thema in einer Folge aufgreifen und Pro und Contra „Randpartei wählen?“ gegenüberstellen?
Liebe Grüße und danke für den tollen Podcast
JaquesDasPfund
Ich wollte einen ähnlichen Themenvorschlag anbringen. Mich überzeugt ebenfalls keine der derzeitigen führenden Parteien. Ich frage mich nämlich ebenfalls, was ich mit meiner Stimme anderes bewirken kann, als aus Überzeugung eine Regierungspartei zu wählen.
Die Berichterstattung zu den Wahlen fokussiert sich meiner Meinung nach zu sehr darauf, wer die Regierung stellt. Zu wenig wird darüber gesprochen, dass viele Personen nicht unbedingt aus Überzeugung zu einer Partei wählen, sondern eventuell um „schlimmeres“ zu vermeiden.
Für einige bedeutet dies, die AfD aus Protest zu wählen und für andere Die Linke zu wählen, damit sie nicht aus dem Bundestag fliegen. Hier gibt es verschiedene Auslegungen.
Gerne würde ich im Podcast etwas zu „taktischem“ Wählen hören, wo es nicht um die Bildung der Regierung geht, sondern um Stärkung der Opposition oder Sicherung von Parteien im Bundestag. Was kann man hier mit seiner Stimme bewirken?
Besonders im Hinblick darauf, dass es heutzutage eh nicht mehr die eine Regierungspartei mit 40% gibt, wird oft darüber berichtet, als wäre dies noch der Fall. „Welche Person solle Kanzler werden?“, interessante Frage, aber interessant ist doch eben auch, „Wen möchten Sie im Bundestag sehen?“.
Ich denke, dass sich meine Frage thematisch ebenfalls gut zu Ihnen einordnen könnte.
Also aus demokratischer Sicht solltest du das wählen was du für das beste hältst. Wenn jeder taktisch wählt ist es unmöglich für neue Parteien die fragwürdige 5% Hürde zu überschreiten. Außerdem gibt es den etablierten Parteien einen Freifahrtschein. Die etablierten Parteien sollten sich programmatisch und personell wählbar aufstellen um gewählt zu werden. Ich finde es demokratisch höchst gefährlich, wenn man die etablierten Parteien nur wählt um Rechtsradikale zu verhindern, das führt auf jeden Fall zu Enttäuschung und schlechtem Personal und miesen Programmen.
Die Diskussion über das Pro und Kontra des Wählens einer Partei, die unter der 5%-Hürden landen könnte (oder sogar sicher wird) haben wir im Forum schon zahlreiche Male diskutiert, das letzte Mal am Beispiel der LINKEN vor zwei Wochen:
Die Frage ist eben:
Will man im Rahmen des verfügbaren Systems kurzfristig das Beste (oder besser: das am wenigsten Schlimmste) Ergebnis erzielen? Dann muss man letztlich eine demokratische Partei wählen, die sicher in den Bundestag kommt.
Oder will man hoffen, dass die Wahl einer Kleinpartei unter 5% langfristig die Situation verbessert? Sei es dadurch, dass man einer Partei unter 5% (z.B. der LINKEN) durch Wahlkostenerstattung wieder auf die Beine hilft oder einer neuen Partei (z.B. VOLT) durch Wahlkostenerstattung die Möglichkeit bietet, beim nächsten Wahlkampf präsenter zu sein und durch ein höheres Ergebnis eher im Fokus der Medien zu stehen (jeder Auftritt in den Medien ist „kostenlose Wahlwerbung“).
Beide Ansätze sind legitim. Der kurzfristige Ansatz wird m.M.n. umso wichtiger, je eher eine absolute Mehrheit antidemokratischer Parteien droht (oder wenn die Union einen Kanzlerkandidaten wie damals Stoiber aufstellt und man den um jeden Preis verhindern will ). In Situationen relativer politischer Stabilität hingegen mag es tatsächlich sinnvoller sein, eher langfristig zu wählen.
Wenn AfD und BSW jedenfalls zusammen eine Sperrminorität erreichen, die verhindert hätte werden können, wenn weniger Stimmen an der 5%-Hürde gescheitert wären, sollte man sich fragen, ob die Wahl der Kleinstpartei das wirklich wert war. Daher könnte zumindest Ich aktuell die Wahl einer Kleinstpartei nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, aber das mag man durchaus anders sehen.
