Liebes Lageteam,
auch ich möchte den Punkt Kindergrundsicherung / Wachstumschancengesetz aufgreifen, da dort eine Punkte etwas verkürzt erörtert wurden:
Es dürfte verfassungsrechtlich sehr problematisch sein, den Kinderfreibetrag komplett abzuschaffen. Dies dürfte allenfalls dann möglich sein, wenn der Garantiebetrag in der Jahressumme dem entspricht, was sich bei Anwendung des KFB beim sog. „Reichensteuersatz“ ergibt (bei rd 9T€ KFB / 45% rd 340 € pro Monat). Wenn das käme, dann könnte der KFB abgeschafft werden. Ich habe Stand heute leider noch keinen Gesetzentwurf aus dem BMFSFJ gefunden, bin aber gespannt.
Die Behauptung, der KFB habe bei Gutverdienenden einen höheren Effekt, ist rechnerisch zutreffend, aber von der Systematik her verkürzend. Denn dieser Effekt ergibt sich ja nur deswegen, weil wir einen progressiven Tarif haben. Wenn bei steigenden Einkünften der jeweils letzte € immer höher besteuert wird, dann bedeutet das umgekehrt zwingend, dass Kürzungsbeträge jeglicher Art (seien es WK, BA, agB, usw, und eben auch der Grund- oder der KFB) sich umso mehr im Ergebnis auswirken, je höher der Steuersatz auf den letzten zu versteuernden € ist. Alles andere wäre systemwidrig und wohl ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip.
Das Ganze erinnert an die Diskussion bei der km-Pauschale (die man mit guten Argumenten sicher in Frage stellen kann: Stichwort „Werkstorprinzip“). Auch dort wurde überspitzt behauptet: Der Reiche bekommt pro Kilometer mehr Geld als der Arme. Zutreffend ist, dass sich das zvE bei beiden (gleiche Entfernung unterstellt) um denselben Betrag mindert. Keiner bekommt „Geld pro km“, sondern die WK sind bei der EK-Ermittlung abzuziehen.
Aus ähnlichen Gründen dürfte auch die Behauptung, die Glättung der kalten Progression habe zu einer enormen Entlastung (nur?!) sehr gutverdienender Menschen geführt, nicht richtig sein. Zutreffend ist, dass durch das entspr Gesetz auf die Einkunftsteile aller steuerpflichtigen Menschen bis zu einem zvE von rd 63T€ ab 202) / 66T€ ab 2024 (Single) weniger ESt zu zahlen ist, da die Tarifeckewert „nach rechts verschoben“ wurden. Soweit ich weiß, wurde aber grade der Tarifeckwert für die sog. Reichensteuer nicht angehoben, so dass derjenige Teil des zvE, der über 63 / 66T€ liegt, nicht berührt wird und die Steuerbelastung auf die Einkunftsteile, die darüber liegen, gleichbleibt.
Es gibt viel berechtigte Kritik an dem Wachstumschancengesetz. Das „Strohfeuer“-Argument ist aber zu einfach. Hier wäre es sinnvoll gewesen, sich die einzelnen Maßnahmen einmal genauer anzuschauen (bspw Investitionsprämie für Klimaschutz, steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung, etc.). Ich sage nicht, dass ich das alles für sinnvoll erachte und manche Maßnahmen können auch zu Mitnahmeeffekten führen, als wirklich Wachstum anzukurbeln. Aber so war das zu oberflächlich.