Das mag für dich gelten, aber ich glaube tatsächlich viele wie ich haben mittlerweile mehr Gewissensbisse die etablierten Parteien zu belohnen. Die AfD ist ja nun auch nicht plötzlich aufgetaucht und es wurden schlicht keine guten Strategien gegen sie entwickelt. Stattdessen wurden Positionen der Nazis von den Parteien, besonders der Union, übernommen. Von daher gab es genug Zeit ein Angebot für die Bürger bereitzustellen, dass man wählen möchte. Stattdessen versucht die Union an die AfD zu rücken, die SPD mit Putin nahen Politikern und die Grünen mit einem Ruck zur Union gewählt zu werden. Alles nicht vertretbar für mein Gewissen, die Zukunft meiner Kinder und meine eigene Perspektive.
Würde ich so nicht unterstreichen. Es geht ja auch darum repräsentiert zu werden. Und bestimmte Parteien wie die „Tierschutzpartei“ werden niemals in den Bundestag einziehen. Wer also die Tierschutzpartei für die beste hält (der Meinung kann man ja sein), wird niemals in seinem Leben im Bundestag repräsentiert werden. Da wäre es dann vielleicht besser den Grünen die Stimme zu geben, damit diese vielleicht stärkste Kraft werden und den Bundeskanzler stellen.
Taktisch zu wählen, ist immer riskant. Viele Grünen-Wähler haben bei der Wahl in Brandenburg der SPD aus taktischen Gründen ihre Stimme gegeben. Daraufhin sind die Grünen aus dem Landtag geflogen und ein paar Monate nach der Wahl hat der SPD-Ministerpräsident die grüne Gesundheitsministerin während einer Bundesratssitzung entlassen. Etwas, dass sicher viele Sympathisanten der Grünen empört hat.
Randparteien brauchen mediale Unterstützung, um eine Chance zu haben. Dem BSW hat es sehr geholfen, dass Frau Wagenknecht jede Woche in Talkshows eingeladen wurde und ARD und ZDF ausführliche Dokus über sie gedreht haben. Würde die Tierschutzpartei die selbe mediale Aufmerksamkeit bekommen, dann hätte diese wahrscheinlich eine realistische Chance auf 5%. Massentierhaltung wäre durchaus ein Thema, über das die Medien deutlich häufiger berichten könnten. Das ist ja kein esoterisches Thema wie Verjüngungsforschung und ewiges Leben. Mich würde mal interessieren, warum ARD und ZDF das BSW so gepusht haben dieses Jahr. War das eine Vorgabe des Intendanten oder eine freie journalistische Entscheidung?
Kann ich nachvollziehen, ändert aber weniger an der Problematik, dass dadurch AfD und BSW eine Sperrminorität erreichen könnten, was massive negative Konsequenzen für unsere Demokratie haben könnte, es ist ein Schritt hin zu „Weimarer Zuständen“.
Relativ klar eine journalistische Entscheidung, ebenso wie die Piraten kurzfristig und die AfD vor allem in ihrer Anfangszeit stark medial gepusht wurden. Wenn eine Partei nach Umfragen plötzlich deutlich über 5% liegt ist es die Pflicht der Medien, darüber zu berichten, ob wir das mögen oder nicht.
Wobei du dir ja dann doch die Frage stellen müsstest ob nicht am Ende gemäßigte Grüne die Einfluss haben real mehr erreichen könnten als Grüne mit einer Ausrichtung die zwar auf dem Papier gut ist, real aber gar nichts bewirkt.
Gerade wenn die Union weiter nach rechts rückt entsteht ja auch eine Lücke für viele Wähler die in irgendeiner Form gefüllt werden muss, wenn man nicht einen nicht unerheblichen Teil dieser Stimmen dann doch auch an Union und FDP verlieren will.
So einfach ist das dann ja doch nicht, dass man sagen kann die Wahl einer Kleinpartei wäre besser für die Zukunft der Kinder weil die Grünen einige Positionen abschwächen oder fragwürdige Positionen zu einigen Themen übernehmen.
Man kann auch mal einen Schritt zurücktreten und sich fragen, was eine gute Parteienlandschaft ist. Will man wirklich dutzende Parteien haben, die genau auf ebensoviele Milieus zugeschnitten sind? Gründe, eine Partei nicht zu wählen, wird es immer geben, aber man muss sich ja auch irgendwie mit anderen Menschen zusammenfinden. Und das muss auch in innerparteilichen/inner-Milieu Demokratie stattfinden.
Ich möchte eine höhere Durchlässigkeit weiterer Parteien anstatt etablierten Parteien, die möglichst neue Parteien verhindern. Gerade wirkt die 5% Hürde schon sehr nach Sicherung der Fleischtöpfe. Und derzeit werden ganze Milieus schon fast ignoriert zum Schutz von Vermögenden, Erben und teils sehr gut Verdienenden.
Hatte nicht die letzte Wahl im Saarland zu einer Regierung geführt, die nicht einmal ein Viertel der Wahlberechtigten repräsentiert? Unter Anderem weil fast jede vierte abgegebene Stimme aufgrund der 5%-Hürde verfallen ist? So ein Ergebnis finde ich echt problematisch.
Problematisch finde ich, dass keine etablierte Partei damit ein Problem hatte - und auch eine Klage nicht dazu führte, dass gerichtlich eine Unterrepräsentation festgestellt wurde.
Das heißt für mich, dass es auch in Zukunft für die etablierten Parteien egal ist, ob ich Kleinstpartei oder gar nicht wähle (und in dem Fall ist die AFD eindeutig auch als etablierte Partei zu werten).
Meine Erfahrung als Mitglied einer Kleinstpartei war dann auch, dass diese zwar mit dem System unzufrieden ist, aber sich eben damit arrangiert, dass meine Stimme ihr Geld beschafft, auch wenn meine Stimme ansonsten meinem Anliegen null hilft.
Gemäßígte Grüne wie unser Herr Kretschmann, dem der Daimler näher steht als der Umwelt und Klima? Wir haben seit Jahren einen grünen Ministerpräsidenten hier. Meines Wissens gibt es keinen relevanten Indikator für eine gute Zukunftspolitik in dem wir größere Erfolge vorzuweisen hätten, als der Rest der Republik.
Wie ist denn die aktuelle Lage? Könnte es theoretisch sein, dass nur eine oder sogar gar keine Partei die 5%-Hürde schafft, da es so viele Splitterparteien gibt?
Wie wäre eine Regelung, dass X% der Wahlberechtigten im Parlament repräsentiert werden müssen. Ist dies nicht der Fall, wird nochmal gewählt. Somit würden zunächst alle ermutigt, nach Überzeugung zu wählen und erst im zweiten Wahlgang ggf taktisch. Oder gibt es bereits eine solche Regelung?
Ich weiß nicht wie die aktuelle Regelung aussieht aber Vorschläge Dinge zu ändern gibt es ja diverse.
Einer wäre z.B. solange Parteien in den Bundestag einziehen zu lassen bis über z.B. 90 % der Wählerstimmen eingezogen sind. Bei 9-10% sonstige und fdp bei 4% und Linke bei 3 % wären die dann z.B. drin.
Ich persönlich wäre dafür die Grenze gleich auf 3% zu senken um der aktuellen Parteienlandschaft gerechter zu werden. Die Parteien selbst müssen dann eine Kultur schaffen in der Mehrparteienkoalitionen oder Minderheitsregierungen funktionieren.
Ich finde es übrigens allgemein wichtig, wieder mehr dazu überzugehen, seine demokratische Partizipation nicht auf den Wahlakt zu beschränken. Wir müssen auch zwischen den Wahlen mitgestalten, indem wir zB in eine Partei eintreten (diese so finanziell unterstützen und zudem die Themen in der Partei mitprägen), Petitionen initiieren, Spenden, am Diskurs mitwirken, Abgeordneten kritische Fragen stellen etc. Das sollte nicht vernachlässigt werden.
Auf jeden Fall, du hast aber einen extrem wichtigen Aspekt vergessen. Die ehrenamtliche Vereinsarbeit. Darüber kann man extrem viel Druck ausüben kommunal. Leider haben Vereine immer mehr zu kämpfen, da beide Partner oft voll berufstätig sind oder die gesparte Zeit völlig berechtig in die Kinder investiert wird. Da geht man schon oft am Zahnfleisch und ich spreche da als Vorsitzender eines Fördervereins mit 2 sehr kleinen Kindern aus Erfahrung. Die 4 Tage Woche beispielsweise würde dem Ehrenamt sicher auch sehr helfen.
Meine Antwort ist: Der kleinen Randpartei eintreten und helfen, sie großzumachen. Nothing ever happens. Wir müssen schon selber ran, unsere Eliten sind so out of touch, die raffen es nicht anders.
Ich wäre schon etwas zufriedener, wenn es wie im US-Bundesstaat Nevada eine „keiner von diesen Kandidaten“-Option auf dem Stimmzettel gäbe. Ich sehe nämlich nicht nur AfD und BSW als eine Gefahr für die Demokratie an, sondern auch Parteien, die deren Agenda in der Hoffnung auf Wählerstimmen übernehmen oder die beispielsweise mit der Hetze gegen politische Gegner, Migration und Transferleistungen stärkste Partei werden. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass ich nicht dafür verantwortlich dafür bin, was andere wählen und würde das gerne anders zum Ausdruck bringen können.